Eine kleine Wache, zentral in Kirn, direkt am Bahnhof gelegen. Von außen lässt schon die Backsteinfassade des alten Bahnhofgebäudes erahnen, dass sich hinter der Sicherheitsschleuse wohl kaum eine moderne Polizeiinspektion verbirgt. Und der Schein trügt nicht. Gemeinsam mit Stefanie Loth und Verena Schäfer von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) stattet unsere Zeitung der in die Jahre gekommenen Liegenschaft einen Besuch ab und erfährt: So dürftig wie in Kirn (Kreis Bad Kreuznach) sieht es in vielen rheinland-pfälzischen Dienststellen aus.
Beim Betreten der Polizeiinspektion Kirn lässt man das sonnige Frühlingswetter hinter sich. Der lange, schmale Flur hinter der Sicherheitsschleuse ist düster. Es gibt kaum Fenster, die Tageslicht hereinlassen. Der Boden ist mit braunen Fliesen gekachelt, die selbst das künstliche Licht der flackernden Neonröhren zu verschlingen scheinen. Bunte Bilder an den weißen, von Macken übersäten Wänden sind ein Versuch der Mitarbeiter, etwas gegen die Trostlosigkeit zu unternehmen. Doch nicht zu übersehen: ein riesiger Salpeter-Fleck, der sich aus einer Ecke heraus immer weiter ausbreitet, Bläschen bildet und den Putz zum Bröckeln bringt.
„Das ist betrübend, ganz ohne Charme“, fasst Stefanie Loth zusammen. Die Landesvorsitzende der GdP setzt sich gemeinsam mit ihrer Kollegin Verena Schäfer dafür ein, dass sich die Zustände in den rheinland-pfälzischen Polizeiliegenschaften verbessern. Kirn sei nur ein Beispiel dafür, wie es in vielen Dienststellen des Landes aussieht. Warum es ein flächendeckendes Problem ist, die Immobilen der Polizei instand zu halten oder gar zu renovieren, hat mehrere Gründe, sagt Loth.
Viele Gebäude sind schlichtweg veraltet. „Wenn die Grundsubstanz gut ist, kann man in dem Gebäude wahrscheinlich 15 Jahre gut drin leben und arbeiten“, wägt die GdP-Vorsitzende ab. Hat die Einrichtung allerdings schon mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel, wie das Kirner Bahnhofsgebäude, in dem die Polizei seit 1992 ansässig ist, dann müsste es eigentlich in regelmäßigem Rhythmus kontrolliert und erneuert werden. Das passiert laut Loth jedoch nicht.

Verena Schäfer erwähnt, dass der Personalmangel, unter anderem beim Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB), ein weiteres Problem darstellt. Der Betrieb verwaltet einen Großteil der Polizeiliegenschaften, habe aber zu wenig Mitarbeiter, die sich der Mängel annehmen. „Das wird auch nicht besser in der nächsten Zeit, sodass klar ist, dass der derzeitige Zustand bestenfalls gehalten werden kann“, erklärt Schäfer.
Das fehlende Personal ziehe sich bis ins zuständige Innenministerium durch: Dort ist laut Loth eine einzige Person für die 140 Liegenschaften im Land verantwortlich. „Aber dem Kollegen kann man keinen Vorwurf machen, er macht, was er kann“, betont die GdP-Vorsitzende. Vielmehr sei die grundsätzlich mangelhafte Struktur, dass es keinen Renovierungsrhythmus und keine Standards gibt, das Ärgernis.
Mit der Finanzierung habe man meist eher weniger zu kämpfen, erklärt Schäfer. Dennoch sei es laut Loth stets so: „Wenn man in einer Polizeiinspektion etwas erneuert haben will, muss man sich hinten anstellen.“ Das gelte besonders für die kleineren lokalen Liegenschaften, die in der Hierarchie der LBB-Objekte wohl weit unten stehen. Der Landesbetrieb betreut nämlich beispielsweise auch noch größere amerikanische Objekte, etwa die Militärbasis Ramstein.

Links und rechts vom trüben Flur geht es zu den Büros, Umkleiden und Gemeinschaftsräumen. Neben Möbeln, die aus den 70er-Jahren zu stammen scheinen, lässt auch die Hygiene zu wünschen übrig. Staub auf dem Boden, vergilbte Kunststoffleisten an den Wänden. Die Luft ist schlecht. Die wenigen Fenster, die es gibt, können kaum geöffnet werden, da sie ohne jegliche Schutzvorrichtung zum Bahnhofsvorplatz hin liegen. Stehen sie offen, könnten Menschen von außen ungehindert reinschauen, reingreifen oder gar hineinsteigen.
Auch die Toiletten geben kein besseres Bild ab. Die Sanitäranlagen sind alt und verkalkt, die Bodenfliesen fleckig und die Fugen verschmutzt. An den Wänden sind einzelne Kacheln beschädigt und drohen aus der Wand zu brechen. Im Vorraum der Personaltoilette stehen zwei altmodische Holzschränke. „Dafür war im Umkleideraum kein Platz mehr“, erklärt Loth nüchtern. Zwei Kollegen befänden sich in der unglücklichen Lage, ihre Uniform oder Alltagskleidung in dem WC-Raum unterbringen zu müssen.

Zufrieden sind die Polizisten in den betroffenen Inspektionen mit der Situation ganz und gar nicht. „Das hat was mit Wertschätzung zu tun“, sagt die Gewerkschaftsvorsitzende. „Die Mitarbeiter sind dort 24 Stunden, die ganze Woche über erreichbar – dann könnte es in der Dienstelle doch auch ordentlich aussehen“, fordert sie.
Nicht nur in Kirn lässt der Zustand zu wünschen übrig. „Es lässt sich vermutlich schneller aufzählen, wo es gut läuft“, scherzt Loth. Ein weiteres Negativbeispiel ist ihr zufolge die Liegenschaft in Oppenheim (Kreis Mainz-Bingen): „Die ist wie Kirn in Vergessenheit geraten.“ Oder die Polizeiinspektion 3 in Mainz, aus der die Mitarbeiter zumindest vorübergehend ausgelagert wurden, da es reingeregnet hatte. Auch das Polizeipräsidium Koblenz zähle aufgrund eines Durchzugproblems zu den dringend renovierungsbedürftigen Immobilien.
Genauer geht die GdP-Vorsitzende auch auf die Polizeiwache Linz (Kreis Neuwied) ein. Dort hat es im vergangenen Jahr einen Angriff gegeben, bei dem ein Mann mit einer Machete gegen die Scheibe der Sicherheitsschleuse schlug und drohte, die dahinter sitzenden Polizisten umzubringen. Die Scheibe, die deutliche Spuren dieses Angriffs aufweist, wurde bis heute nicht ausgewechselt. Loth sagt: „Der Kollege, der damals dabei war, muss sich das jeden Tag anschauen und wird daran erinnert. Obwohl niemand zu Schaden gekommen ist und der Vorfall gut aufgearbeitet wurde, ist das eine bedrückende Situation.“
„Ich denke, wirtschaftlich ist nicht immer das, was am billigsten ist, sondern das, was auch effektiv ist.“
Stefanie Loth, Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei
Damit sich der Zustand für die Beamten in den betroffenen Dienststellen verbessert, fordern Loth und Schäfer, dass das gesamte System kritisch betrachtet wird. „Dafür müssten alle an einen Tisch“, sagt Schäfer. Jede Dienststelle soll engmaschig getaktet begutachtet werden, und auf akute Probleme wie drohenden Schimmelbefall oder eine undichte Decke, müsse schnell reagiert werden. Anschließend sei die Renovierung aller betroffenen Gebäude sowie die Einführung eines gewissen Ausstattungsstandards nötig.
„Die Dienststellen sind alle sehr individuell, eine Musterdienststelle zu planen, ist also pauschal gar nicht möglich. Aber vielleicht könnte man zumindest einzelne Dinge standardisieren, etwa, dass jede Zelle eine Toilette hat und die Wachen eine grundsätzlich menschenwürdige Ausstattung haben“, schlägt Schäfer vor. „Die Erwartungshaltung ist auch nicht groß. Es geht immer noch nur um eine zweckmäßige Einrichtung, aber die sollte wenigstens gepflegt und sauber sein“, führt Loth aus.
Außerdem fordern die Gewerkschafterinnen, dass der öffentliche Dienst mehr eigenes Fachpersonal bekommt. Es sei zeit- und kostenintensiv, externe Firmen zu engagieren. Baufachleute, die neben ihrer Expertise auch die Strukturen der Polizei und des LBB kennen, könnten zudem Kommunikationsprobleme reduzieren und so den gesamten Prozess beschleunigen. Dafür müsste der öffentliche Dienst allerdings insgesamt wieder attraktiver werden, sagt Loth. Da spiele auch die Bezahlung eine entscheidende Rolle. So auch bei den engagierten Reinigungsfirmen. „Die bekommen oft nur den Mindestlohn, weil das wirtschaftlicher ist. Aber ich denke, wirtschaftlich ist nicht immer das, was am billigsten ist, sondern das, was auch effektiv ist“, macht Loth deutlich.

Die Problematik hat bereits Einzug in die rheinland-pfälzische Landespolitik gehalten und sorgt dort ebenfalls für Unverständnis. Der Zustand sei untragbar, teilt die parlamentarische Gruppe der Freien Wähler mit. Der Dienstherr, also das Innenministerium, müsse dringend handeln. „Zur Wertschätzung gegenüber unseren Polizeibeamten gehört nun mal auch, dass der Arbeitsort grundlegende Standards erfüllt.“ Besserung verspricht sich die Gruppe von einer Reduzierung der Arbeitsbelastung der Beamten durch mehr Personal – sowohl in der Verwaltung als auch im operativen Bereich.
Eine Große Anfrage zum Thema kündigt die CDU an. „In vielen rheinland-pfälzischen Polizeidienststellen ist ein zeitgemäßes Arbeiten schlicht unmöglich“, kritisiert der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Dirk Herber. Er macht sich Sorgen um die Arbeitsumstände der Polizistinnen und Polizisten: „Wer arbeitet schon gern in einer Bruchbude?“

Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt das Innenministerium, dass bereits hohe Investitionen in den Neubau beziehungsweise die Renovierung von Dienststellen im Land getätigt wurden. Pressesprecher Matthias Bockius nennt unter anderem die Dienstgebäude in Trier, Landau und Mendig als Beispiel. Zudem seien aktuell bereits mehrere Sanierungsarbeiten im Gange, etwa in Koblenz oder Ludwigshafen. All diese Projekte seien insgesamt mit Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe verbunden, erklärt Bockius.
„Die Vorbereitung einer Sanierungsmaßnahme kann länger in Anspruch nehmen und für den auf der Dienststelle tätigen Polizeibeamten oder Polizeibeamtin der Eindruck entsteht, dass ,nichts passiert’, was tatsächlich aber nicht stimmt.“
Matthias Bockius, Pressesprecher des Innenministeriums
„Bei Dienstgebäuden im Landeseigentum erfolgt eine jährliche Begehung, um gegebenenfalls bestehende Sanierungsbedarfe festzustellen und zwischen dem LBB und der nutzenden Polizeibehörde abzustimmen“, teilt das Ministerium weiter mit. Werden Sanierungsbedarfe erkannt, dauere die Beseitigung unterschiedlich lang und sei abhängig von rechtlichen Vorgaben oder Lieferzeiten. „Dies führt dazu, dass die Vorbereitung einer Sanierungsmaßnahme längere Zeit in Anspruch nehmen kann, wodurch für den auf der Dienststelle tätigen Polizeibeamten oder Polizeibeamtin der Eindruck entsteht, dass, nichts passiert’, was tatsächlich aber nicht stimmt“, heißt es weiter.

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