Das Urteil im Prozess gegen den Messerstecher von Lahnstein ist am Koblenzer Landgericht gefallen: Der 36-jährige Sudanese ist von der 14. Strafkammer um Richter Rupert Stehlin wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Der Mann hatte am Morgen des 8. Aprils dieses Jahres in einem Zug zwischen Koblenz und Niederlahnstein einen damals 20 Jahre alten Iraner mit einem Messer niedergestochen. Das Gericht hat auch entschieden, dass ein grundsätzlicher Anspruch des Opfers auf Schmerzensgeld bestehe – über die Höhe müsse in einem Zivilverfahren entschieden werden.
Einstiche im Bereich des Halses
Der Iraner erlitt vier Messereinstiche – im Bereich der linken Halsseite, der Wange und an den Oberschenkeln. Im Gericht war die Rede von bleibenden Nervenschäden, darüber hinaus sei der Mann bis heute in Therapie. Kurz vor der Tat hatte der Sudanese lautstark auf die SPD geschimpft. Die Partei sei unter anderem daran schuld, dass er kein Geld vom Jobcenter bekomme, hieß es.
Der junge Iraner hatte den 36-Jährigen im Zug um Ruhe gebeten – und ihm nach eigenen Angaben auch Schläge angedroht. Später kam es zu einem Gerangel zwischen den Männern, der Iraner zückte Pfefferspray, der Sudanese seinerseits ein Messer. Nach dem Versprühen des Pfeffersprays eskalierte die Situation schließlich. Die Tat war von Überwachungskameras des Zuges aufgezeichnet worden. Der Angeklagte hat bereits zwei Vorstrafen in Deutschland – wegen Beleidigung und Körperverletzung.
Staatsanwaltschaft forderte neun Jahre
Die Staatsanwaltschaft hatte im Plädoyer gefordert, den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren zu verurteilen. Der Sudanese habe mit voller Wucht auf den Oberkörper des Opfers eingestochen, sodass sich das Messer sogar verbogen habe. Die Rede war von „Erbarmungslosigkeit“ und „roher Brutalität“, der Angeklagte habe eindeutig mit Tötungsvorsatz gehandelt.
Gefährliche Körperverletzung?
Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Volker Klein, sagte im Plädoyer, dass die von der Staatsanwaltschaft geforderten neun Jahre „absolut übertrieben“ seien. Klein sieht den Tatbestand des versuchten Totschlags als nicht erfüllt an: Sein Mandant habe irgendwann von dem Mann abgelassen, die Tat müsse also als gefährliche Körperverletzung gewertet werden. Klein forderte eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren für seinen Mandanten.
Die Urteilsbegründung
Die Strafkammer um Richter Stehlin folgte am Ende weitestgehend den Darlegungen des Verteidigers, schraubte die Haftstrafe jedoch um drei Monate nach oben. Der Geschädigte habe dem Sudanesen im Zug den Mund verboten, ihm Schläge angedroht und ihn mit Pfefferspray besprüht. Das, so Stehlin, habe der Angeklagte sich nicht länger gefallen lassen wollen – und habe dem Opfer einen „Denkzettel“ verpasst. Nach der Attacke hätte es noch simulierte Stichbewegungen in die Luft gegeben, allerdings keine mehr in Richtung des Opfers. Laut Stehlin nach dem Motto „Schau her, ich könnte, wenn ich wollte!“ Konkrete Lebensgefahr habe bei dem Opfer nicht bestanden.
Opfer wurde am Tag der Urteilsverkündung 21 Jahre
Abseits des Gerichtssaals sprach der Iraner, der ausgerechnet am Tag der Urteilsverkündung 21 Jahre alt geworden ist, mit Blick auf die Entscheidung der Strafkammer von einem „Skandal“. Die Strafe sei viel zu niedrig. Bis heute gebe es Nächte, in denen ihm das Gesicht des Täters vor Augen erscheine, sagte der Mann.
2016 nach Deutschland gekommen
Der Angeklagte war 2016 nach Deutschland gekommen. Er hatte am Verwaltungsgericht Lüneburg erfolgreich gegen die Ablehnung seines Asylantrags geklagt – der Mann sollte eigentlich abgeschoben werden. In seiner Begründung hatte der Mann damals unter anderem angegeben, im Sudan politisch verfolgt zu werden. Und bei einer Rückkehr drohe ihm womöglich der Tod.
Angeklagter will Stimmen hören
Eine Psychiaterin hatte den Sudanesen für den Prozess begutachtet. Bereits seit seinem 20. Lebensjahr will der Angeklagte an akustischen Halluzinationen leiden. Gleichwohl konnte er im Gespräch mit der Psychiaterin nicht erklären, was die Stimmen ihm denn sagen.
Der Angeklagte berichtete der Expertin darüber hinaus, dass er sich bereits mehrfach habe umbringen wollen. Der Mann war in der Bundesrepublik einige Male psychiatrisch behandelt worden, es wurde unter anderem eine Schizophrenie-Diagnose gestellt.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Wichtig: Der Sudanese hatte im Gespräch mit der Psychiaterin angegeben, dass die Messerattacke auf den Iraner einzig dem Umstand geschuldet gewesen sei, dass er sich durch dessen Verhalten im Zug stark provoziert gefühlt habe. Weder habe eine Stimme ihm die Tat damals diktiert noch habe er gedacht, dass der Iraner womöglich mit dem sudanesischen Geheimdienst zusammenarbeiten könne. Der Angeklagte hatte in Deutschland bei mehreren Personen den wohl wahnhaften Verdacht, dass diese mit dem Geheimdienst seines Heimatlandes zusammenarbeiten könnten.
Das Fazit der Psychiaterin: Es gebe keine gesicherten Hinweise aus ihrem Fachgebiet darauf, dass eine krankhafte seelische Störung beim Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hat. Somit seien auch keine Argumente dafür gegeben, eine Schuldunfähigkeit oder eine verminderte Schuldfähigkeit zu begründen. Das Koblenzer Urteil ist noch nicht rechtskräftig.