Spätestens seit der Flut 2021 ist bekannt, wie wichtig Pegelstände zur Warnung vor Katastrophen sein können. Und zwar nicht nur jene von den großen Flüssen wie Rhein und Mosel. Es sind oft die kleineren Gewässer, die unberechenbar hoch ansteigen und für Verwüstung sorgen. Ein Beispiel ist die Kyll. Überwacht wurden diese Flüsse sogenannter zweiter und dritter Ordnung vom Land bislang nur stellenweise. Nach der Flut haben sich deshalb die Kreise im Norden des Landes aufgemacht, das zu ändern.
Sie installierten Dutzende Pegel an Prüm, Nims, Kyll und Enz im Eifelkreis oder Nette, Saynbach und Nitzbach im Kreis Mayen-Koblenz. Auch an der Ahr, wo die Flut 2021 am schlimmsten wütete und Nebenflüsse ihren Anteil daran hatten, wurden neue Pegel installiert. Allein im Eifelkreis hat die Verwaltung 32 Radarsensoren zur Pegelerfassung an Brücken verbaut, wie sie auf Anfrage erklärt. Sehen kann die Pegelstände allerdings keiner, außer Experten.
Eigentlich sind Pegelstände für alle bei der Hochwasservorhersagezentrale des Landes und in der App „Meine Pegel“ einsehbar – sowohl aktuelle Messwerte als auch Vorhersagen für die Entwicklung in den kommenden 24 Stunden. Warum aber die neuen digitalen Hochwassermelder nicht? Offenbar war das Land bislang nicht in der Lage, die Daten aus den Kommunen in das eigene System einzubauen.
Verärgerter Landrat schreibt Briefe nach Mainz
Im Kreis Mayen-Koblenz sorgte das zwischenzeitlich für so großen Ärger, dass SPD-Landrat Marko Boos Briefe schrieb, die unserer Zeitung vorliegen. Adressiert waren sie sowohl an Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) als auch an Parteifreund und Innenminister Michael Ebling (SPD). Boos schreibt darin, dass es in der Bevölkerung und Politik zunehmend zu Unverständnis führe, dass die Daten bis heute nicht abrufbar seien. Und das, obwohl bereits seit mehr als zwei Jahren eine Lösung versprochen worden sei.
Das zuständige Umweltministerium bestätigt auf Anfrage den „Wunsch“ der Kommunen, deren neue Pegel im landesweiten System abzubilden. Seit dem Sommer 2023 würden dafür technische Anpassungen umgesetzt. Das Ministerium spricht von „komplexen Arbeiten“.
„Und das nach der größten Flut, die das Land je gesehen hat.“
„Fast zwei Jahre, um eine technische Lösung zu finden, ist einfach viel zu lang“, sagt der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid. „Und das nach der größten Flut, die das Land je gesehen hat.“ Wefelscheid hatte sich deshalb mit einer Kleinen Anfrage an die Regierung gewandt. Wenn die Kommunen schon auf eigene Kosten Messstellen betreiben würden, dann müsse die Umsetzung auch schnellstmöglich erfolgen. Der Abgeordnete wollte wissen, wer die Verantwortung für Schäden als Folge der Landesversäumnisse nicht eingetragener Pegel trage. Die Antwort des Ministeriums lautete nur lapidar: Für die Pegel seien die jeweiligen Betreiber zuständig.
Dabei ist sich das Umweltministerium offenbar selbst bewusst, wie wichtig die Daten im Ernstfall sein könnten. Sie seien „insbesondere für die lokale Bevölkerung und Einsatzkräfte bedeutsam“, so eine Sprecherin.
Ministerium spricht von „komplexen“ technischen Arbeiten
Immerhin können Wehrleiter und Katastrophenschützer im Kreis bereits über ein „internes Dashboard“ auf die Daten der 32 kommunalen Pegel zugreifen, wie etwa der Eifelkreis Bitburg-Prüm auf Anfrage mitteilt. Schwieriger wird es aber für die Landeskatastrophenschützer, die mit ihrem neuen Landesamt eigentlich einen besseren Überblick bekommen und dadurch besser Hilfe anbieten sollten.
Die vom Ministerium erwähnten „komplexen“ technischen Arbeiten sollen nun zumindest „weitgehend“ abgeschlossen sein, wie eine Sprecherin erklärt. Daher gehe man davon aus, dass die Daten „im Laufe des Frühjahrs“ auf dem Hochwasserportal des Landes abrufbar seien. Es sind Versprechen, die die Kreise im vergangenen Jahr schon mehrfach gehört haben.