Pikant dabei: Der neue Verfassungsschutzbericht zählt auch Mitglieder der Partei Alternative für Deutschland (AfD) zum rechtsextremistischen Spektrum. 70 Personen seien diesem Spektrum zuzuordnen, davon gehöre etwa ein Drittel zum inzwischen aufgelösten „Flügel“ und zwei Drittel zur Jugendorganisation Junge Alternative, sagte der Leiter des Verfassungsschutzes, Elmar May. Die Einstufung sei wegen Aktivitäten und Veröffentlichungen im Internet erfolgt, sagte May, echte Beobachtungsfälle sind aber nur die „Flügel“-Mitglieder, die Junge Alternative gilt nur als „Verdachtsfall“.
2019 erschütterten gleich zwei rechtsextremistische Anschläge die Republik: Am 2. Juni wurde in der Nähe von Kassel der CDU-Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten erschossen, am 9. Oktober verübte ein Rechtsextremist einen Anschlag auf die Synagoge in Halle an der Saale und tötete mehrere Menschen im Umfeld. In Rheinland-Pfalz gab es keine vergleichbaren Taten, die Zahl der Gewaltdelikte von rechts sank sogar von 52 im Jahr 2018 auf 35 im Jahr 2019. Auch die Zahl der politisch motivierten Straftaten von rechts sank leicht von 698 im Vorjahr auf 640 im Jahr 2019. Allerdings stieg die Zahl der antisemitischen Straftaten auf 50, davon wurden 46 von Rechtsextremisten begangen.
„Rechtsextremisten radikalisieren sich immer schneller, häufig anonym und ohne in rechtsextremistische Strukturen eingebunden zu sein“, erläuterte Lewentz, das Internet spiele dabei eine zentrale Rolle – es habe sich eine regelrechte „rechte Parallelwelt“ entwickelt. „Zwischen Radikalisierung und Anschlag liegen, das mussten wir leider erleben, oft nur wenige Monate“, sagte Lewentz. So wurde gerade erst in diesem Februar die mutmaßliche rechte Terrorzelle „Gruppe S“ bei einer Razzia ausgehoben, einer der Unterstützer lebte in Koblenz.
Ein Grund für die Einschätzung des Innenministers zur Gefahr von rechts ist auch die Anfang August 2019 ins Leben gerufene Taskforce „Gewaltaufrufe rechts“, die rechte Hetzer, aber auch potenzielle rechte Netzwerke im Internet aufspüren soll. 66 relevante Sachverhalte habe die Task Force bereits ermittelt und an Strafverfolgungsbehörden übergeben, sagte Lewentz, in 115 Fällen habe es Strukturermittlungen gegeben. Die Taskforce habe auch zum Verbot der rechtsextremen Gruppe „Combat 18“ Anfang dieses Jahres durch den Bundesinnenminister beigetragen. Auch wegen der verstärkten Aufklärungstätigkeit zählt der Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz inzwischen 735 Personen zum rechtsextremistischen Spektrum, davon seien etwa 20 Prozent gewaltbereit. Grund für den Anstieg ist auch eine genauere Beobachtung der „Reichsbürger“-Szene, deren Mitgliederzahl im Land stieg inzwischen laut Verfassungsschutz von 500 im Jahr 2017 auf 650 im Jahr 2019. In 29 Fällen seien „Reichsbürgern“ Waffen entzogen worden, 23 hätten sie freiwillig abgegeben, berichtete Lewentz, 20 weitere Fälle seien noch in der Prüfung oder in Widerspruchsverfahren anhängig.
Eine untergeordnete Rolle spielt dagegen der Linksextremismus in Rheinland-Pfalz: Der Verfassungsschutz zählt weiter rund 500 Personen zu diesem Spektrum, darunter etwa 100 Gewaltbereite. In Erscheinung träten die aber nicht, betonte Lewentz: „Rheinland-Pfalz ist für Linksextremisten kein Hotspot.“ Die Zahl linker Gewalttaten in Rheinland-Pfalz ging von 33 im Jahr 2018 auf fünf im Jahr 2019 zurück.
Keine Entspannung gebe es dagegen in Sachen islamistischer Terror. Zwar sei die Zahl der Anschläge bundesweit 2019 zurückgegangen, „angesichts anhaltender salafistischer Tendenzen, gibt es aber keinen Grund zur Entwarnung“, betonte der Minister.