"Vereinte Patrioten": 55-jähriger Angeklagter steht im Koblenzer Staatsschutzprozess vor den Scherben seiner Existenz
Prozess gegen „Vereinte Patrioten“ in Koblenz: Lauterbach-Entführung „stand fest“
Prozess "Vereinte Patrioten"
Sven B. werden beim Prozessauftakt im Koblenzer Oberlandesgericht neben seinem Anwalt Philipp Grassl die Handschellen abgenommen. Am jüngsten Verhandlungstag betonte der Angeklagte in Koblenz, dass die Lauterbach-Entführung definitiv geplant gewesen sei. Foto: Thomas Frey/dpa
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„Es stand fest, dass der Karl Lauterbach entführt werden sollte.“ So beantwortet Sven B. am Donnerstag im Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) die Frage der Vorsitzenden Richterin Anne Kerber, wie weit die Planungen der „Vereinten Patrioten“ zum Zeitpunkt der Festnahmen denn bereits fortgeschritten waren.

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Einzig wann und wo „Operation Klabautermann“ anlaufen sollte, sei noch nicht festgezurrt gewesen, fügt der Angeklagte hinzu. Im Raum habe einmal die Idee einer Entführung während einer Liveshow im Fernsehen gestanden; außerdem soll mit einer Entführung bei einem öffentlichen Auftritt des Gesundheitsministers geliebäugelt worden sein.

Sven B. steht vor den Scherben seiner Existenz

Sven B. steht vor den Scherben seiner Existenz. Als arbeitslos, mittellos und inzwischen ohne Familie dastehend beschreibt er sich am Donnerstag. Was macht jemand wie Sven B. also, wenn er wieder auf freien Fuß käme? „Gehen Sie wieder in die Rebellion?“, will die Vorsitzende Richterin Anne Kerber vom Angeklagten wissen. Antwort: Was genau er in Freiheit machen würde, könne er nicht sagen; Umsturzpläne würde er indes sicher nicht noch einmal schmieden, denn – wie er am eigenen Leibe habe erfahren müssen –, sei das zwecklos.

„War es das wert?“, hakt die Senatsvorsitzende nach. „Wenn es geklappt hätte – vielleicht“, antwortet Sven B., und betont, dass er immer noch hinter dem Aktionsplan („Lauterbach-Entführung, Staatsputsch, Blackout“) der „Vereinten Patrioten“ stehe. Denn Deutschland sei 2020 wie 2021 keine Demokratie mehr gewesen. Sven B. spricht von „Corona-Diktatur“.

Interessanterweise fügt der 55-Jährige hinzu, dass er die mutmaßlichen Pläne aber wohl verworfen hätte, wären die Corona-Maßnahmen damals schneller zurückgefahren worden.

Hat Elisabeth R. von Entführungsplänen gewusst?

Über die mutmaßliche ideologische Rädelsführerin der „Vereinten Patrioten“, Elisabeth R. (75), berichtet der 55-Jährige am Donnerstag, dass sie die juristische Vordenkerin in puncto Staatsputsch gewesen sei. Von den Lauterbach-Entführungsplänen sowie dem angedachten Blackout müsse Elisabeth R. laut des 55-Jährigen eigentlich gewusst haben; es habe indes einiges an Überzeugungsarbeit gebraucht, um die Frau mit an Bord zu holen, so der 55-jährige Neuruppiner sinngemäß.

Seinem Gefühl nach sei dies schließlich aber gelungen. Und so habe die 75-Jährige am Ende sogar von sich aus immer wieder terminlichen Druck ausgeübt („Nun macht mal!“) Elisabeth R. hatte sich ihrerseits bereits am Mittwoch lautstark von „Operation Klabautermann“ distanziert, verkündet, dass „terroristische Entführungen“ nicht in ihrem Sinne gewesen seien.

Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz?

Dass es – etwa für die Entführung von Karl Lauterbach – Waffen gebraucht hätte, davon ist Sven B. heute überzeugt. Bei diesem Thema wird es am Donnerstag spannend. Der 55-Jährige behauptet nämlich, dass weder von ihm noch von anderen Mitgliedern der Gruppe Pläne zwecks Waffenbesorgung geschmiedet worden seien. Eine Quelle habe ihnen stattdessen plötzlich angeboten, tonnenweise Waffen aus Ex-Jugoslawien einzuschiffen.

Noch interessanter: Ein vom Verfassungsschutz eingeschleuster verdeckter Ermittler soll der Gruppe laut Sven B. ebenfalls Angebote für Waffen gemacht haben. Etwa, um die Gruppe zu ködern, sie endgültig in strafrechtlich relevantes Fahrwasser zu leiten – mit dem Endziel: „Festnahmen“? Derartige Andeutungen gab es bereits einige Male im Koblenzer Staatsschutzprozess: Die Frage, ob der Verfassungsschutz die Sache absichtlich befeuert haben könnte, müsse lückenlos aufgeklärt werden, hieß es.

Sven B.: Niemand sollte getötet werden

Sven B. berichtet am jüngsten Verhandlungstag, dass ihm für „Operation Klabautermann“ schließlich „5 Langwaffen und 15 Kurzwaffen“ vorgeschwebt hätten. Plus Schutzkleidung. Für die Finanzierung der Ausrüstung hat Sven B. eigenen Aussagen zufolge sogar Gold als Zahlungsmittel beigesteuert. Das nötige „Personal“ für die geplante Entführung habe man indes noch nicht beisammengehabt.

Glaubt man den Ausführungen des Neuruppiners, dann sollte bei der Aktion auf keinen Fall jemand getötet werden. Doch hätte dafür wirklich jemand garantieren können? Schließlich sollten hier Waffen auf einen Bundesminister und sein Sicherheitspersonal gerichtet werden. Blickt man sich am Donnerstag im Gerichtssaal um, sieht man während B.s Ausführungen zu diesem Punkt so manchen Anwesenden mit dem Kopf schütteln. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme, sagt B. weiter, habe eine „Grobplanung“ bestanden, man sei in der Rekrutierungsphase gewesen. Und wo Karl Lauterbach wohne, das könne man im Netz leicht nachrecherchieren.

Ob ihm die strafrechtliche Relevanz seines Handelns bewusst gewesen sei, möchte die Senatsvorsitzende abschließend wissen. Dass das alles unter „Hochverrat“ falle, ja, das habe er gewusst, so der Angeklagte.

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