Die unmittelbaren Folgen halten sich allerdings in einem begrenzten Rahmen, da das Geschäft mit beiden Ländern gemessen an der weltweiten Tätigkeit der drei großen Unternehmen nur eine kleine Rolle spielt. Ein Überblick auf die Lage in den drei Unternehmen:
BASF: Der weltgrößte Chemiekonzern kann auf eine seit mehr als 145 Jahren bestehende Geschäftsbeziehung mit Russland zurückblicken. Derzeit sind nach Konzernangaben – einschließlich Leihpersonal – rund 700 Mitarbeitende in dem Land tätig. BASF produziert an zwölf Standorten für die Bereiche Landwirtschaft, Gesundheit und Pflege, Automobil- und Bauwirtschaft und Schwerindustrie. Eine große Rolle spielt Russland im weltweiten Geschäft des Chemieriesen nicht: Im vergangenen Jahr betrug der Anteil Russlands am Gesamtumsatz der BASF-Gruppe mit ihren insgesamt rund 111.000 Mitarbeitenden 1,0 Prozent.
BASF macht nach eigenen Angaben nur noch Geschäfte in Russland und Belarus, mit denen „bestehende Verpflichtungen im Einklang mit den geltenden Gesetzen, Vorschriften und internationalen Regeln“ erfüllt werden. Neue Geschäfte in beiden Ländern werden nicht abgeschlossen, es sei denn, sie dienen der Nahrungsmittelproduktion im Rahmen humanitärer Maßnahmen. Der Konzern will die weitere Entwicklung genau beobachten und diese Entscheidung und andere Aspekte neu bewerten.
In der Ukraine ist die BASF mit zwei Tochterunternehmen mit insgesamt etwa 335 Mitarbeitenden einschließlich Leihpersonal aktiv. Produktionsstätten hat der Konzern hier keine, das Hauptbüro in Kiew und ein Regionalbüro in der westukrainischen Stadt Lwiw wurden geschlossen. Ein Teil der Mitarbeitenden befindet sich noch in der Ukraine, ein anderer Teil hat den Angaben zufolge mit Familienangehörigen die Grenze überquert und wird von BASF-Teams in den Nachbarländern unterstützt. Exportiert werden Güter in fast allen Industriebereichen. Nach der Landwirtschaft sind die wichtigsten Abnehmerbranchen laut BASF Ernährung, Gesundheit und Pflege, Katalysatoren und Farben. Auf die Ukraine entfielen zuletzt 0,2 Prozent des weltweiten Umsatzes. Für eine verlässliche Bewertung der möglichen Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland sei es noch zu früh.
Boehringer Ingelheim: Der weltweit tätige Pharmakonzern mit Hauptsitz in Ingelheim bei Mainz ist seit 1992 in Russland und der Ukraine aktiv. Er hatte zuletzt knapp 690 Mitarbeitende in Russland und 95 weitere in der Ukraine. Produktionsstätten unterhält das Unternehmen in keinem der beiden Länder. Der Anteil des Geschäfts mit den beiden Staaten ist gemessen am Gesamtumsatz gering. Im Russlandgeschäft wurde ein Umsatz von 260 Millionen Euro erwirtschaftet, mit der Ukraine waren es 26 Millionen Euro (Stand Ende 2020). Zum Vergleich: Weltweit erwirtschaftete der Pharmariese im Jahr 2020 gut 19,5 Milliarden Euro Umsatz. Neue Geschäftszahlen will das Unternehmen Anfang April bekannt geben.
Den Löwenanteil im Geschäft mit Russland und der Ukraine machte der Bereich Humanpharma aus. Arzneimittel sind von den Wirtschaftssanktionen gegen Russland ausgenommen. Weitergehende Auswirkungen lassen sich nach Unternehmensangaben aktuell nicht zuverlässig absehen. Darüber hinausgehende Aktivitäten wie beispielsweise klinische Studien in Russland wurden ausgesetzt. „Wir werden weiterhin mit allen Parteien zusammenzuarbeiten, um die Auswirkungen des Konflikts auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln zu begrenzen“, teilte ein Unternehmenssprecher jetzt mit. Investitionen seien ohnehin keine geplant. Das Unternehmen unterstützt nach eigenen Angaben Mitarbeitende aus der Ukraine, die das Land verlassen wollen und können, mit Transport, Unterbringung und Versorgung.
Schott: Der Mainzer Spezialglashersteller hat nach eigenen Angaben ein Produktionswerk in Russland mit rund 250 Mitarbeitenden sowie ein kleines Vertriebsbüro. In dem Werk rund 400 Kilometer südöstlich von Moskau werden Ampullen und Fläschchen beispielsweise für Insulin und Corona-Impfstoffe hergestellt. Die Produkte sind vor allem für den osteuropäischen Markt bestimmt.
In das Werk sollten insgesamt 10 Millionen Euro investiert werden. Rund zwei Drittel der Investitionen sind bereits geflossen, das übrige Drittel ist wegen der aktuellen Situation nach Angaben eines Sprechers auf Eis gelegt. Da es sich um Produkte für den Gesundheitsbereich handele, sei das Werk von den Sanktionen aktuell nicht direkt betroffen. Probleme gebe es aber bei Logistik und Transport. Die Anlieferung von Rohstoffen sei schwierig. In der Ukraine hat die Schott AG kein Werk.
Zwei Produktionsstätten gibt es aber in Tschechien und Ungarn, in denen rund 120 Ukrainerinnen und Ukrainer beschäftigt seien. Es handele sich zumeist um Pendler, die unter der Woche dort gearbeitet und das Wochenende in der Ukraine verbracht hätten. Schott habe den Beschäftigten aus der Ukraine beispielsweise geholfen, dass Familienangehörige aus der Ukraine geholt werden und in Hotels und Pensionen in der Nähe der Werke untergebracht werden konnten, sagte ein Sprecher. „Sie werden von Schott betreut und finanziell unterstützt.“
Die männlichen Mitarbeitenden allerdings kämen nicht mehr aus ihrer ukrainischen Heimat über die Grenze, da alle wehrfähigen Männer das Land nicht mehr verlassen dürften. In der aktuellen Situation könne sich Schott noch kein genaues Bild über die Auswirkungen aufs laufende Geschäft machen. Generell habe das Russlandgeschäft nur einen „verschwindend geringen Anteil“ am Gesamtumsatz des Konzerns mit seinen rund 17.300 Mitarbeitenden weltweit, sagte der Sprecher.
Unternehmen sind wegen Sanktionen verunsichert
Bei rheinland-pfälzischen Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu Russland und der Ukraine herrscht nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammern derzeit eine große Verunsicherung wegen der Auswirkungen des Kriegs und der Sanktionen gegen Russland. Dabei gehe es vor allem darum, was noch an Geschäften möglich sei und was nicht, erklärte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK Koblenz, Karina Szwede. Die Auswirkungen im Detail seien zwar vielfältig, das Hauptproblem liege aber im Export wegen auf Eis gelegter oder gestoppter Aufträge und einer allgemeinen Zahlungsunsicherheit.
Beeinträchtigt seien aber auch Unternehmen, die Spezialmaterialien aus diesen Ländern beziehen, sagte Szwede weiter. Die betroffenen Unternehmen würden gezwungen, neue Handelsbeziehungen aufzubauen und auch mit Preissteigerungen zurechtzukommen.