Seit August 2012 läuft der Prozess um das Aktionsbüro Mittelrhein. Jetzt wurden die restlichen sieben angeklagten Neonazis frei gelassen.
Von unserem Redakteur Hartmut Wagner
Sie waren im März 2012 bei einer bundesweiten Razzia festgenommen worden und saßen fast 22 Monate hinter Gitter. Unter den Freigelassenen sind der Koblenzer NPD-Vorsitzende Sven Lobeck (37), der bekannte Neonazi Sven Skoda (35) und Christian H. (29), der Ex-Chef des Braunen Hauses in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Der Mammutprozess um das Aktionsbüro Mittelrhein läuft seit August 2012. Inzwischen wurden 101 Verhandlungstage absolviert, weitere sind bis Dezember terminiert. Ein Ende des Prozesses ist nicht in Sicht. Ursprünglich waren 26 Mitglieder oder Unterstützer des Aktionsbüros wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Sie sollen für eine neue Hitler-Diktatur gekämpft haben, Antifaschisten verprügelt, Linke ausspioniert und Hakenkreuze an Wände geschmiert haben. Im November wurden die ersten vier der 26 Angeklagten verurteilt. Zwei erhielten eine Bewährungsstrafe, zwei andere einen Schuldspruch, eine Jugendstrafe wurde nicht verhängt.
Prozessauftakt in Koblenz: Fünf Monate nach der Razzia im "Braunen Haus" in Bad Neuenahr-Ahrweiler sitzen heute 26 Köpfe und Mitläufer des ultrarechten "Aktionsbüro Mittelrhein" auf der Anklagebank. Einer der Angeklagten wird am Montag am Koblenzer Landgericht vor Beginn des Prozesses in Handschellen in den Saal geführt. Die Männer im Alter zwischen 19 und 54 Jahren sollen Mitglieder oder Unterstützer des «Aktionsbüros Mittelrhein» sein. Im Saal 128 des Landgerichts Koblenz läuft der Prozess. Die aus U-Haft gebrachten Angeklagten kamen wie in solchen Fällen normal in Handschellen in den Saal. Die Vereinigung wird von der Staatsanwaltschaft als verfassungsfeindlich und rechtsextremistisch eingestuft. Der Prozessauftakt begann unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen: Die Zuhörer und Medienvertreter mussten durch eine Sicherheitskontrolle. Der Frankfurter Anwalt Hans-Otto Sieg vertritt Sven Lobeck. Ein Zuschauerin verbiorgt vor Beginn des Prozesses im Gerichtssaal ihr Gesicht. Der Vorsitzende Richter Göttgen hat ermahnt, alle Beteiligten müssten sich "wegen des Umfangs des Verfahrens eine gewisse Disziplin auferlegen." Will heißen: Jeder soll sich mit Handzeichen melden, beim Sprechen das Mikro einschalten und sich mit Namen vorstellen.
Das Gericht begründete die Entlassung der sieben Angeklagten damit, dass ihr Verbleib in der Untersuchungshaft in Anbetracht der angeklagten Taten und der zu erwartenden Bestrafung nicht mehr verhältnismäßig ist. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Prozess derzeit für mehrere Wochen unterbrochen werden muss, da ein Schöffe erkrankt ist. Der Prozess soll am 28. Januar weitergehen.
Der bekannte Strafvertreidiger und Blogger Udo Vetter, der Sven Skoda vertritt, kritisiert, dass der Schritt zu spät komme. Schon zu Beginn des Prozess sei klar gewewesen, dass keinem der Angeklagten während einer rechtsstaatlich noch vertretbaren Haftdauer der Prozess gemacht werden könne. Durch die unnötig verlängerte Untersuchungshaft stünden einige der Betroffenen nun „vor den Trümmerhaufen ihrer privaten Existenz“, so Vetter.