Der Großeinsatz der Polizei im Moselort Kröv hallt nach: Im Ortsteil Kövenig (Kreis Bernkastel-Wittlich) war die Polizei am Wochenende mit einem Großaufgebot angerückt, um eine Feier aufzulösen, bei der mutmaßlich verbotene Lieder und verfassungsfeindliche Parolen gegrölt wurden (wir berichteten) – und das nur wenige Tage, nachdem ein Video von einem ähnlichen Vorfall auf Sylt die Öffentlichkeit empört hatte. Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministers Michael Ebling (SPD) wurde mit dem Einsatz ein rechtsextremistisches Konzert verhindert.
Truppe war offenbar aus NRW angereist
„Nach unserem derzeitigen Stand haben einige Menschen, die wohl überwiegend aus Nordrhein-Westfalen gekommen sind, versucht, dort ein Konzert durchzuführen mit einem klar rechtsextremistischen Hintergrund, rechtsextremistischer Musik. Unsere Polizei hat das unterbunden“, hatte Ebling in einer ersten Reaktion gesagt. Er betonte: „Rechtsextremisten haben in Rheinland-Pfalz keinen Platz.“
Am Montag lobte der Innenminister die Zivilcourage, die es brauche, wenn Nachbarn nicht weghörten. “Wir brauchen diese wachsame Gesellschaft, die handelt, sobald rechtsextremistische Töne und Parolen erklingen. Nur so können die Polizei und der Staat insgesamt eingreifen und Strafverfahren einleiten“, betonte Ebling.
In Kövenig zeigte man sich geschockt über den Vorfall: „Unser ganzes Dorf ist geschockt, dass so etwas bei uns möglich ist“, sagte Ortsvorsteher Eckehard Wehe am Montag. Noch nie sei dort es zu Auffälligkeiten rechtsgesinnter Personen gekommen.
18 Personen kontrolliert
Rückblick: Die Polizei war am Samstag zunächst wegen Ruhestörung durch eine private Feier im Garten eines Anwesens alarmiert worden. Es handelt sich wohl um ein Ferienhaus mit Blick auf die Mosel. Allerdings hat es zu dem Zeitpunkt bereits Hinweise gegeben, dass „möglicherweise verbotenes Liedgut abgespielt wurde und verfassungsfeindliche Parolen gerufen wurden“, wie es in der ersten Polizeimeldung hieß.
Die Polizei habe die private Feier „unter Einsatz starker Kräfte“ beendet und die Identität der Partygäste festgestellt. Ein paar Stunden später teilte die Polizei dann weitere Details zu dem Einsatz mit. Es wurden 18 Personen kontrolliert worden. Aufgrund eines richterlichen Beschlusses sei das von der Gruppe angemietete Haus durchsucht worden.
Inzwischen steht fest: Die Polizei leitete insgesamt sechs Ermittlungsverfahren ein. Darunter sind zwei Strafverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, zwei Strafverfahren wegen des Verdachtes der Volksverhetzung sowie zwei Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Gegen einige Mitglieder der 18-köpfigen Gruppe im Alter von 31 bis 53 Jahren bestanden bereits polizeiliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität, teilte das Innenministerium am Montag mit. Zu großen Teilen war die Gruppe gemeinsam mit einem Bus aus Nordrhein-Westfalen angereist. “Nach Abschluss des Polizeieinsatzes trat der überwiegende Teil der Personen in dem Bus auch wieder die Heimreise an„, so das Ministerium. Drei mit Autos angereiste Personen verbrachten die Nacht vor Ort in ihren Fahrzeugen, da sie nicht fahrtüchtig waren, und traten am Morgen die Rückreise an. Die Beamten stellten die Schlüssel dieser Fahrzeuge in der Nacht sicher und händigten diese erst nach wieder erlangter Fahrtüchtigkeit an die Fahrzeugführer aus. Zudem wurde der Aufenthaltsort der Personen bis zu deren Abreise im Rahmen der polizeilichen Streifentätigkeit beobachtet.
Ferienhaus mit viel Platz
Das Haus gehört nach Informationen unserer Redaktion zu einem Komplex mit zwei Ferienwohnungen. Diese werden im Internet als Gruppenunterkunft mit insgesamt 33 Betten in 15 Schlafzimmern und zwei Gruppenräumen für 20 Personen angeboten. Besonders beworben wird der Garten mit Terrasse und Moselblick sowie mit einem Grill. Vermietet werden die Häuser laut Impressum von einem in Hessen lebenden Mann.
Derzeit ist noch unklar, um welche Lieder und welche verfassungswidrigen Symbole es sich handelt. Laut Medienberichten sollen Anwohner die Polizei gerufen haben, weil sie Nazi-Lieder und Heil-Hitler-Rufe aus dem Garten des Ferienhauses gehört haben wollen.
Wer sich der Volksverhetzung schuldig macht, ruft zu Hass oder zu Gewalttaten auf gegen Personen einer bestimmten Gruppe, Hautfarbe, Religion oder Weltanschauung. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Auch das Singen sogenannter verbotener Lieder ist strafbar. Dabei handelt es sich überwiegend um Kampf- und Propagandalieder der Nationalsozialisten. Auch Songs von verbotenen Rechtsrock-Bands gehören dazu. Das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen (darunter fallen auch Parolen und Grußformen) kann mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren bestraft werden.
Zweiter Vorfall innerhalb weniger Wochen
Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass die Polizei im Kreis Bernkastel-Wittlich eine Party auflösen musste, bei der rechtsradikale Parolen und Lieder gegrölt wurden: Anfang des Monats rückte die Polizei demnach bereits mit großem Aufgebot zu einer Hütte beim Greimerath in der Nähe von Wittlich aus. Dort feierten mehrere Personen eine rechtsextremistische Musikveranstaltung. 56 Personen wurden laut Polizei überprüft. Darunter hätten sich zahlreiche Personen befunden, die in der Vergangenheit Mitglieder in zwischenzeitlich verbotenen Vereinigungen waren, teilte die Polizei damals mit.
Unter dem Eindruck des Vorfalls von Sylt
Der Vorfall in Kövenig ereignete sich nur ein paar Tage, nach dem im Internet veröffentlichten Video, das feiernde Frauen und Männer aus Sylt zeigt, die ausländerfeindliche Parolen zu einem Partyschlager gesungen hatten. Ein Mann macht eine Geste, die an den Hitlergruß denken lässt. Von den Umstehenden scheint sich niemand daran zu stören. Das Video hat bundesweite Empörung ausgelöst.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Parolen als ekelig und nicht akzeptabel. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „Schande für Deutschland“. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) machte im Interview mit dem SWR die AfD dafür verantwortlich, dass rechtes Gedankengut so verbreitet ist. „Es sind Menschen mitten in der Gesellschaft, die inzwischen Nazi-Parolen von sich lassen, die rechtsextremistisch unterwegs sind. Es sollte uns alle wirklich einfach nur erschüttern“, sagte sie.