Im Mammutprozess gegen die mutmaßliche Terrorgruppe „Vereinte Patrioten“ am Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) ist das Urteil gefallen. Vier der fünf Angeklagten sind nun vom Staatsschutzsenat um Vorsitzende Richterin Anne Kerber zu hohen Haftstrafen verurteilt worden – unter anderem wegen der Gründung einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer sowie der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund.
Fast zwei Jahre und genau 106 Verhandlungstage lang saßen Michael H. (45), Thomas O. (57), Sven B. (56), Thomas K. (52) und Elisabeth R. (77) im OLG auf der Anklagebank. Ihnen wurde vorgeworfen, geplant zu haben, Karl Lauterbach (SPD) zu entführen, Deutschland den Strom abzudrehen und einen Putsch im Sinne der „Reichsbürger“-Ideologie umzusetzen.
Thomas O. ist nun zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, Sven B. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten, Elisabeth R. zu sieben Jahren und neun Monaten Haft, Michael H. zu acht Jahren Haft und Thomas K. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Der Staatsschutzsenat blieb mit Blick auf die Strafhöhe knapp unter den von der Bundesanwaltschaft geforderten Strafen.
Verdeckte Ermittler hatten Gruppe auf dem Schirm
Diese „fünf scheinbar völlig verschiedenen Menschen“, so Kerber in der Urteilsbegründung, hätten sich vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie kennengelernt. Sven B. und Thomas O. hätten ihrerseits zu dieser Zeit zunehmend Angst vor einer Zwangsimpfung gehabt. Die Vernetzung der Angeklagten sei über Telegram vonstattengegangen, später sei es aber auch zu persönlichen Treffen gekommen. Bei diesen Zusammenkünften waren allerdings auch verdeckte Ermittler zugegen, die die Gruppe zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Schirm hatten.
Spätestens am 6. Januar 2022 hätten sich die Angeklagten zu einer terroristischen Gruppe zusammengeschlossen, unterstrich Vorsitzende Richterin Kerber. An dem Tag sei der dreistufige Plan zur Lauterbach-Entführung, dem Staatsputsch im Reichsbürger-Sinne sowie dem großflächigen Blackout besprochen worden. „Bei dem Ganzen wurden auch Tote in Kauf genommen“, sagte Kerber. Die Angeklagten hätten diesbezüglich von „Kollateralschäden“ gesprochen.
Die Richterin unterstrich, dass von der Gruppe eine abstrakte Gefährlichkeit ausgegangen sei, man habe es hier nicht mit einer „Kasperletruppe“ zu tun gehabt. Jedem der Angeklagten sei bei der Planung eine andere Rolle zugekommen. Skurril: Komiker Michael H. habe nach dem geplanten Putsch die Position des „Reichskanzlers“ übernehmen wollen, hieß es im Gericht. Die 77-jährige Elisabeth R. sei als Reichsbürgerin die politische Vordenkerin der Gruppe gewesen. Die Richterin erklärte in der Urteilsbegründung, dass R.s Ansichten von juristischem Pseudowissen durchsetzt seien. Man sei während des langen Verfahrens nur so mit „Belehrungen“ und „Humbug“ überschüttet worden, ferner mit „klar antisemitischen Äußerungen“. Diese Sätze Kerbers dürften besonders der 77-jährigen Angeklagten gegolten haben.
„Bei dem Ganzen wurden auch Tote in Kauf genommen.“
Vorsitzende Richterin Anne Kerber über die Pläne der Gruppe
Während der Urteilsbegründung schaltete Elisabeth R. mehrfach ihr Mikrofon an und sagte sichtlich aufgebracht: „Hier jagt eine Lüge die nächste!“ Etwa vier Stunden vor der Urteilsverkündung hatte sie am OLG ihre „letzten Worte“ gesprochen. Die Theologin behauptete darin, dass das Urteil ohnehin schon feststehe – weshalb ihre Abschlussworte bloß noch ein reiner Proforma-Akt seien.
Für einen Teil der Angeklagten waren die Corona-Maßnahmen der Regierung ein derart rotes Tuch, dass auch Waffen immer mehr zum Thema geworden waren: Thomas O. etwa wurde nach dem Kauf von Waffen verhaftet. Comedian Michael H. sagte im OLG, dass er sich bei der nächsten Corona-ähnlichen Situation mit seinen Ideen gänzlich raushalten werde. „Das reicht. Lektion verstanden“, sagte er. Das nun gesprochene Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

„Reichsbürger“-Prozess in Koblenz: Thomas O. nennt sein Verhalten einen „Irrweg“
Im Prozess gegen die mutmaßliche Terrorgruppe "Vereinte Patrioten" hat sich nun auch der letzte der insgesamt fünf Angeklagten geäußert: Thomas O. Das Verfahren läuft in Koblenz am Oberlandesgericht bereits seit mehr als einem Jahr.