Kreistag und Stadtrat, Entscheidungsträger der Hauptgesellschafter des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein (GKM), müssen in der Tendenz noch zum Ende der Amtsperiode plötzlich entscheiden, ob sie im Grundsatz einem Sanierungsgutachten der Unternehmensberater von Roland Berger folgen wollen. Nur: Dazu müssten sie auch bereit sein, je zur Hälfte Bürgschaften in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro zu übernehmen und kurzfristig weitere Millionen Euro in den Klinikbetrieb zu stecken.
Vorgewarnt wurden Kreisausschuss und der Hauptausschuss des Stadtrats, deren Mitglieder die Fraktionen informieren können. Die bittere Nachricht müssen Landrat Alexander Saftig (CDU) und Oberbürgermeister David Langner (SPD) überbringen, die an der Spitze der Gesellschafterversammlung stehen. Der Kreisausschuss, der bereits tagte, soll angesichts der prognostizierten Summen die Luft angehalten haben, aber offenbar bereit sein, zuzustimmen. Folgen aber die kommunalen Parlamente?
Beteiligen sich Nachbarn doch?
Finale Entscheidungen treffen zwar erst die am 9. Juni neu gewählten Gremien. Aber Banken, so heißt es, erwarten jetzt eine wichtige Vorentscheidung bereits in der Entwurfsphase. Die betrifft aber nicht nur Menschen in Mayen-Koblenz und der Stadt Koblenz. Denn Sanierungskonzepte der Geschäftsführung wie von Berger sehen dem Vernehmen nach ungewöhnlich deckungsgleich rein betriebswirtschaftlich (und nicht versorgungspolitisch) nur noch die eine Sanierungslösung vor: sich von den Standorten in Boppard (Rhein-Hunsrück) und Nastätten (Rhein-Lahn) zu trennen.
Ob bis zu den Sondersitzungen ein Signal eintrifft, dass sich die Nachbarn am GKM in Zukunft (auch finanziell) beteiligen wollen, ist offen. Aber sie sind gewarnt. Denn vor allem aus dem Koblenzer Stadtrat sind Stimmen nicht zu überhören, dass die Bereitschaft, mit Koblenzer Steuergeld noch länger Krankenhäuser in Nachbarkreisen zu stützen, absolut gegen null tendiert.
Die Landkreise und die kreisfreien Städte erfüllen ihre Aufgabe als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung, indem sie Krankenhäuser errichten und unterhalten, soweit Krankenhäuser nicht von freigemeinnützigen, privaten oder anderen geeigneten Trägern errichtet und unterhalten werden.
Das schreibt Paragraf 2 des Landeskrankenhausgesetzes zur Gewährleistung der Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern vor.
Zudem dürfte den Kommunalpolitikern das Votum für ihre Krankenhäuser in Kreis und Stadt schon Last genug sein. Schließlich ist eine enorme Bürgschaft von 50 Millionen Euro gefordert. Wie aus Gesellschafterkreisen zu hören ist, sei diese Sicherheit aber für Verhandlungen mit Banken wichtig, um etwa Weichen für die lange geplante Einstandortlösung für die Krankenhäuser Evangelisches Stift St. Martin und Kemperhof mit einem Neubau in Koblenz sowie eine Generalsanierung des Krankenhauses in Mayen zu stellen. Das Land hat für den Neubau „eine höchstmögliche Millionenförderung“ in Aussicht gestellt, um eine Maximalversorgung für die ganze Region sicherzustellen, wie Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) unserer Zeitung sagt.
Zusätzlich zur Bürgschaft werden wohl noch liquide Mittel für den laufenden Betrieb notwendig – möglicherweise in einer bereits im März diskutierten Höhe von 10 Millionen Euro. Über die genaue Summe herrscht noch Schweigen. Aufbringen müssten sie wieder je zur Hälfte Kreis und Stadt.
Die Landräte Volker Boch (parteilos, Rhein-Hunsrück) und Jörg Denninghoff (SPD, Rhein-Lahn) haben zuletzt mehrfach öffentlich und ungeduldig betriebswirtschaftliche Zahlen angemahnt, um einen Einstieg zu prüfen. Aber an den tiefen Einblick in die Finanzlage von einzelnen Häusern und Abteilungen sind auf dem Gesundheitsmarkt auch Bedingungen geknüpft. Sensible Daten über Betriebsinterna werden nicht einfach auf einen runden Tisch gelegt.
Einblick nur unter Bedingungen
Landrat Saftig hat zuletzt noch einmal im April erklärt: Die Kreise müssten schon zu einem „Letter of Intent“ bereit sein – also einer unverbindlichen Absichtserklärung, in Verhandlungen einzutreten. Zudem müssten sie eine Verschwiegenheitsverpflichtung abgeben und einen Experten mit berufsbedingter Verschwiegenheit benennen, dem dann Zugang zu einem speziellen Datenraum gewährt wird, heißt es aus Gesellschafterkreisen.
Zu denen gehören derzeit vor allem der Kreis Mayen-Koblenz mit dem Vorsitzenden Saftig und die Stadt Koblenz mit Oberbürgermeister Langner als Vize. Hinzu kommen (noch) vier Stiftungen in Koblenz, Boppard und Nastätten, die zwar auf ihr Stimmrecht pochen, aber kein rettendes Geld gewährten. Die Diakoniegemeinschaft Paulinenstift (Nastätten) hat zudem pünktlich mit der internen Vorlage des Berger-Gutachtens die Mitgliedschaft gekündigt.
Da die Trennung womöglich erst nach fünf Jahren greift, will sie, so ihr Vertreter Kristian Brinkmann gegenüber unserer Zeitung, weiter an Gesellschafterversammlungen teilnehmen. „Wir sind an entsprechenden Verhandlungen beteiligt“, auch wenn man wegen der geringen Beteiligung am GKM nur einen marginalen Einfluss habe. „Wir werden jedenfalls jedwedem Konzept, welches die Schließung des Krankenhauses in Nastätten zum Inhalt hat, widersprechen“, lautet knapp die erwartbare Ansage. Gleichzeitig ist in Koblenz zu hören, dass die Stiftungen in Boppard konstruktiv mitarbeiten und Vorschläge einbringen.
Was sagt das Ministerium zu Nastätten?
Brinkmann sieht aber kühl Mayen-Koblenz und die Stadt Koblenz als kommunale Mehrheitsgesellschafter „in der Verantwortung, die Versorgung sicherzustellen“. Dabei geht er davon aus, „dass eine Herauslösung des Krankenhauses in Nastätten nur mit Zustimmung des Ministeriums möglich sein wird“. Nur: Nach den bisherigen Verlautbarungen des Gesundheitsministers, „was die Bedarfsnotwendigkeit des Krankenhauses in Nastätten angeht, ist dies jedoch nicht sehr wahrscheinlich“, stellt er auch ernüchtert fest. Aber er fügt hinzu: „Wer am Ende des Tages den Sicherstellungsauftrag erhält, liegt allein in der Entscheidung des Ministeriums.“
Trotz des aktuellen Versorgungsauftrags des GKM für alle Häuser bedeutet dies „nicht automatisch, dass die Standorte unverändert fortgeführt werden müssen“, erklärt Hoch unserer Zeitung. Wesentlich sei aber, dass mit einer zukunftsgerechten Entwicklung grundsätzlich überall eine medizinische Versorgung bestehen bleibe. Dies betreffe vor allem „die Geburtshilfe in Mayen sowie eine eine medizinische Grundversorgung in Nastätten“. Auch Boppard brauche wegen seiner Lage eine funktionierende Grundversorgung. Hoch ist Mayen-Koblenz und der Stadt dankbar, dass sie zurzeit die finanziellen Herausforderungen allein stemmen. Für die Zukunft erwarte er von der kommunalen Familie vor Ort und den übrigen Trägern, „eine konstruktive tragfähige Lösung unter Einbindung aller für die stationäre medizinische Versorgung beteiligten Landkreise sowie die Stadt Koblenz zu finden“. Damit sieht er in Nastätten auch den Rhein-Lahn-Kreis gefordert.
Rhein-Lahn-Kreis steht unter Druck
Der geriete mit einem Aus für Nastätten nach Krankenhausschließungen in Bad Ems und Lahnstein in eine prekäre Lage. Deshalb hat die oppositionelle CDU den Landrat zuletzt immer wieder zum Verhandeln mit dem GKM gedrängt. Das hatte über Jahre gehofft, den Krankenhauskonzern Sana Kliniken AG als starken Partner an der Seite zu gewinnen. Aber die Übernahmeverhandlungen sind zu Jahresbeginn geplatzt – vordergründig an der Garantie für Betriebsrenten der gut 4000 Mitarbeiter.