Heike Schons nimmt mehrfach täglich Schmerzmittel. Ohne geht es gerade nicht, weil sie bei einem Unfall am 21. Januar schwer verletzt wurde. Eigentlich wollte sie nur mit dem Rad von der Arbeit nach Hause fahren. Doch dann wird sie von einem mutmaßlich aus dem Westerwald kommenden Autofahrer an der Lidl-Ausfahrt am Verteilerkreis in Trier Nord übersehen.
Eigentlich wartet sie an der Ausfahrt am Radweg, um einen Kleintransporter vorbeizulassen. Doch der Fahrer schaut nur nach links auf die Autos im Verteilerkreis. Die Radlerin rechts bemerkt er nicht, obwohl sie eine grellgelbe Jacke trägt. Dann schneidet er vermutlich die Kurve und erfasst die Frau. Schons stürzt schwer. Der Mann fährt einfach weiter. Als wäre nichts passiert.
Doch es ist etwas passiert. Etwas, das das Leben von Heike Schons, eine erfahrene Rad-Pendlerin, nachhaltig beeinträchtigt. „Bei der Kollision verhakten sich der hintere rechte Reifen des Transporters und das Vorderrad des Fahrrades“, berichtet die Polizei in einer Meldung, mit der sie nach dem Flüchtigen fahndet. Der Transporter mit Nummernschild aus dem Westerwaldkreis (WW) habe das Rad samt Fahrerin über eine Strecke von mehreren Metern mitgeschleift.
Das hat schlimme Folgen. Was sie vor Ort zunächst nicht bemerkt: Vier Rippen sind gebrochen. Eine davon beschädigt den linken Lungenflügel. Die Ärzte weisen einen Pneumothorax nach, eine im schlimmsten Fall lebensbedrohliche Luftansammlung neben dem Lungenflügel. Sie setzen eine Drainage. Das Schlimmste können sie abwenden. Schmerzen hat die 57-Jährige trotzdem. Sie erleidet zudem Prellungen an den Beinen und den Füßen. Zwei Wochen nach dem Unfall weiß Schons noch nicht, ob ihre Lunge dauerhaft geschädigt wurde.
„Ich wurde mit Gewalt rechts herumgezogen. Man versucht noch, gegenzulenken, aber es ging nicht.“
Radfahrerin Heike Schons
Was sie ebenfalls immer noch nicht versteht: „Ich hatte Blickkontakt mit der Beifahrerin.“ Diese habe danach auch mit dem Fahrer gesprochen. Trotzdem sei der Mann losgefahren. „Ich wurde mit Gewalt rechts herumgezogen. Man versucht noch, gegenzulenken, aber es ging nicht“, sagt sie.
Den Sturz empfindet sie in dem Moment nicht als sonderlich schlimm. Zwei Zeugen helfen ihr. „Ein Mann hat mich unter den Armen gepackt und hochgezogen, da habe ich vor Schmerzen geschrien“, sagt sie. Der zweite Zeuge, der ihr namentlich bekannt ist, habe dann gefragt, ob er die Polizei rufen solle. „Ich habe es verneint, weil ich mich geschämt habe, als Radfahrer wieder das Erlebnis haben zu müssen, dass mich jemand verletzt hat und weggefahren ist“, sagt sie.
Einen ähnlichen Unfall hat Schons schon einmal im Verteilerkreis in Trier-Nord gehabt. Eine Autofahrerin habe sie, abgelenkt durch ihr Handy, übersehen und ihre Vorfahrt geschnitten. Seitdem fahre sie einen Umweg über einen Fahrradweg. Von Autofahrern wünscht sie sich mehr Rücksicht, von der Stadt Trier eine sicherere Radwegführung am Verteilerkreis.
Über ihr eigenes Handeln nach dem Unfall sagt sie: „Ich war überfordert und geschockt.“ Statt die Polizei und einen Krankenwagen zu informieren, fährt sie zum Hausarzt. Der schickt sie weiter zu einem Arzt der Berufsgenossenschaft, weil es sich um einen Unfall auf dem Arbeitsweg handelt. Statt einen anderen Arzt aufzusuchen, fährt Schons aber nach Hause. Erst danach informiert sie die Polizei.
Der Beamte habe am Telefon gefragt, ob er einen Rettungswagen schicken solle. Sie habe wieder abgelehnt. Erst am nächsten Morgen um 5 Uhr sei sie selbst zum Krankenhaus gefahren. Dort spricht sie erstmals auch persönlich mit Polizisten. Sie hätten betont, dass es in einem solchen Fall wichtig sei, die Polizei direkt zu rufen. Schons versucht, das Versäumnis zu erklären: „Ich war vorher drei Tage krank. Dann hatte ich schon wieder einen Unfall.“ Sie habe Angst wegen möglicher Konsequenzen im Job gehabt – auch wenn sie weiß, dass das unbegründet ist.
Sechs Tage verbringt sie im Krankenhaus. Arbeitsunfähig ist sie vermutlich für vier bis sechs Wochen. Schon jetzt hat sie Angst davor, dass es länger dauern könnte. Nach der sechsten Woche würde sie nicht mehr ihr volles Gehalt, sondern Krankengeld bekommen. Dass das fürs Leben ausreicht, bezweifelt Schons, die als fest angestellte Reinigungskraft arbeitet. Deshalb plagen sie neben den Schmerzen zurzeit auch Existenzängste.
Appell an den Unfallfahrer, Aufruf an Zeugen
An den Fahrer des Transporters appelliert sie, sich bei der Polizei zu melden. Sie empfinde Wut und Traurigkeit, dass er geflüchtet sei. „Man muss das doch gemerkt haben – auch während des Fahrens –, dass da irgendwas passiert ist.“ Weiterhin setzt sie darauf, dass sich noch Zeugen melden. „Sobald da ein Unfall mit einem Radfahrer in neongelber Kleidung passiert, kann ich mir nicht vorstellen, dass man das nicht sieht“, sagt sie. Die Polizei ermittelt wegen unerlaubten Entfernens von der Unfallstelle und fahrlässiger Körperverletzung. Sie bittet Zeugen weiterhin, sich telefonisch unter 0651/98344150 zu melden.
Wegen ihrer Verletzungen muss Schons zurzeit auf ihr Rad verzichten. Ein Dauerzustand soll das nicht werden. „Das lass’ ich mir nicht nehmen“, sagt sie. Fahrradfahren sei der optimale Stressausgleich. Und das brauche sie trotz der Schmerzen.