In diesem Zuge holte er auch zum Rundumschlag gegen die deutsche Politik der vergangenen drei Dekaden aus. Am Mittwoch gehörte die „Bühne“ erneut dem 55-Jährigen. Dieses Mal ging es „zur Sache“, sprich um die Tatvorwürfe. Es folgt eine Zusammenfassung der Einlassung des Angeklagten: Alles fängt mit Corona an. Sven B., der sich selbst als mathematisch veranlagten Menschen bezeichnet, ist mit Blick auf die täglich veröffentlichten Todeszahlen zunehmend skeptisch.
Sven B. demonstrierte gegen Covid-Maßnahmen
Diese seien förmlich „propagiert“ worden, berichtet Sven B. im OLG. Sein Unmut darüber mündet in Recherchen, die ihn schließlich in zahlreiche Telegram-Gruppen führen. Weil die Maßnahmen der Regierung inzwischen verschärft wurden, kann der Angeklagte auch seinem Beruf nicht mehr richtig nachgehen – er ist nicht geimpft. Sven B. nimmt in Folge an Demos teil, bis diese 2021 verboten worden seien, so der 55-Jährige. Für ihn steht nun fest: Deutschland ist keine Demokratie mehr, ergo bestehe das Recht auf Widerstand, um diese wiederherstellen zu können.
Gründung der Telegram-Gruppe “Veteranen-Pool„
Der Angeklagte berichtet in diesem Kontext von immer stärker gewordenen Polizeimaßnahmen, sogar von „Gewaltexzessen“ seitens der Beamten. Und die Corona-Maßnahmen seien parallel immer unsinniger geworden. Also startet Sven B. mit Gleichgesinnten im April 2021 die Telegram-Gruppe „Veteranen-Pool“. Die Zielgruppe: alle, die gedient haben, ganz egal, ob in der NVA oder beim Bund. Das Ziel: Bei Anti-Corona-Maßnahmen-Demos in Armeekleidung eine Mauer zwischen der Polizei und den friedlichen Demonstranten errichten, um Gewalt zu unterbinden. Innerhalb von drei Tagen hat die Gruppe 16.000 Mitglieder, am Ende bleibt ein harter Kern von 3000 Menschen aus zahlreichen Bundesländern übrig.
240 “40-Tonner„ mit Hilfsgütern ins Ahrtal verfrachtet
Zu einer Aktion, also einem Wall zwischen Polizei und Demonstranten, kommt es aber letztlich nie, wie Sven B. berichtet. Der einzige Versuch – Pfingsten 2021 in Berlin – sei von der Polizei unterbunden worden. Also habe man die Menschenmasse anderweitig sinnvoll einsetzen wollen – habe kurz darauf 240 „40-Tonner“ voller Güter ins Ahrtal verfrachtet, um den Menschen nach der Flutkatastrophe zu helfen. Im August oder November 2021, Sven B. ist sich nicht sicher, lernt dieser schließlich die mitangeklagte Elisabeth R. (75) kennen. Sie soll mutmaßlich später die ideologische Rädelsführerin der „Vereinten Patrioten“ gewesen sein, die dem „Reichsbürger“-Milieu zugeordnet werden.
Der mutmaßliche Plan der “Vereinten Patrioten„
Neben Sven B. und Elisabeth R. sind zudem Michael H. (44), Thomas K. (51) und Thomas O. (56) angeklagt. Dem Quintett wird vorgeworfen, einen „dreistufigen Aktionsplan“ erarbeitet zu haben. Schritt 1: Die Herbeiführung eines bundesweiten Stromausfalls; Schritt 2: Die Entführung von Karl Lauterbach („Operation Klabautermann“); Schritt 3: In Berlin „öffentlichkeitswirksam eine konstituierende Versammlung“ anberaumen, die die bisherige Regierung offiziell absetzt und eine neue „Führungsperson“ bestimmt (wir berichteten ausführlich).
Sven B. gab am Mittwoch zu, dass sowohl auf Telegram als auch bei persönlichen Treffen mit derartigen „Ideen“ herumgespielt worden sei. Von ausgereiften Plänen könne indes nicht die Rede sein, so der Angeklagte sinngemäß. Der „Blackout“ sollte laut dem 55-Jährigen einzig dazu dienen, die Menschen von den Medien zu „entkoppeln“, da diese während Corona völlig einseitig berichtet hätten.
Elisabeth R. (75) distanziert sich von “Operation Klabautermann"
Brisante Spannungen zwischen den Angeklagten wurden am Mittwoch erstmalig wirklich richtig sichtbar. Elisabeth R. unterbrach die Einlassung von Sven B. abrupt, distanzierte sich im Koblenzer Oberlandesgericht lautstark von der „Operation Klabautermann.“ Erstens sei sie bei dem von Sven B. geschilderten Treffen nicht dabei gewesen, zweitens seien „terroristische Entführungen“ nie in ihrem Sinne gewesen.
Wie „vereint“, wie homogen ist die mutmaßliche Gruppe also überhaupt gewesen? Und wie einig ist man sich heute noch? Wer hat was genau geplant – und wäre manch einer wirklich über Leichen gegangen? Wer ist also für was wie genau zu bestrafen? Fragen, die noch bis ins Jahr 2024 hinein im Koblenzer OLG eine Rolle spielen werden.