Warum wurde das Datum nachträglich eingetragen?
Vor allem ein kleines Detail auf dem Brief selbst sorgte seit Tagen für Verwunderung in politischen Kreisen. Auf dem per Computer geschriebenen Brief steht als Absendedatum handschriftlich nachgetragen der 2. Mai. Raab hingegen sagte im Ausschuss wörtlich: „Ich habe Ende April einen Brief an die Landessenderdirektorin Frau Ulla Fiebig geschrieben, der wegen des Maifeiertags dort erst am 2. Mai einging“.
Auf Anfrage korrigiert die Staatskanzlei nun Raabs Aussage. „Naturgemäß kann sie nicht wissen, wann der Brief beim SWR eingegangen ist.“ Richtig sei, dass Raab den Brief am 2. Mai unterschrieben habe. Handschriftlich sei das Datum eingetragen, „da Frau Staatssekretärin Raab beim Verfassen des Briefes noch unschlüssig war, wann sie diesen versenden würde“, so Regierungssprecherin Andrea Bähner. Die Korrektur der Falschaussage habe Raab nach Durchsicht des Protokolls am Wochenende auch dem Medienausschuss mitgeteilt. Der SWR selbst erklärte, dass der Brief am 4. Mai die Landessenderdirektorin erreicht habe.
Warum das Datum so relevant ist
Bei der zeitlichen Differenz zwischen Verfassen und Versenden des Briefes geht es aber um eine größere Frage. Bislang hatte die Staatskanzlei jegliche Beteiligung am Brief abgestritten. Heike Raab ist qua Amt als Staatssekretärin zwar Mitglied der Landesregierung. Den Brief hat sie zwar mit dem Briefkopf der Staatskanzlei, nach eigenen Angaben aber in ihrer Rolle als stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende des SWR geschrieben. Wegen der handschriftlichen Eintragung des Datums vermutete die rheinland-pfälzische CDU, dass der Brief den offiziellen Postlauf der Staatskanzlei genommen haben könnte. „Faktenlage und Ausführungen von Frau Raab passen hier nicht zusammen“, sagte CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder vergangene Woche.
Die Sache rund um das Schreiben von Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD) an den Südwestrundfunk ist noch nicht ausgestanden. Die rheinland-pfälzische CDU-Landtagsfraktion hat nun Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) aufgefordert, Position in der Angelegenheit zu beziehen.Beschwerdebrief von Raab an den SWR: CDU verlangt nun Erklärung von Ministerpräsidentin Dreyer
Ist der Brief doch aus der Staatskanzlei verschickt worden?
Raab behauptete im Ausschuss, dass sie den Brief zu Hause im Homeoffice geschrieben habe. Eine weitere Aussage implizierte, dass sie ihn auch von dort abgeschickt hatte. Doch das stimmt nicht. Raab habe den Brief Ende April tatsächlich über das verlängerte Wochenende zu Hause geschrieben. Vor dem Versand am 2. Mai sei das Dokument allerdings in ihrem Mainzer Büro in der Staatskanzlei eingescannt worden, „um eine Kopie für die Ablage zu haben“, erklärte die Regierungssprecherin.
Ob der Brief nun also doch aus der Staatskanzlei abgeschickt worden ist, beantwortet sie allerdings nicht eindeutig. Im Ausschuss sagte Raab über die verwendete Briefmarke, sie habe zu Hause „so ein Zettelchen, wo man die rausziehen kann, auf der Fensterbank bei mir stehen“. Gegenüber unserer Zeitung bedauert Raab nun, falls der Eindruck entstanden sein könnte, „dass auch der Versand von dort erfolgt wäre“. Den weiteren Postweg könne sie aber nach fast sieben Monaten nicht mehr rekonstruieren. Inhaltlich streitet die Landesregierung weiterhin eine Beteiligung am Brief ab.
AfD möchte Untersuchungsausschuss
Unterdessen fordert die rheinland-pfälzische AfD-Landtagsfraktion derweil einen Untersuchungsausschuss zur “Causa Raab„, wie unsere Zeitung erfuhr. Die AfD sieht im Beschwerdebrief der Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien einen “massiven„ Versuch, die Berichterstattung zu beeinflussen. Allein kann die AfD-Fraktion, die nach dem kürzlichen Austritt von Michael Frisch und Martin Louis Schmidt auf sechs Mitglieder geschrumpft ist, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht beantragen. Sie bräuchte die Unterstützung von weiteren Oppositionsfraktionen – die Unterstützung ist allerdings unwahrscheinlich.
Der medienpolitische Sprecher der AfD-Abgeordnetengruppe Joachim Paul sagt: Es zeichne sich immer deutlicher ab, dass das Schreiben eine “organisierte Aktion war, um eine negative Berichterstattung über die Verantwortung von Roger Lewentz bei den Opfern der Ahflut zukünftig zu unterbinden„. Paul weiter: “Es ist schwer vorstellbar, dass es über den Brief hinaus nicht zu weiteren versuchten Einflussnahmen zugunsten von Roger Lewentz gekommen ist, die den Charakter einer Drohgebärde gehabt haben können." Angesichts der Bedeutung des Falles, des politischen Hintergrunds der Todesopfer an der Ahr und der Stellung von Heike Raab als Medienpolitikerin halte es man für nötig, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, so Paul.
Es ist schwer vorstellbar, dass es über den Brief hinaus nicht zu weiteren versuchten Einflussnahmen zugunsten von Roger Lewentz gekommen ist, die den Charakter einer Drohgebärde gehabt haben können.
Joachim Paul, medienpolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion
Zur Erinnerung: Staatssekretärin Raab hatte sich in einem Brief vom 2. Mai bei SWR-Landessenderdirektorin Ulla Fiebig über die Berichterstattung zum Rücktritt und zur Verantwortung von Ex-Innenminister Roger Lewentz (SPD) bei der Flut beschwert (wir berichteten mehrfach). Ein SWR-Hauptstadtkorrespondent kam in dem Beitrag zu der Einschätzung, dass es bundesweit wahrscheinlich einmalig sei, dass ein „Landesinnenminister, der die politische Verantwortung für die vielen Toten dieser schrecklichen Ahrkatastrophe übernehmen muss, weiterhin Landesvorsitzender seiner Partei bleibt“.
Raab schrieb in ihrem Brief, dies sei „objektiv falsch“, bat um Antwort und drohte mit dem Programmausschuss. Die SPD-Politikerin aus Cochem ist Staatssekretärin für Medien und zugleich Funktionärin in mehreren SWR-Gremien.