Rheinland-Pfalz
Umstrittene Schließung von sieben Bereitschaftspraxen: Hätte das Land das Aus vermeiden können?
Auch die Bereitschaftsdienstzentrale in Andernach, der Heimatstadt von Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD), ist von dem Schließungsbeschluss der Kassenärztlichen Vereinigung betroffen. Hätte der Minister dies frühzeitig verhindern können?
Sascha Ditscher

In Altenkirchen, Andernach und Emmelshausen ist der Aufschrei groß: Die Kassenärztliche Vereinigung schließt ihre dortigen Bereitschaftspraxen infolge eines Urteils des Bundessozialgerichts zur Sozialversicherungspflicht von Honorar-Poolärzten. Jetzt wird bekannt, dass die Landesregierung im Bundesrat gegen eine frühzeitige Lösung des Problems gestimmt hat.

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Auch die Bereitschaftsdienstzentrale in Andernach, der Heimatstadt von Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD), ist von dem Schließungsbeschluss der Kassenärztlichen Vereinigung betroffen. Hätte der Minister dies frühzeitig verhindern können?
Sascha Ditscher

Wäre das Aus für sieben ärztliche Bereitschaftsdienstpraxen unter anderem in Altenkirchen, Andernach und Emmelshausen infolge eines Urteils des Bundessozialgerichts zur Sozialversicherungspflicht für Poolärzte vermeidbar gewesen? Das behauptet der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, Christoph Gensch, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Der Zwist zwischen Kassenärztlicher Vereinigung (KV) und Gesundheitsminister Hoch wegen der angekündigten Schließung von Bereitschaftspraxen im Land wäre vermeidbar gewesen. Der Minister hatte es selbst in der Hand.“

Greift Gesundheitsminister Clemens Hoch wegen der Schließung der Bereitschaftspraxen scharf an: der CDU-Gesundheitspolitiker Christoph Gensch
Thomas Frey/picture alliance/dpa

Hintergrund ist eine Bundesratsentscheidung im Mai, bei der die rheinland-pfälzische Landesregierung gegen eine Aufhebung der Sozialversicherungspflicht für Poolärzte – also Vertragsärztinnen und -ärzte, die gegen Honorar Bereitschaftsdienste übernehmen – im ärztlichen Bereitschaftsdienst gestimmt hat. Nach dem Nein im Bundesrat sei Hoch eine alternative Lösung des Problems schuldig geblieben.

Zum Hintergrund: Die KV hatte in der vergangenen Woche angekündigt, sieben Bereitschaftspraxen zum 1. Januar in Rheinland-Pfalz zu schließen und die Öffnungszeiten der verbleibenden 36 Praxen erheblich einzuschränken. Begründet wurde dies mit den Folgen des Urteils. KV-Chef Peter Heinz rechnet damit, dass wegen der künftigen Sozialversicherungspflicht 50 Prozent der Poolärzte ihre Arbeit nicht fortsetzen werden. Sie übernähmen jedoch fast 60 Prozent der Dienste. Eine Mehrbelastung der eigentlich dienstverpflichteten Praxisinhaber hatte die Vollversammlung der KV, das Parlament der Kassenärzte, im Vorfeld jedoch mehrheitlich abgelehnt.

Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) hatte der KV nach der Schließungsankündigung schwere Vorwürfe gemacht – die KV spiele mit den Ängsten der Patienten –, die von der KV zurückgewiesen wurden. Besonders in Altenkirchen, wo das DRK sein Krankenhaus deutlich zurückbauen will, aber auch in Hochs Heimatstadt Andernach und in Emmelshausen haben die Pläne der KV heftige Proteste ausgelöst.

Bundesrat empfiehlt Regelung analog
der Befreiung bei den Notärzten

CDU-Gesundheitspolitiker Gensch richtet jetzt den Blick auf einen Vorstoß des Bundesrates während seiner Sitzung am 12. Mai, mehr als fünf Monate vor dem Richterspruch. In einem mehrheitlich angenommenen Beschluss hatte die Ländervertretung den Bundesgesetzgeber empfohlen, die Poolärzte im Bereitschaftsdienst analog der Regelung bei den Notärzten von einer Sozialversicherungspflicht zu befreien. „Eine solche Ausnahme ist notwendig zur Aufrechterhaltung des kassenärztlichen Notdienstes“, hieß es in der Begründung.

Und weiter argumentierten die Länder: „Bei einer Beibehaltung der Sozialversicherungspflicht müsste der Bereitschaftsdienst in die einzelnen Praxen der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte zurückverlagert werden, mit der Folge eingeschränkter Öffnungszeiten an dauerhaft wechselnden Orten.“ Zu befürchten seien „gravierende, negative Auswirkungen auf die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung insgesamt“. Genauso ist es jetzt in Rheinland-Pfalz eingetreten.

Die Ampelregierung im Bund vermied damals zwar, den Vorschlag des Bundesrats förmlich abzulehnen. Sie beteuerte, ihr sei „die Sicherstellung des vertragsärztlichen Notdienstes ein wichtiges Anliegen“. Die Regierung in Berlin hielt es damals für „nicht ohne Weiteres nachvollziehbar“, warum der Bereitschaftsdienst durch eine Beitragspflicht für abhängig beschäftigte Poolärzte gefährdet sein soll. Man betonte, es scheine problematisch, „die Beitragspflicht von Ärzten, deren Einkommen sich ganz wesentlich aus Beiträgen anderer Versicherter und von Arbeitgebern speist, als Berufshindernis zu werten“.

Nein im Bundesrat passt zur jetzigen Argumentation des Ministers

Im Mainzer Gesundheitsministerium teilte man diese Bedenken offenbar. Dort bestätigte man Recherchen unserer Zeitung, nach denen die rheinland-pfälzische Landesregierung dem Vorstoß im Bundesrat nicht zugestimmt hat.

Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch
Arne Dedert/picture alliance/dpa

Das passt auch zu Hochs Reaktion auf die Schließungsankündigung der KV: „Das Bundessozialgericht hat mit seiner Entscheidung der Scheinselbstständigkeit bei einigen Pool-Ärztinnen und Ärzten einen Riegel vorgeschoben. Die Kassenärztliche Vereinigung hat sicherzustellen, dass anfallende Sozialabgaben auch ordnungsgemäß gezahlt werden. Dies nun als Anlass zu nehmen, ihren Sicherstellungsauftrag bei der Bereitstellung des Bereitschaftsdienstes nicht erfüllen zu wollen, ist ein rein vorgeschobenes Argument.“ Außerdem behauptete Hoch ohne Nennung von Quellen, dass nur rund 10 Prozent der 430 im Bereitschaftsdienst tätigen Ärzte von der nun gerichtlich bestätigten Sozialversicherungspflicht erstmalig betroffen seien.

Angesichts der ablehnenden Haltung des Landes zur Befreiung der Ärzte von der Sozialversicherungspflicht fragt sich CDU-Gesundheitspolitiker Gensch, „welche eigenen Lösungsvorschläge Minister Hoch in der Zwischenzeit ausgearbeitet hat. Sowohl das Problem als auch die daraus resultierenden Folgen waren bekannt. Jetzt mit der Verbalkeule auf die KV einzuschlagen, ist billig und soll vom eigenen Versagen ablenken.“ Hochs Vorwürfe gegen die KV und die Ärzte in Rheinland-Pfalz nennt Gensch „unverschämt, unbegründet und fachlich falsch.“

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