In der großen Schublade verbergen sich acht kleinere. Zwei lassen sich so verschieben, dass eine Schublade zum Geheimfach wird, wie sie bei Schreibsekretären aus dieser Zeit erwartet werden. Und da sich im Schreibtischmodus die große Schublade nicht öffnen lässt, verbirgt sich an der Seite des Tisches eine weitere kleine Schublade mit Platz für das Schreibzeug und das Tintenfass. Einfach genial. „Goethe nannte die Verwandlungsmöbel Zauberpaläste, ließ nach ihrem Vorbild einen Sekretär für seine Muse Frau von Stein anfertigen und erwähnte sie auch in verschiedenen seiner Werke“, erzählt Bernd Willscheid, der das Museum schon seit 25 Jahren leitet und die Sammlungen akribisch pflegt. Als junger Mann besuchte Goethe 1774 die Schreinerei von Abraham Roentgen, mit dessen Möbeln er in der Frankfurter elterlichen Wohnung aufgewachsen war und die ihn ein Leben lang begeisterten.
Grüner Salon mit Familienporträts
Es ist ein Genuss, durch die Räume zu streifen. Da sind der Grüne Salon mit den Familienporträts und Möbeln von Abraham Roentgen, der Rote Salon mit Möbeln von David Roentgen und den Kinzig-Uhren, der Ysenburg-Salon und der Festsaal mit einem besonderen Schätzchen: der Apollo-Uhr von David Roentgen und Peter Kinzig aus dem Jahr 1789. Sie ist so kostbar und berühmt, dass sie 2012 nach New York an das Metropolitan Museum of Art ausgeliehen wurde. Auch momentan glänzt ihr Gehäuse durch Abwesenheit, weil es noch bis zum 25. September eines der Exponate in einer Ausstellung in der Dresdner Kunsthalle im Lipsiusbau ist.
Ihre zweite Reise trat die Standuhr allerdings ohne Uhr-, Schlag- und Musikwerk an, das die Museumsbesucher für eine kurze Zeit jetzt von ganz nah bestaunen können. Die Apollo-Uhr war eine der letzten Lieferung aus der Roentgen-Werkstatt nach St. Petersburg, wo sie im Palais der Grafen Schuwalow stand, bis sie 1928 auf einer Berliner Auktion für das Museum ersteigert wurde.
Zu den Roentgen-Kunden gehörten Katharina die Große, Ludwig XVI. und Friedrich Wilhelm II. Große Präzision und hohe Qualität waren das Markenzeichen von Vater und Sohn Roentgen und sicherten ihnen die Aufmerksamkeit in den europäischen Adels- und Königshäusern.
Ausstellung zu Raiffeisen
Neben einer kleinen ständigen Ausstellung zum Genossenschaftsgründer Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der auch eine Zeit lang Bürgermeister von Neuwied-Heddesdorf war, gibt es im Museum Ausstellungen zu wechselnden Themen. Die aktuelle Sonderausstellung „Exotischer Farbenglanz – Braunschweiger Perlentische und andere Corallenwaaren“ zeigt noch bis zum 6. November Exponate, die zwischen 1755 und 1772 in der Braunschweiger Manufaktur von Johann Michael van Selow entstanden. Die Tischplatten zeigen kunstvolle und farbenfrohe Mosaike aus auf Schnüren aufgezogenen Glasperlen. Motive sind Papageien, Kakadus, einheimische Vögel, chinesische Szenen, Garten- und Landschaftsansichten sowie geometrische Muster.
Das Museum am Raiffeisenplatz 1a liegt in der Nähe des Neuwieder Bahnhofs und hat dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr sowie am Wochenende und feiertags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Samstag ist der Eintritt frei, an allen anderen Tagen zahlen Erwachsene 3 Euro, Schüler und Studenten 2 Euro. Die nächsten öffentlichen Führungen durch die Sonderausstellung finden an den Sonntagen 25. September, 16. Oktober und 6. November jeweils ab 14.30 Uhr statt. Am Donnerstag, 22. September, referiert ab 18.30 Uhr Dr. Petra Krutisch vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zum Thema: „Ausgesprochen vielfarbig – Ein Perlmosaiktisch und seine Bezüge zu den Roentgen-Möbeln des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg“.
Nähere Informationen:
Romantischer Rhein Tourismus, „An der Königsbach“ 8, Koblenz, www.romantischer-rhein.de, www.roentgen-museum-neuwied.de, www.rlp-tourismus.de/romantischer-rhein