Politikexperte im Gespräch
So stark ist Rheinland-Pfalz im neuen Kabinett
Diese Drei zieht es aus Rheinland-Pfalz nach Berlin: Bildungsminister Stefanie Hubig (SPD) soll neue Justizministerin werden. Patrick Schnieder übernimmt das Verkehrsministerium, Verena Hubertz wird Bauministerin.
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Mit gleich drei Ministerposten ist Rheinland-Pfalz in der neuen Bundesregierung stark vertreten. Wie die neue Achse Berlin – Rheinland-Pfalz einzuordnen ist, erklärt Politikwissenschaftler Uwe Jun im Gespräch.

Zwei Ministerinnen, ein Minister: Im Kabinett der neuen Bundesregierung unter dem künftigen Kanzler Friedrich Merz sind gleich drei politische Akteure aus Rheinland-Pfalz vorgesehen: Stefanie Hubig und Verena Hubertz (beide SPD) sowie Patrick Schnieder (CDU) zieht es nach Berlin, um dort die Ministerien Justiz (Hubig), Bau (Hubertz) und Verkehr (Schnieder) zu übernehmen. Somit sind 3 von 17 Kabinettsposten mit Köpfen aus Rheinland-Pfalz besetzt, unser Bundesland ist ungewöhnlich stark in der Bundesregierung vertreten. Der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier sieht darin „ein Zeichen der Wertschätzung in Berlin gegenüber den Landesverbänden von CDU und SPD“, sagt er unserer Zeitung.

Eine Bastion und enge Bande

Denn: Rheinland-Pfalz wird laut Jun innerhalb der SPD als „Bastion in der Wählergunst“ betrachtet. Seit mehr als 30 Jahren führt die Partei hierzulande die Landesregierung. Ähnlich stark aus Sicht der Genossen sei ansonsten nur Niedersachsen.

Was die CDU angeht: Der Landesverband sei ebenfalls in Berlin geschätzt – und es gibt fortan besonders kurze Drähte zwischen Berlin und Rheinland-Pfalz, von der sich Friedrich Merz für seine Union Vorteile versprechen könnte, erläutert Jun: Wenn Patrick Schnieder, bislang Bundestagsabgeordneter und parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, als Bundesverkehrsminister tätig ist und sein Bruder Gordon in Rheinland-Pfalz als Vorsitzender die Geschicke der Landes-CDU lenkt, dürften diese Bande der Union zugutekommen. „Zudem wird dem Landesverband mit der Entscheidung für einen Rheinland-Pfälzer im Kabinett der Rücken gestärkt im Hinblick auf die Landtagswahl 2026“, erklärt Jun. In diese geht Gordon Schnieder als Spitzenkandidat. Was aber ist darüber hinaus von der neuen starken Achse Berlin – Rheinland-Pfalz zu erwarten?

Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun
Harald Tittel. dpa

Mit Blick auf das künftige politische Handeln insbesondere von Bauministerin Hubertz und von Verkehrsminister Schnieder geht Jun davon aus, dass beide in ihrer neuen Tätigkeit in Berlin die Belange von Rheinland-Pfalz und insbesondere die ihrer jeweiligen Wahlkreise nicht vergessen. Das Gegenteil dürfte der Fall sein, meint Jun: „Selbstverständlich, ohne diese zu bevorzugen“. Die mutmaßliche Motivation der neuen Bundesministerin und des Bundesministers: viele Wählerstimmen in der Heimat.

Hubertz sitzt als SPD-Abgeordnete für die Stadt Trier und den Kreis Trier-Saarburg im Bundestag, seit 2021 ist sie zudem stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD: „Ihr wird daran gelegen sein, in ihrem Wahlkreis bei der nächsten Wahl wieder das Direktmandat zu gewinnen“, erklärt der Trierer Politikwissenschaftler. Bei der Bundestagswahl im Februar hatte die SPD-Politikerin sich einem CDU-Kandidaten geschlagen geben müssen. 2021 hatte sie das Direktmandat noch gewinnen können. Patrick Schnieder wiederum wird sein Direktmandat im Wahlkreis Bitburg sicher verteidigen wollen, erklärt Jun. Und für eine hohe Wählergunst bezeichnet Jun eine enge Bindung in die Heimat nun einmal als unerlässlich.

Mit Blick auf den ländlichen Raum

Inhaltlich seien beide Ministerien mit dem Schwerpunkt Bauen beziehungsweise Verkehr für Rheinland-Pfalz wie auch Trier und die Eifel sehr relevant. Stichwort: A1-Lückenschluss, um ein konkretes Beispiel zu nennen. „Generell“, erklärt Uwe Jun, „ist es gut, wenn solche wichtigen Themen wie Wohnungsbau angesichts knappen Wohnraums oder Mobilität im ländlichen Raum nicht nur von Berlin aus gedacht werden, sondern von Menschen, die wissen, worauf es in ländlichen Regionen ankommt“.

Überrascht haben den Trierer Professor die verkündeten Personalien kaum, erklärt er. Insbesondere mit den Namen Hubertz und Hubig hatte er gerechnet. Jun, der zur SPD forscht und regelmäßig publiziert, weiß um „enge politische Drähte“ zwischen Verena Hubertz und SPD-Chef Lars Klingbeil. Der künftige Vize-Kanzler und Finanzminister hält demnach große Stücke auf Hubertz, die zügig innerhalb der Partei aufgestiegen ist.

Hubig als Gegenpol zu Dobrindt

Was die künftige Bundesjustizministerin Stefanie Hubig, bislang Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz, angeht, sagt Jun, dass auch ihr Name sich bereits im Vorfeld abzeichnete. Denn: Innerhalb der SPD ist die Schar derer, die die notwendige „weitgehende politische und exekutive Erfahrung für das Justizministerium aufweisen“, überschaubar. Die Juristin Hubig allerdings habe als Staatssekretärin im Bundesjustizministerium und als Bildungsministerin viel Erfahrung gesammelt. Mit ihr wolle die SPD zudem ein starkes Gegenwicht zum Innenministerium setzen, geführt wird es künftig von Alexander Dobrindt (CSU). „Das Justizressort gilt als eine Art Spiegel zum Innenministerium“, erklärt Jun.

Mit Blick auf die Achse Berlin – Rheinland-Pfalz erinnert der Politikwissenschaftler übrigens noch an einen weiteren Namen: Julia Klöckner (CDU). Die gebürtige Bad Kreuznacherin ist bekanntlich seit März Bundestagspräsidentin. Ein Kopf mehr aus Rheinland-Pfalz in Berlin.

Neue Bildungsministerin hat Wurzeln in Neuwied 

Eine weitere Bundesministerin hat zumindest Wurzeln in Rheinland-Pfalz: die künftige Bildungs- und Familienministerin Karin Prien (CDU). Sie stammt gebürtig aus den Niederlanden, wuchs aber in Neuwied auf und besuchte das dortige Rhein-Wied-Gymnasium. Nach dem Abitur zog es Karin Kraus, wie die Politikerin vor ihrer Heirat hieß, nach Bonn, Hannover, Leipzig und Hamburg. Seit 2017 ist sie Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und stellvertretende CDU-Landeschefin. Prien ist zudem seit 2022 stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU. Prien hat nach wie vor enge Kontakte nach Neuwied, ihr Vater lebt in der Deichstadt. dpa, ame

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