Blüten, Jahrmarkt, Genuss,Inspiration: Die Rheinland-Pfälzer und Rheinland-Pfälzerinnen ziehtes zu Zehntausenden raus, um zu feiern, zu essen, zu trinken, etwaszu erleben und sich zu amüsieren. Das Bedürfnis nach Leichtigkeit?Geselligkeit? Oder Hunger nach dem besonderen Erlebnis? Warum stürzensich die Menschen – ungeachtet aller Krisen und Kriege – ins Getümmelund nehmen dafür Wartezeiten, höhere Preise und Verkehrsstaus aufsich?
Was sie auf jeden Fall antreibt: „Die Erlebnisse während Corona waren für alle so eine extreme Erfahrung mit ungewissem Ausgang, dass ein Zurückkehren zum Vorherigen schwer vorstellbar war“, sagt Michèle Wessa, Resilienz-Forscherin am Leibniz-Institut in Mainz. Trotzdem sei dies in vielen Bereichen recht schnell passiert. „Unser Verhalten wird von Belohnungen bestimmt. Und die sind beim Feiern allgegenwärtig“, betont Wessa. „Die meisten Menschen haben die Bedenken aus der Pandemie recht schnell zur Seite geschoben, weil die positiven Verstärker beim Feiern überwiegen.“
Tanzen und Singen mit anderen bewirken ein starkes Gefühl der Verbundenheit und es wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das sich positiv auf Abwehrkräfte und Wohlbefinden auswirke und sogar Gedächtnisleistung und Konzentration verbessern könne, sagt die Professorin für Klinische Psychologie und Neuropsychologie. „Tanzen, Singen und Feiern kann ein echter Gesundheits- und Leistungsbooster sein.“
Raus an die Luft: Veranstaltungssaison beginnt
Mit dem Mainzer Marktfrühstück hat in der Landeshauptstadt die Feier-Saison bereits begonnen: Winzer schenken bis zum 15. Juni nun immer samstags von 9 bis 15 Uhr am Rande des Wochenmarkts an einem Weinstand vor dem Gutenbergmuseum aus – und zur Entzerrung an einem zweiten am Rhein. Weil der Andrang inzwischen so groß ist, bitten sie um die Einhaltung einer Reihe von Regeln, „damit die ursprüngliche Idee – sich auf dem Mainzer Wochenmarkt samstags mit regionalen Leckereien einzudecken und diese dort gemeinsam zu genießen, nicht verloren geht“, wie es auf der Internetseite der Stadt heißt. Übrigens: Der Weinstand auf dem Hauptmarkt in Trier hat ebenfalls bereits wieder geöffnet, sogar täglich.
Auch in der Pfalz heißt es schon wieder an vielen Wochenenden “zum Wohl„ – zum Mandelblütenfest in Gimmeldingen kamen Zehntausende (wir berichteten). Ein Blütenfest lockt am 20. und 21. April nun auch nach Freinsheim (Kreis Bad Dürkheim) – dort wird auch Wein ausgeschenkt.
Der Norden des Landes darf sich ebenfalls auf viele Gelegenheiten freien, draußen beisammen zu sein und zu genießen. Traditionell startet die Freiluftsaison rund um Ostern, beispielsweise mit dem beliebten Ostereierkibben an Ostersonntag im Moseldorf Winningen (Kreis Mayen-Koblenz). Beim Gartenmarkt in Neuwied (13./14. April) können sich Blumenfreunde vielfältige Anregungen holen. Bummeln kann man am Samstag, 13. April, auch über den städtischen Flohmarkt am Koblenzer Moselufer nahe dem Deutschen Eck – diesmal erstmals mit einem Flöhchenmarkt von und für Kinder am Wasserspielplatz.
Weingenuss steht hingegen beim Mittelrheinischen Weinfrühling im Bopparder Hamm am Sonntag, 28. April, im Mittelpunkt – Winzer und Gastronomen bauen ihre Stände inmitten der Weinberge auf, die Besucher schlendern und probieren den neuen Jahrgang. Riesling und Co. sind auch beim Blütenfest im Koblenzer Moselstadtteil Güls (26. April bis 1. Mai) prominent vertreten. Komplett anders wird das Weinerlebnis am 14. und 15. Juni bei der “Electronic Wine" in Koblenz inszeniert. Nahe dem Deutschen Eck legen DJs auf, und Winzer aus der Region bieten ihre Tropfen feil. Die Veranstaltung hat sich in kurzer Zeit zum Publikumsmagneten entwickelt. Der Vorverkauf läuft bereits.
Heilig-Rock-Tage: Den Glauben feiern, beten, singen
Mehrere Zehntausend Menschen werden auch in Trier zum Bistumsfest „Heilig-Rock-Tage“ erwartet. Bei dem Event, das an einen regionalen Katholikentag erinnert, stehen vom 12. bis 21. April Gottesdienste, Konzerte und Ausstellungen auf dem Programm. „Ja, wir haben den Eindruck, dass die Menschen sich gern (wieder) versammeln und miteinander austauschen, den Glauben feiern, beten, singen“, sagte die Sprecherin des Bistums Trier, Judith Rupp.
Ob es mehr Menschen seien als vor Corona, könne man nicht genau sagen. „Wir haben kein exaktes Zählsystem.“ Es sei aber so, „dass wieder mehr Menschen Veranstaltungen besuchen“, sagte sie. 2023 kamen zu den „Heilig-Rock-Tagen“ rund 20.000 Besucher. Das Fest des Bistums, das von Koblenz bis ins Saarland reicht, dreht sich um die im Trierer Dom aufbewahrte Reliquie des Heiligen Rocks als angebliches Gewand Christi.
Es gebe aber auch ein „Zu viel“ an Feiern, warnt Expertin Wessa. „Zum einen kann man durch das große Angebot – besonders in der Pfalz – in Freizeitstress geraten und das Gefühl haben, überall gern sein und teilhaben zu wollen.“ Dann fühle man sich getrieben und arbeite Feste quasi ab. Zudem könne man beim Feiern zu viele Ressourcen aufbrauchen – etwa durch Schlafmangel oder übermäßigen Alkoholkonsum. „Dabei geht es nicht um eine durchfeierte Nacht, sondern darum, dauerhaft mehr zu feiern, als sich zu erholen“, meint Wessa. Diese Balance sei wichtig, damit sich die positiven Effekte des Feierns voll entfalten könnten.