Vor wenigen Wochen haben wir Volker Sorger aus Dienethal (Rhein-Lahn-Kreis) im Rahmen unserer Auswanderer-Serie ausführlich vorgestellt. Der Professor für Elektrotechnik und Computerwissenschaften der University of Florida ist vor 21 Jahren in die Vereinigten Staaten gezogen – seit rund vier Jahren besitzt er auch die US-Staatsbürgerschaft. Der 46-Jährige zählt mittlerweile zu den angesehensten Spezialisten, wenn es um Mikrochips, KI und Datentechnik geht. In diesem Kontext berät er die US-Regierung in technologischen und wirtschaftlichen Fragen. Unsere Zeitung sprach erneut mit Sorger – dieses Mal über seine Sicht auf die USA, über Donald Trump und Elon Musk sowie über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen.
Herr Sorger, können Sie bitte – bevor wir über den Zustand der USA sprechen – kurz erläutern, inwiefern Sie Berater der US-Regierung sind?
Volker Sorger: Sie müssen sich das so vorstellen: Einerseits arbeite ich mit Studenten und Doktoranden an aktuellen Forschungsprojekten. Gleichzeitig pflege ich enge Kontakte zu einigen bedeutenden Chip-Produzenten Amerikas. Vereinfacht könnte man sagen: Da ich den Stand der Forschung genau kenne und weiß, was auf dem Weltmarkt gefragt ist, interessiert sich die Regierung für meine Einschätzung zu Entwicklungen mit Potenzial.
Was bedeutet das konkret?
Ich stehe zum Beispiel im Austausch mit dem Verteidigungsministerium sowie dem Energieministerium. Dem Militär geht es primär darum, neue Technologien zu fördern. Fortschritte in der Entwicklung sollen immer gezielt zur Anwendung kommen, und dafür werden erhebliche Mittel bereitgestellt. Im Department of Energy dreht sich dagegen alles um das Thema Energieeffizienz. Hochleistungs-Datencenter, die für die Nutzung Künstlicher Intelligenz unverzichtbar sind, benötigen enorm viel Strom. Unser Ziel ist es, den Bedarf binnen der nächsten 20 Jahre um den Faktor 1000 zu reduzieren.
Warum arbeiten Sie mit Ihrem Know-how nicht in der freien Wirtschaft?
Als Professor genieße ich gewisse Freiheiten, die ich in einem Konzern nicht hätte. Ich muss nicht die Interessen einer Firma vorantreiben, sondern erfasse komplexe Wirtschaftsketten. Außerdem sehe ich mich als Technologie-Visionär und transatlantischer Brückenbauer. Im Idealfall will ich das Beste aus Deutschland mit dem Besten aus Amerika zusammenbringen.

Aus Dienethal ins Weiße Haus
Aus dem Rhein-Lahn-Kreis bis ins Weiße Haus: Volker Sorger ist Forscher, Pilot und Visionär. Der Halbleiter-Experte und Netzwerker tüftelt mit NASA und SpaceX an photonischen KI-Chips – und träumt vom Flug ins All.
Die zweite Amtszeit von Donald Trump dürfte kaum von einem Ausbau der transatlantischen Beziehungen geprägt sein. Dreht sich nicht alles um das Schlagwort „America First“?
Natürlich prangt dieses Motto über allem. Ich sehe aber vorläufig nicht, dass die Konsequenzen daraus Deutschland allzu stark berühren werden. Trump geht es dabei primär um Rohstoffe, um Energiegewinnung und auch um Aufrüstung. Problematisch wird es natürlich, sobald es um Einfuhrzölle geht. Dass sich speziell die Autoindustrie warm anziehen muss, ist bekannt. Andererseits darf Trump den Bogen auch nicht überspannen. Firmen wollen einen freien Markt, und wenn es zu viele Beschränkungen gibt, nutzt das niemandem.
Sie leben seit 20 Jahren in den USA und haben seit 2021 auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Wie sollte Deutschlands künftige Regierung Ihrer Meinung nach mit Donald Trump umgehen?
Trump wird von der Vision geleitet, Amerikas Weltmachtstellung auszubauen. Dabei läuft bei ihm bekanntlich alles über Deals. Und zwar über knallharte Deals. Sobald jemand Schwäche zeigt, wird Trump versuchen, diese auszunutzen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man im Umgang mit ihm genau wissen muss, was man zu bieten hat. Trump tickt wie ein gewiefter Schachspieler. Er denkt viele Züge voraus, darauf muss man vorbereitet sein. In gewisser Weise ist Trump aber auch berechenbar. Was ihn nicht interessiert, das lässt er links liegen. Wer Know-how einbringen kann, wird dagegen gute Deals mit ihm abschließen.
Seine provokante Art und seine oft drastischen Forderungen kommen bei vielen Deutschen gar nicht gut an. Viele Amerikaner scheinen ihn gerade dafür zu lieben…
Trump ist kein Talker, sondern ein Macher. Diese Mentalität lieben viele Amerikaner tatsächlich. Es ist ihnen lieber, mal etwas auszuprobieren, als etwas zigfach von allen Seiten zu beleuchten. Dinge tot zu diskutieren – das kommt hier definitiv nicht gut an. Wenn etwas nur zu 80 Prozent gut funktioniert, ist das nicht tragisch. Dann muss man eben nachsteuern. An dieser Stelle ist Deutschland zu perfektionistisch und zu langsam.
Sie sprachen eben davon, dass man Trump mit Stärke begegnen müsse. Welche Stärken hat Deutschland denn zu bieten?
Ich sehe Deutschland nach wie vor als Land mit großer Innovationskraft und mit vielen überragenden Ingenieuren. Aus einer gut entwickelten Forschungslandschaft resultieren immer wieder besondere technische Lösungen. Was leider oft fehlt, ist eine Venture-Capital-Kultur, um Technologien zeitnah an den Markt zu bringen. Genau da könnte Amerika ein guter Partner sein. Damit meine ich nicht, dass man gute Ideen aus den Händen gibt. Ich denke an wirtschaftliche Kooperationen, von denen am Ende beide Seiten profitieren. Hier in Florida bemühe ich mich gemeinsam mit Generalkonsul Christofer Burger um solche Verzahnungen. Unsere gelebten transatlantischen Beziehungen sind nicht so schlecht, wie die politische Tonlage vermuten ließe.

Können Sie mir ein konkretes Beispiel skizzieren?
Letztes Jahr habe ich eine Delegation aus Florida nach Deutschland geführt, an der unter anderem der Staatssekretär für Wirtschaft teilnahm. In meinem Spezialgebiet der Optik und der Hableiter-Photonik haben wir transatlantische Synergien gefunden. Deutsche Firmen wie JenOptik, FiconTEC, und Vanguard Automation haben Interesse, auf dem amerikanischen Markt zu wachsen.
Generell finde ich es richtig, den Regierungsapparat gründlich zu durchleuchten. Das wurde niemals angegangen, und so wurde die Bürokratie stetig größer. Eine Überprüfung des Status Quo war in gewisser Weise überfällig. Es fehlt mir allerdings an der nötigen Weitsicht. Aber auch das Tempo, mit dem Trump Dekrete unterzeichnet, ist atemberaubend. Mehr Gewissenhaftigkeit würde Trump bei vielen Entscheidungen sicher gut zu Gesicht stehen.
Letzte Frage: Können Sie sich vorstellen, eines Tages nach Deutschland zurückzukehren?
Ich schätze die freien Werte und den kulturellen Tiefgang Deutschlands sehr. Ich will Ihnen ein kleines Beispiel geben: Vor ein paar Jahren habe ich in Deutschland den Jagdschein gemacht. Es hat mir gefallen, mich der dreistufigen Jagdprüfung zu stellen und dafür zu lernen. In Amerika hätte ich mir in der Mittagspause im Supermarkt ein Gewehr gekauft, hätte anschließend für ein paar Dollar online eine Art Prüfung ausgefüllt und wäre abends bewaffnet im Wald verschwunden. Es gibt viele Bereiche, in denen mir Amerika zu einfach gestrickt ist. Auf der anderen Seite genieße ich das offene Wirtschaftssystem der USA gepaart mit der typischen Grundfreundlichkeit im Umgang. Dieses easy going entspannt das Leben ungemein. Doch zurück zu Ihrer Frage: Man soll ja niemals nie sagen, Pläne für eine dauerhafte Rückkehr haben meine Frau und ich aber nicht.