Skurriler Wettbewerb
Schützen gehen am Köppel auf Westerwaldpatrouille
Die Schützengesellschaft Dernbach lädt für Samstag zum Marsch auf den Köppel ein. Anschließend wird mit der P8 geschossen, die dann fachgerecht zerlegt und wieder zusammengesetzt wird.
Sascha Ditscher/Archiv

Marschieren und schießen. Das kennt man eigentlich nur von der Bundeswehr. Für Samstag laden aber auch die Dernbacher Schützen zu einer Art Sommer-Biathlon auf den Köppel bei Montabaur ein. Wir haben mal im Verein nachgehört, worum es dabei geht.

Lesezeit 4 Minuten

Wer am Samstagmorgen auf dem Köppel zwischen Montabaur und Ransbach-Baumbach spazieren geht, dürfte sich über eine illustre Truppe wundern, die sich mit Karte und Kompass bewaffnet durch Wald und Lichtungen kämpft. Auf den ersten Blick könnte durchaus der Eindruck entstehen, dass hier eine paramilitärische Einheit auf Manöver geht. Und so ganz daneben würden Beobachter mit dieser Einschätzung auch nicht liegen. Denn die Dernbacher Schützengesellschaft ist am Wochenende auf „Westerwaldpatrouille“.

Zumindest für Ungediente klingt das erst mal reichlich skurril. Was im Einladungsschreiben des Westerwälder Vereins steht, kommt für Außenstehende auch sonst ziemlich schräg daher. „Ausgabe der Marschbefehle“, heißt es da etwa zu Beginn der Tagesordnung. Der Zeitplan ist eng getaktet. Ab 10 Uhr geht’s steil bergauf zum Köppel, der mit 540 Metern zweithöchsten Erhebung der Montabaurer Höhe. Aber nicht einfach nur so: Auf dem Weg müssen vier Checkpoints angelaufen werden. Im Marschtempo, versteht sich. Bummeln wird in der Wertung bestraft.

Die Dernbacher Schützengesellschaft ist 1968 mitten im Kalten Krieg gegründet worden. Der Verein hat mittlerweile einige Deutsche Meister hevorgebracht.
Dirk Eberz

Das kennen viele Reservisten noch mehr oder weniger leidvoll von der Bundeswehr. Gut also, dass sich die Teilnehmer, die sich nicht verlaufen haben, anschließend am „Biwak-Platz Köppelhütte“ ausgiebig stärken können. Serviervorschlag der Schützengesellschaft sind Bratkartoffeln und Aschenbraten als „Marschverpflegung.“ Und nach dem Essen fassen geht es gleich militärisch zackig am Dernbacher Schützenhaus weiter – „sofort und ohne Pause“. Jetzt wird geschossen.

Und zwar nach NSAK, wie das „Neue Schießausbildungskonzept der Bundeswehr“ im Behörden-Stakkato der Truppe heißt. Die P8, die Standard-Pistole der deutschen Armee aus dem Hause Heckler & Koch, wird nach fünf Schuss in 20 Sekunden aus zehn Metern auf die Scheibe gleich noch fachgerecht zerlegt und dann wieder unter Zeitdruck zusammengesetzt. Auch das dürfte vielen Veteranen bekannt vorkommen. Eine schweißtreibende Angelegenheit.

Feuer frei für die Westerwaldpatrouille: Am Samstag wird nach dem Marsch mit der Pistole auf zehn Meter geschossen.
Dirk Eberz

Auf den kräftezehrenden militärischen Teil folgt politische Bildung. Ältere Soldaten kennen das noch als „Aktuelle Info“. Karl Heinz Gimmler, Oberstleutlant der Reserve, referiert über die „Nukleare Rüstung der EU und europäischer Staaten am Beispiel Deutschlands“, bevor die Westerwaldpatrouille dann nach Siegerehrung und einem Bundeswehr-Quiz zur Sicherheitspolitik „bei feldmäßiger Gulaschsuppe und Brot“ gemütlich ausklingt.

Bleibt die Frage, wer sich so was eigentlich ausdenkt? Das wollten wir vom Vorsitzenden der Dernbacher Schützengesellschaft wissen. Einige Leser befürchten nämlich bereits den Aufmarsch einer Bürgerwehr auf den Westerwälder Höhen. Oder üben hier Prepper den Ernstfall? Da muss Michael Schmidt laut lachen. „Nein“, sagt der Schützenchef. „Um Gottes Willen!“ Bei dem Wettbewerb handele es sich eher um eine Art Biathlon. Marschieren und schießen.

Im Dernbacher Schützenhaus wird mit Kurz- und Langwaffe, Flinte, Großkaliber, Kleinkaliber, Pressluft und Laser geschossen.
Dirk Eberz

Der militärische Charakter kommt allerdings nicht von ungefähr. „Ehemalige Soldaten und Reservisten sind eine unserer vier Säulen im Schützenverein“, erklärt Schmidt. Neben Jägern, Polizisten und Mitarbeitern von Sicherheitsdiensten. Und die können sich bei der Westerwaldpatrouille so richtig austoben. Dass es da schnell mal zu Missverständnissen kommt, kann Schmidt durchaus verstehen. „Es ist immer schwer, das zu verstehen, wenn man nicht aus dem Milieu kommt“, räumt er ein. Das alte Klischee von „stramm rechts“ weist er aber ganz entschieden zurück. Im Gegenteil: „Wir sind offen für alle.“

Das gilt übrigens auch für die Westerwaldpatrouille. Mitmarschieren kann im Prinzip fast jeder. „Da in Gruppen marschiert wird, können auch nicht militärisch geschulte Mitglieder problemlos teilnehmen“, heißt es auf dem Anmeldeformular. Der Veranstalter behält sich lediglich vor, „Personen bei Zweifel der persönlichen und körperlichen Eignung von dem Wettkampf auszuschließen“.

Die Westerwaldpatrouille führt vom Schützenhaus auf 540 Meter zum Köppel. Dort können sich die Teilnehmer mit Aschenbraten stärken.
Sascha Ditscher/Archiv

Wie findet man solche Wettkämpfe von Schützenvereinen denn beim Landeskommando der Bundeswehr in Mainz, der Reservistenorganisation in Rheinland-Pfalz? Die Parallelen zum Militär sind schließlich offensichtlich. Ein gewisses Geschmäckle habe die Westerwaldpatrouille schon, erklärt Oberstleutnant Wilfried Luchtenberg auf Anfrage unserer Zeitung. „Strafbar ist das allerdings nicht“, betont der Leiter Informationsarbeit. Die Bundeswehr habe auch keine Aktien in dem Wettbewerb, der einer Bundeswehr- oder Reservistenübung gleicht.

Grundsätzlich könne jeder Waffenscheinträger die P8 legal erwerben. Und theoretisch könnten die Teilnehmer sogar in Flecktarn auf Patrouille gehen. Mit einer Einschränkung: „Sie dürfen keine Hoheits- und Rangabzeichen tragen.“ Denn erst die machen aus einer schnöden Flecktarn-Kleidung eine Uniform. Ähnliches gelte übrigens auch für den Referenten. Als Offizier der Reserve dürfe er bei seinem Vortrag keine Uniform tragen. Dafür benötige er eine Trageerlaubnis. Wie gut, dass in Deutschland alles geregelt ist. Ansonsten heißt es aber auch aus Mainz: Feuer frei!

Schützenverein wurde im Kalten Krieg gegründet

Die Dernbacher Schützengesellschaft gibt es seit 1968. Die Zeit des Kalten Krieges habe die Tradition des Vereins geprägt, heißt es auf der Internetseite des Westerwälder Vereins. „Wir sind kein historischer Schützenverein mit Wurzeln in den Befreiungskriegen gegen Napoleon, sondern wurden von schießsportbegeisterten Bürgern aus Dernbach als Sportverein 1968 gegründet.“ Die Schützen wollen dabei ganz bewusst nicht in die Schublade „trinkfest, Uniform, Aufmarsch, drei Tage Schützenfest“ gesteckt werden. Die Sportverein-Tradition werde weiter gepflegt. Geschossen wird in Dernbach mit Kurz- und Langwaffe, Flinte, Großkaliber, Kleinkaliber, Pressluft und Laser. Dabei haben die Westerwälder bereits Erfolge vorzuweisen. In den 56 Jahren seines Bestehens habe der Verein viele „Deutsche Meister“ hervorgebracht.

Top-News aus der Region

Weitere regionale Nachrichten