Ist Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) sträflich das Temperament durchgegangen, als er das Scheitern von Unionschef Friedrich Merz mit seinem Migrationsgesetz im Bundestag kommentierte? Hat der frühere Fraktionschef und Generalsekretär der SPD als Ministerpräsident zu parteiisch reagiert? Die empörte CDU in Rheinland-Pfalz zog vor den Verfassungsgerichtshof (VGH) – und wollte per Eilantrag dafür sorgen, dass umstrittene Inhalte gelöscht werden.
Einer Entscheidung des Koblenzer Gerichts in der Eilsache kam die Staatskanzlei nun zuvor: Schweitzer wolle eine Grundsatzentscheidung in der heiklen Frage und hat seine Äußerungen, die sich längst verbreitet haben, bis dahin erst einmal aus dem Netz genommen. Damit hat sich der Eilantrag für den VGH erledigt. Wann er in der Hauptsache entscheidet, ist offen.
Die Landesregierung wolle Klarheit und keine kursorische, also oberflächliche, Prüfung per Eilverfahren, teilte die Staatskanzlei am Mittwochnachmittag mit. „Um eine detaillierte rechtliche Prüfung und Entscheidung des Gerichts in der Sache im Hauptsacheverfahren zu erhalten, hat die Landesregierung daher dem Verfassungsgerichtshof heute mitgeteilt, dass die von der CDU-Landtagsfraktion rechtlich infrage gestellten Äußerungen aus dem Netz genommen sind“, hieß es aus der Regierungszentrale.
„Der Druck auf Ministerpräsident Schweitzer wurde zu groß.“
Gordon Schnieder
Die CDU wirft Schweitzer vor, gegen sein Neutralitätsgebot als Ministerpräsident verstoßen zu haben. „Der Druck auf Ministerpräsident Schweitzer wurde zu groß – nur wenige Stunden nach Einreichung unserer Klage hat die Staatskanzlei die parteiischen Äußerungen des Ministerpräsidenten aus dem Internet genommen. Damit haben wir unser erstes Ziel erreicht“, sagte CDU-Chef Gordon Schnieder, der ankündigte, dass die Klage in der Hauptsache weiterlaufe: „Diese war und ist richtig. Der Ministerpräsident hat seine Neutralitätspflicht verletzt, das wird der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz nun klären.“
Von „Machtmissbrauch“ hatte der Generalsekretär der Landes-CDU, Johannes Steiniger, gesprochen: „Man bekommt den Ministerpräsidenten aus dem SPD-Generalsekretär, aber nicht den SPD-Generalsekretär aus dem Ministerpräsidenten. Anders ist es nicht zu erklären, wie der SPD-Ministerpräsident hier mit dem Geld der Steuerzahler Wahlkampf aus der Staatskanzlei betreibt.“

Der Verfassungsgerichtshof in Koblenz hatte aufs Tempo gedrückt: Nachdem der Schriftsatz der CDU am frühen Nachmittag des Dienstags eingegangen war, hatte er die Staatskanzlei sofort aufgefordert, bis 14 Uhr am Mittwoch eine Stellungnahme abzugeben – und eine schnelle Entscheidung angekündigt. Ein Gerichtssprecher erklärte auf Anfrage unserer Zeitung diesen Zeitplan – wohlgemerkt bevor die Staatskanzlei reagierte.
Konkret ging es der CDU um Schweitzers Äußerungen rund um die Migrations- und Brandmauerdebatte in den vergangenen Wochen. Schweitzer hatte sich dazu über den Newsletter der Landesregierung, die Homepage der Staatskanzlei sowie in den sozialen Medien geäußert.
Auf Facebook etwa schrieb Schweitzer, dass er erleichtert sei, dass die Mehrheit im Bundestag ein Gesetz „mit den Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD“ verhindert habe. „Es gab viele in den Reihen von Union und FDP, die den Kurs von Friedrich Merz nicht mitgehen wollen. Sie haben vielleicht auf die vielen Menschen gehört, die sich um unsere Demokratie sorgen“, so Schweitzer weiter. Auf Instagram sowie im Newsletter der Staatskanzlei äußerte sich der Regierungschef ähnlich beziehungsweise wortgleich.
Landesregierung argumentiert mit Merkel-Äußerung
In der Klageschrift warf die CDU Schweitzer vor, durch die Nennung der Parteien Union und FDP sowie des Unionskanzlerkandidaten Merz Partei ergriffen zu haben. Inhaltlich werde ihnen dadurch abgesprochen, die Menschen ernst zu nehmen, die sich um die Demokratie sorgten. Die CDU wollte erreichen, dass das Gericht die Verfassungswidrigkeit von Schweitzers Äußerungen feststellt.
Ministerpräsident Alexander Schweitzer wolle nun aber nicht zulassen, dass der Fokus der Debatte vom eigentlichen Kern verschoben wird, hieß es aus der Staatskanzlei: „In der Gesellschaft hat diese Frage zu einer großen Verunsicherung und Polarisierung geführt. Abertausende demonstrieren seit dem 29. Januar auf Deutschlands Straßen aus Sorge um unsere Demokratie. Unterstützt werden sie dabei von wichtigen Stimmen aus Gewerkschaften, Kirche, Kultur.“
Erwähnt wird explizit die frühere Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Und: „Es ist die Verpflichtung eines Ministerpräsidenten, sich für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzusetzen und für sie einzustehen. Darum geht es bei der öffentlich erbittert geführten Diskussion über den Umgang mit Rechtsextremismus und Rechtspopulismus.“
Die Landesregierung kontert auch mit Kritik an die Adresse der CDU. Diese sei mit ihrer Klage „erneut nicht dem anerkannten Grundsatz der Konfrontationsobliegenheit gefolgt“. Wie bereits 2022 habe die CDU-Landtagsfraktion nicht zunächst den unmittelbaren Kontakt gesucht.

Es ist bereits das zweite Mal in kurzer Zeit, dass eine Oppositionspartei in Rheinland-Pfalz gegen den Regierungschef wegen der Verletzung des Neutralitätsgebots klagt. Vor einem Jahr hatte die AfD die damalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vor Gericht bringen wollen.
Damals waren Tausende Menschen in Deutschland gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gegangen. Dreyer sprach auf einer dieser Demos in Mainz. Wenig später veröffentlichte die Staatskanzlei auf ihrer Homepage unter anderem folgenden Satz: „Die aktuell öffentlich gewordenen Vertreibungspläne seien ein erschreckender Höhepunkt des rechtsextremen Gedankenguts, das auch führende Köpfe der AfD verbreiteten.“
Die AfD sah darin eine Verletzung der parteipolitischen Neutralität der Regierungschefin. Die Klage soll am 21. März in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof verhandelt werden.

CDU klagt gegen Schweitzer – Entscheidung noch heute?
Die CDU-Fraktion hat gegen Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) Klage eingereicht. Wie die Christdemokraten dies begründen. Und wie der Verfassungsgerichtshof vorgehen will.