Schlampige Ermittlungen?
Neue Vorwürfe im Fall des getöteten Wittlichers
Das Bild zeigt den Gerichtssaal des US-Militärgerichts auf der US-Air Base Spangdahlem. Dort lief der Prozess vor dem US-Militärgericht zum tödlichem Messerangriff, der mit einem Freispruch endete.
Harald Tittel. picture alliance/dpa

Die Diskussion über den Freispruch im Fall des gewaltsamen Todes eines jungen Wittlichers während der Säubrennerkirmes erhitzt weiter die Gemüter. Jetzt gibt es neue Vorwürfe an die Adresse deutscher und amerikanischer Ermittler.

Fünf Monate nach dem umstrittenen Freispruch eines US-Soldaten im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod eines 28-jährigen Wittlichers gibt es neue Erkenntnisse zu dem Fall. Nach einem Bericht des Rechtsmagazins „Legal Tribune Online“ (LTO) haben angebliche Versäumnisse deutscher Ermittler zu dem Urteil des amerikanischen Militärgerichts beigetragen.

Mitte Oktober war ein 26-jähriger US-Soldat der Airbase Spangdahlem von einer Geschworenenjury freigesprochen worden, obwohl der Amerikaner die Tat bei einer früheren Vernehmung durch deutsche Ermittler eingeräumt hatte. Die US-Staatsanwaltschaft beschuldigte den 26-Jährigen, für die tödliche Messerattacke auf den Wittlicher nach einem Streit auf der Säubrennerkirmes verantwortlich zu sein. Das Geständnis spielte bei dem Prozess auf der Air Base Spangdahlem keine Rolle, weil es „nicht freiwillig war“, wie es hieß. Die deutsche Seite wies dies entrüstet zurück.

Ein Polizist sichert die Stelle in der Straße in Wittlich, in der der junge Mann getötet worden ist.
Harald Tittel. picture alliance/dpa

Die „Legal Tribune Online“ berichtet nun unter Berufung auf die ihr vorliegenden Ermittlungsakten, dass die deutschen Ermittler an dem späteren Freispruch des Soldaten eine Mitschuld trügen. Als Indiz dafür wertet LTO das vom Angeklagten nach seiner Festnahme unterzeichnete Belehrungsformular vom 19. August 2023. Darin seien sämtliche Angaben in deutscher und englischer Sprache zu lesen, einzig beim Tatvorwurf („Verdacht Tötungsdelikt“) fehle die Übersetzung.

Laut LTO ein folgenschwerer Fehler der deutschen Ermittler. Wäre die Formulierung „Verdacht Tötungsdelikt“ in dem Formular korrekt übersetzt worden, hätte das US-Militärgericht das Geständnis aller Wahrscheinlichkeit nach als verwertbar angesehen, schreibt das Onlinemagazin. In diesem Fall wäre der später freigesprochene Soldat wohl verurteilt worden.

Auch bei der Aufzeichnung der Vernehmung sei geschludert worden. So hätten die deutschen Ermittler die Vernehmung zunächst nur bruchstückhaft mit einem Diktiergerät aufgezeichnet. Die englischen Antworten des Beschuldigten seien allerdings genauso wenig dokumentiert wie die englische Übersetzung der Dolmetscherin. Auch dies habe die Trierer Staatsanwaltschaft gegenüber LTO bestätigt.

Somit habe die Aufzeichnung auch nicht als Beleg für eine korrekte Belehrung auf Englisch dienen können. Erst später seien die Ermittler dann zu einer Videovernehmung übergegangen. Aber auch diese hätte nicht mehr belegen können, dass der wegen der letztlich tödlichen Messerstiche beschuldigte US-Soldat von Anfang an richtig belehrt worden sei.

Auch den US-Ermittlern, die den Beschuldigten nach den deutschen Kollegen vernommen haben, sollen laut LTO schwere Fehler unterlaufen sein. So soll etwa einer der US-Ermittler den Tatverdächtigen lediglich wegen schwerer Körperverletzung belehrt haben – und nicht wegen Totschlags. „Versagen und Missstände auf mehreren Ebenen“, urteilt das Online-Fachmagazin.

Nach dem Urteil kam es auch zu Demonstrationen vor dem Hauptzugang zur US-Air Base Spangdahlem.
Harald Tittel. picture alliance/dpa

Es treffe zu, dass in dem Belehrungsformular, das dem Amerikaner von den deutschen Kriminalbeamten vor der Vernehmung ausgehändigt worden sei, der Tatvorwurf „Verdacht Tötungsdelikt“ nur in deutscher Sprache eingetragen gewesen sei, teilte Oberstaatsanwalt Peter Fritzen in Trier nun der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit.

Der Grund dafür sei nicht bekannt. Der deutsche Vernehmungsbeamte habe den US-Amerikaner aber laut Protokoll vor der Vernehmung mündlich ausdrücklich darüber belehrt, dass wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts ermittelt werde und er verdächtigt werde, etwas mit dem Tötungsdelikt zu tun zu haben, sagte Fritzen. Die Belehrung sei von einer Beamtin des „Office of Special Investigations“ (OSI) in die englische Sprache übersetzt worden.

Zu den neuen Details der Vernehmung teilte das rheinland-pfälzische Justizministerium mit, es gebe „nach dem hiesigen Kenntnisstand keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte nach den Vorgaben der deutschen Strafprozessordnung nicht korrekt belehrt worden wäre“. Grundsätzlich sei dem Beschuldigten im Rahmen der polizeilichen Vernehmung zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt werde.

Nach deutschem Recht genügt mündliche Belehrung

Die Strafprozessordnung verlange aber nicht, dass diese Belehrung über den Tatvorwurf schriftlich zu erfolgen habe. Wenn jemand kein Deutsch könne, werde ein Dolmetscher oder Übersetzer dazugeholt, teilte der Ministeriumssprecher der dpa mit. Es reiche dabei aber aus, wenn die Belehrung auch über den Tatvorwurf mündlich übersetzt werde.

Für die Belehrung nach US-amerikanischen Recht sei die US-Seite zuständig gewesen, teilte der Sprecher mit. Zu dieser Belehrung und den Maßstäben nach der US-amerikanischen Rechtsordnung könne man keine Auskunft geben. Die Strafverfolgung war gemäß dem Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut von den deutschen Behörden an die US-Militärjustiz abgegeben worden.

Fritzen teilte weiter mit, die Vernehmung des Soldaten sei zunächst ohne audiovisuelle Aufzeichnung gemacht worden. Die schriftliche Protokollierung sei über ein Diktiergerät erfolgt, auf das der Beamte die Fragen und die OSI-Beamtin die ins Deutsche übersetzten Antworten eingesprochen hätten. Später sei das Diktierte verschriftlicht worden.

Erst Diktiergerät, dann Video

Nachdem der Beschuldigte die Messerstiche eingeräumt habe, sei die weitere Vernehmung von deutschen Beamten in Bild und Ton auf Video aufgezeichnet worden, teilte Fritzen weiter mit. In diesem Teil der Vernehmung seien die Inhalte des ersten – nicht audiovisuell aufgezeichneten – Teils der Vernehmung wiederholt worden. Wiederholt worden sei auch die Belehrung als Beschuldigter – auch auf Englisch.

Nach dem Freispruch des Angeklagten durch die achtköpfige US-Militärjury hatte es in der deutschen Bevölkerung und von den Angehörigen des Opfers erhebliche Kritik am Urteil gegeben. Es gab Demonstrationen vor der Spangdahlemer Airbase und dem Mainzer Landtag. Zuletzt hatte die Familie des getöteten Wittlichers eine neue Anwaltskanzlei damit beauftragt, zu prüfen und aufzuklären, welche Fehler Behörden und Ermittler gemacht hätten.

Top-News aus der Region

Weitere regionale Nachrichten