Rheinland-Pfalz
Siebenstelliger Sozialversicherungsbetrug in Pflegebranche: Bewährung für 54-Jährige
Justitia
Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild
Sonja Wurtscheid. Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild

Einer ehemaligen Leiterin eines Pflegedienstes im Raum Idar-Oberstein ist von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt worden, zwischen Dezember 2016 und Dezember 2018 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 1.315.000 Euro nicht abgeführt zu haben. Jetzt ist sie am Koblenzer Landgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden - sie muss also nicht ins Gefängnis.

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Ein Prozess um siebenstelligen Sozialversicherungsbetrug in der Pflegebranche ist am Koblenzer Landgericht durch ein Urteil beendet worden. Die 54-jährige Angeklagte ist aus Sicht der 15. Strafkammer schuldig des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 95 tatmehrheitlichen Fällen. Sie ist zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 11 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Frau hat ferner die Kosten des Verfahrens und ihre eigenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Es ging um rund 1.315.000 Euro

Bei der Angeklagten handelt es sich um eine Deutsch-Polin und ehemalige Leiterin eines Pflegedienstes, der Tatort war der Raum Idar-Oberstein. Der 54-Jährigen war von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt worden, zwischen Dezember 2016 und Dezember 2018 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 1.315.000 Euro nicht abgeführt zu haben.

Die Angeklagte soll Betreuungsdienstleistungen ausländischer Pflegekräfte für Privathaushalte angeboten, dafür Pflegepersonal insbesondere aus Polen angeworben und dieses in Privathaushalten eingesetzt haben – allerdings ohne die Personen pflichtgemäß zur Sozialversicherung anzumelden.

„Deal“ war zustande gekommen

Schon beim Prozessauftakt war es in Koblenz zu einer Verständigung – auch „Deal“ genannt – gekommen. Die 54-Jährige hatte die Taten vollumfänglich eingeräumt, wofür ihr ein noch bewährungsfähiger Strafrahmen zwischen einem Jahr und zehn Monaten sowie zwei Jahren in Aussicht gestellt worden war. Am Ende wurde es dann eine Bewährungsstrafe von 1 Jahr und 11 Monaten – ins Gefängnis muss die Frau also nicht.

Aufwärts 1 Million Euro eigentlich keine Bewährung mehr

Richter Gerald Prinz hatte zwar erläutert, dass bei Summen aufwärts 1 Million Euro eigentlich keine Bewährungsstrafen mehr verhängt werden könnten. Es gebe in diesem speziellen Fall indes einige Umstände, die für die 54-Jährige sprächen und eine Ausnahme möglich machten.

Es wurde erstens dargelegt, dass die Frau das durch ihr Vorgehen „eingesparte“ Geld in die Verbesserung ihres Pflegedienstes investiert hatte, anstatt es – wie man es aus ähnlichen Fällen kenne – für Luxus zu verprassen. Zweitens seien zumindest an polnische Behörden Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden, und drittens sei die Angeklagte nicht vorbestraft.

Wettbewerbsvorteil verschafft?

Der Verteidiger der 54-Jährigen, Rechtsanwalt Markus Herzog, hatte während des Prozesses erklärt, dass es seiner Mandantin damals einzig darum gegangen sei, die Pflegedienste möglichst günstig für Kunden anbieten zu können, um sich so einen Wettbewerbsvorteil in der Branche zu verschaffen.

Fakt ist, dass die Kunden des Pflegedienstes eine beträchtlich höhere Summe für die Dienste hätten zahlen müssen, wenn die Angeklagte damals die rechtlich festgelegte Verbeitragung ordnungsgemäß vorgenommen hätte. Gegen das nun in Koblenz gesprochene Urteil könnte theoretisch noch das Rechtsmittel der Revision eingelegt werden.

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