Traunstein/Cochem-Zell. Verräterische Spuren in Netz hinterließen verschiedene Personen, die im Verdacht stehen, mit dem Überfall am Abend des 21. August 2009 in Reit im Winkl auf einen 54-jährigen rumänischen Ingenieur zu schaffen zu haben. Auf der Anklagebank beim Landgericht Traunstein sitzen ein Zahnarzt aus Kaisersesch, ein Model-Agent aus Bruttig-Fankel und ein Rocker der Hells Angels aus dem Raum Koblenz. Der Geschädigte wurde geschlagen und mit Reizgas erheblich an den Augen verletzt.
Am 18. Verhandlungstag schilderte ein Fachmann des Bayerischen Landeskriminalamts München seine Untersuchungsergebnisse. Kern seiner Aussage: Zwischen den Angeklagten glühten im übertragenen Sinn zeitweise die Drähte. Hintergrund der Tat an dem rumänischen Geschäftsmann vor dem Hotel seiner Tochter in Reit im Winkl soll ein vor zehn Jahren abgeschlossenes und vor sieben Jahren rückgängig gemachtes Aktiengeschäft zwischen dem Geschädigten und dem Zahnarzt sein. Durch die Rückgabe der Aktien entgingen dem 61-Jährigen nach seiner Ansicht spätere Wertzuwächse in Millionenhöhe. Um an „sein“ Geld zu gelangen, soll er den Model-Agenten gedungen haben, der seinerseits Detektive zur vorherigen Beobachtung des Rumänen und Hells Angels-Leute „fürs Grobe“ angeheuert haben soll.
Stunden vor und nach der Attacke auf den 54-Jährigen gab es rege Kommunikation – mit Telefonaten, mit SMS und MMS. Möglich war der Nachweis durch moderne Technik. Die Landkarte ist nach Worten des LKA-Spezialisten aufgeteilt in Funkzellen, vorstellbar als wabenartiges Gebilde rund um die jeweiligen Sendemasten. Jede Funkzelle habe eine Bezeichnung. Das Einloggen eines Handys sei erkennbar. So sei zum Beispiel zu sehen, dass eines der besagten Mobiltelefone schon eine Woche vor dem Überfall in Tatortnähe eingeloggt war. Laut Anklage der Staatsanwälte waren am 14. August 2009 eine Detektivin und zwei Mitglieder der „Hells Angels“ in dem Alpendorf. Einzelne Personen hätten mehrere Handys benützt, erklärte der Zeuge. Die Telefone seien allen Angeklagten sowie den Detektiven zuzuordnen. Besonders an zwei Tagen habe „offensichtlich interessante Kommunikation“ stattgefunden – am 19. und am 21. August 2009. Das Fazit des Zeugen: „Offensichtlich erfolgte immer gegenseitiger Austausch der Informationen.“ Auf Fragen räumte der Zeuge ein, was aus den Telefonaten, SMS und MMS auf Empfängerseite geworden sei, wisse er nicht. Die sichergestellten Geräte auszuwerten, sei nicht seine Aufgabe gewesen.
Der Model-Agent erklärte, nach dem 19. August hätten ihn weder Anrufe noch SMS erreicht, sei er doch im Ausland gewesen mit seiner Freundin. Zum Thema „konspiratives Verhalten“ meinte er, mehrere Handys seien wegen des schlechten Empfangs in Reit in Winkl verwendet worden. Er selbst habe im Ausland mehrere Geräte und immer das Telefon mit dem günstigsten Tarif genutzt – wegen der extremen Kostenunterschiede.
Zu den Vorwürfen der Ankläger hat sich der mutmaßliche 61-jährige Drahtzieher noch nie persönlich geäußert. Der Model-Agent beteuerte, er habe für den Zahnarzt lediglich „Personenschützer“ engagiert. Der Rocker ließ über einen Verteidiger behaupten, er sei nach Reit im Winkl geschickt worden, „um bei einer geplanten Körperverletzung Schmiere zu stehen“. Er habe niemand körperlich angegriffen und über die Hintergründe nichts gewusst. (mkd)