Rheinland-Pfalz/Hannover
Nach Verfahrenseinstellung zur Ahr-Flut: Mahnwache bei Justizministerkonferenz
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Ralph und Inka Orth, die ihre 22-jährige Tochter Johanna in der Flut verloren hatten, hatten bei der Justizministerkonferenz in Hannover eine Mahnwache abgehalten. Mit dabei waren „135 stumme Zeugen“ des Kölner Installationskünstlers Dennis Meseg. Die 135 in weiße Folie gewickelten Schaufensterfiguren sollen als Symbol für die während der Ahrtal-Katastrophe zu Tode gekommenen Menschen stehen.
Chris Goebel

Ralph und Inka Orth verloren ihre 22-jährige Tochter Johanna in der Ahr-Flut. Dass gegen den ehemaligen Landrat Jürgen Pföhler (CDU) keine Anklage erhoben werden soll, will das Ehepaar nicht akzeptieren. Und hat nun bei der Justizministerkonferenz in Hannover eine Mahnmache abgehalten. Aber: Kein Minister, behauptet das Paar, habe sich für die Aktion interessiert oder mal mit ihnen geredet.

Die Koblenzer Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Ahrtal-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) eingestellt. Hinterbliebene von Opfern wollen dies nicht hinnehmen, haben entsprechende juristische Schritte eingeleitet und halten den öffentlichen Druck über eigens initiierte Pressekonferenzen oben. Bereits am Montag hatte der Koblenzer Rechtsanwalt Christian Hecken, der einige Hinterbliebene rechtlich vertritt, den Vorwurf der „größten Vertuschungskampagne in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ erhoben (wir berichteten). Hecken vertritt unter anderem Ralph und Inka Orth, die ihre 22-jährige Tochter Johanna in der Flut verloren haben. Das Ehepaar hat seiner Forderung, dass Anklage erhoben werden müsse, diese Woche erneut eindrücklich Nachdruck verliehen – bei der Justizministerkonferenz in Hannover.

Mahnwache mit „135 stummen Zeugen“ in Hannover

In Korrespondenz mit unserer Zeitung teilt das Ehepaar mit, dass in Hannover vor dem Schloss Herrenhausen anlässlich der diesjährigen Justizministerkonferenz eine Mahnwache mit „135 stummen Zeugen“ stattgefunden habe. Der Kölner Installationskünstler Dennis Meseg unterstützte demnach mit seiner Installation von 135 in weiße Folie gewickelten Schaufensterfiguren bereits zum dritten Mal eine Mahnwache im Zusammenhang mit der juristischen Aufarbeitung der Verantwortlichkeit vor und bei der Flutkatastrophe. „Die Figuren demonstrierten die Ohnmacht, die durch den unsäglichen Justizskandal für alle Menschen nicht nur im Ahrtal ausgelöst wurde“, erklärt das Ehepaar Orth.

Bewegende Gespräche in Hannover

Es seien zwei „sehr bewegende Tage“ in Hannover gewesen, teilt das Paar weiter mit. Die Mahnwache mit der Installation der Figur-Skulpturen sei an zwei verschiedenen Plätzen aufgebaut worden – zunächst unter einem großen Baum östlich vom Schloss. Dort haben die Orths nach eigener Aussage viele bewegende Gespräche mit mitfühlenden Menschen geführt.

An Tag zwei der Mahnwache wurden die „135 stummen Zeugen“, berichtet das Paar, unmittelbar an der Zufahrt für die Minister aufgebaut. Auf drei großen Bannern seien für jeden deutlich sichtbar die Texte „Justizskandal bei der Ahrtal-Flut 2021“ sowie „Die größte Vertuschungskampagne der Bundesrepublik Deutschland“ und „Anständiges Gerichtsverfahren“ angeschlagen worden.

Kein Minister habe Interesse an Mahnwache gezeigt

Bezeichnend ist das Fazit der Familie Orth zur Mahnwache, das trotz der vielen tiefen Gespräche mit interessierten Menschen am Ende doch negativ ausfällt. Denn: Keiner der Politiker sei mit dem Ehepaar in Hannover ins Gespräch gekommen. Dabei sei die Mahnwache nur wenige Meter von der Konferenz entfernt aufgebaut gewesen.

„Und obwohl, dass sie so präsent war und die Minister auch daran vorbeifuhren, hat keiner den Mut gefunden, sich diese für ein paar Minuten einmal anzuschauen und darüber zu sprechen, wie ihre Sicht der Dinge ist“, sagt Familie Orth. All dies sei „sehr enttäuschend“.

Das Resümee der Familie: „Irgendwie scheint es sich wie ein roter Faden durchzuziehen, dass man sich nicht mit diesem Justizskandal auseinandersetzen möchte und gerade die Politiker denken, wenn sie es aussitzen, dass sie damit das Beste erreichen – aber genau das Gegenteil ist der Fall.“

Klage gegen Justizminister am Verwaltungsgericht Mainz erhoben

Familie Orth und ihr Anwalt Christian Hecken fordern in der Ahrtal-Causa unter anderem die Auswechslung der Staatsanwälte, welche das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Landrat Pföhler eingestellt hatten. Ferner fordern sie die Entlassung des Justizministers von Rheinland-Pfalz, Herbert Mertin (FDP) – aufgrund von „Untätigkeit im Amt und fehlerhafter Amtsführung“, sagt Rechtsanwalt Hecken. Gegen Mertin wurde zwischenzeitlich beim Verwaltungsgericht Mainz eine entsprechende Klage durch das Ehepaar Orth eingereicht.

Staatsanwaltschaft verpflichtet, Ermittlungen wieder aufzunehmen?

Rechtsanwalt Hecken behauptet abschließend: „Wir möchten nochmal betonen, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund zahlreicher veröffentlichter Experten-Meinungen bereits heute von Amts wegen verpflichtet ist, die Ermittlungen wiederaufzunehmen beziehungsweise Anklage zu erheben.“ Gleiches gelte für die Pflicht der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizministers bei laufender Berichterstattung über den Fall, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen und Anklage zu erheben.

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