Im Prozess gegen die mutmaßliche Terrorgruppe „Vereinte Patrioten“ sind die Emotionen im Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) am jüngsten Verhandlungstag einmal mehr hochgekocht. Michael H. (44) war schon an vorangegangenen Terminen durch Grinsen und den einen oder anderen leisen Spaß mit seinen Verteidigern aufgefallen; nun könnte ihm deshalb gegebenenfalls ein Ordnungsgeld drohen.
Auslöser für die kleine Szene im OLG-Saal war ein kurzer Plausch – inklusive Gekicher – zwischen Michael H. und seinem Verteidiger Ralf Dalla Fini, der zwischenzeitlich auch den Querdenken-Gründer rechtlich vertreten hatte. Das leise Gelächter wurde schließlich gerügt, woraufhin Dalla Fini erklärte, dass es jawohl noch möglich sein müsse, mal kurz zwei Gedanken zum Prozess mit seinem Klienten auszutauschen.
Sollte dies nicht mehr möglich sein, so Dalla Fini, dann sei man inzwischen ganz offenbar auf einem anderen Planeten angekommen. Michael H. schloss sich dem kühl an – und kommentierte: „Sind wir sowieso!“ Dies verärgerte Vorsitzende Richterin Anne Kerber und veranlasste sie zu der Frage, ob sie das gerade richtig verstanden habe, dass es sich beim OLG also um einen anderen Planeten handeln solle.
Verteidiger bat um Unterbrechung, weil Mandant sehr erregt sei
Die Richterin fügte an, dass H. immer wieder durch auffälliges und häufiges Lachen im Saal auffalle, was störe. Der 44-Jährige, der vor seiner Verhaftung als Comedian auftrat, wehrte sich mit einem Verweis darauf, dass auch andere Angeklagte mit ihren Verteidigern – und auch die Bundesanwaltschaft – immer mal wieder beim Kichern und Grinsen beobachtet werden könnten. „Die tun es auch alle!“, erklärte der Angeklagte aufgebracht.
Fakt ist, dass für H. nun bei weiteren Störungen der Hauptverhandlung durch Gelächter gegebenenfalls ein Ordnungsgeld in Betracht kommen könnte. Nach dieser Verkündung durch die Richterin wurden just Stimmen laut, dass dies dann aber auch bitte für andere Störer gelten müsse. H.s Verteidiger Dalla Fini bat schließlich um eine kurze Unterbrechung, da sein Mandant emotional stark erregt sei. Später erklärte H., dass er niemals wirklich laut gewesen sei – und sich vom Senat sinngemäß unfair behandelt fühle.
Elisabeth R. spricht von „satanisierter Justitia“
Auch Elisabeth R. (75) hatte das Wort. Sie bezeichnete sich selbst während ihrer Ausführungen durchweg als „die falsch Angeklagte“, erklärte, dass sie mit Waffen oder Gewalt nichts am Hut gehabt habe, stritt ab, dass ihr Weltbild auf Verschwörungstheorien basiere, schimpfte auf das Verfahren gegen sie, sprach in diesem Atemzug von „satanisierter Justizpolitik“, einer „satanisierten Justitia“, erklärte – wie schon an vorangegangenen Verhandlungstagen -, dass sie den Hauptangeklagten Thomas O. (56) nicht einmal kenne – und unterstellte der anklagenden Behörde obendrein Dilettantismus.
R. ging sogar so weit, zu behaupten, dass einer der Ermittler, der an einem vorigen Prozesstag im OLG als Zeuge über die Tatvorwürfe ausgesagt hatte, mit Blick auf dessen Behauptungen über sie als Angeklagte die Straftatbestände Faktenverfälschung und Verleumdung erfüllt habe.
Audiodateien im Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgespielt
Im OLG wurden am jüngsten Verhandlungstag auch Audiodateien angehört. Die Öffentlichkeit war für das Abspielen ausgeschlossen worden. Dies wurde damit begründet, dass während der Aufnahmen die Stimme eines verdeckten Ermittlers zu hören sei.
Und anhand der „Sprachmelodie“ sowie gewissen Individualmerkmalen in dessen Stimme könne die Person theoretisch enttarnt werden. Was zu einer Gefährdung des Lebens des Ermittlers sowie dessen Familie führen könnte, hieß es im Gericht. Auch von „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ war in diesem Kontext die Rede. Der Senat verwies außerdem darauf, dass die Führungsbeamten der verdeckten Ermittler ihrerseits in öffentlicher Sitzung vernommen worden seien.
Wieder ein Aussetzungsantrag gestellt
Fakt ist, dass derzeit erneut ein Aussetzungsantrag im Koblenzer Staatsschutzverfahren im Raume steht. Er wird von den Verteidigern damit begründet, dass neue Aktenbestandteile zur Akte nachgereicht worden seien. Wie die Pressestelle des OLG unserer Zeitung auf Anfrage erklärt, handelt es sich dabei um eine sogenannte „Verschlusssache“, die Aktenbestandteile seien also “geheimhaltungsbedürftig".
Ein Argument der Verteidiger: Für eine adäquate Sichtung der neuen Aktenbestandteile brauche es mehr Zeit. Über den Antrag hat der Senat nun selbst zu entscheiden. Es ist nicht der erste dieser Art im Verfahren – im vergangenen Jahr war ein solcher bereits als unbegründet abgelehnt worden.
Das Verfahren wird nun normal weiterlaufen, die Entscheidung über den jüngsten Aussetzungsantrag ergeht „irgendwann in den nächsten Wochen in öffentlicher Hauptverhandlung“, teilt die OLG-Pressestelle weiter mit. Und erklärt ferner: „Sie muss spätestens bis zum Schluss der Hauptverhandlung ergehen, es ist also grundsätzlich kein Eilbedürfnis.“
Karl Lauterbach entführen?
Rückblick: Angeklagt sind in Koblenz neben Elisabeth R., Michael H. und Thomas O. ferner Sven B. (55) und Thomas K. (51). Dem Quintett wird unter anderem vorgeworfen, geplant zu haben, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu entführen, einen Staatsputsch zu erzwingen und Deutschland den Strom abzudrehen (wir berichteten ausführlich).