Rheinland-Pfalz
Millionen-Nachzahlung für Kitas: Warum es für die rheinland-pfälzischen Kommunen jetzt teuer wird
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Wie werden die Kitas in Rheinland-Pfalz finanziert? Vielen Kommunen drohen immense Mehrkosten.
Sebastian Gollnow. picture alliance/dpa

Jahrelang haben die rheinland-pfälzischen Kommunen und Kirchen über die Finanzierung der Kindertagesstätten im Land gestritten. Nun gibt es eine Einigung für den Übergang, die Millionen kostet. Offen ist aber, wie es mit den Kitas ab nächstem Jahr weitergeht. ​Warum das so ist.

In Rheinland-Pfalz gibt es gut 2700 Kitas. Etwa die Hälfte wird vom Staat betrieben, mehr als 1100 von den katholischen und evangelischen Kirchen, der Rest von freien Trägern. Jahrelang haben sich Kommunen, Kirchen und Freie um die Finanzierung gestritten. Nun gibt es endlich eine Einigung – allerdings nur für den Übergang. Die Beteiligten haben in Mainz eine Vereinbarung unterzeichnet, womit der Kita-Betrieb zumindest bis Ende des Jahres finanziert sein dürfte. Die Kommunen im Land wird das viele Millionen Euro kosten. „Ein Kraftakt“, wie die kommunalen Spitzenverbände sagten. ​

Mehrkosten von 15 Millionen Euro für Koblenz

Die Stadt Koblenz geht beispielsweise nach überschlägiger Berechnung von Mehrkosten von rund 15 Millionen Euro aus – kalkuliert für den Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2024, wie Bürgermeisterin Ulrike Mohrs (CDU) auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt. Wie es danach weitergeht – dem will sie nicht vorgreifen. Schließlich sollen die Rahmenvereinbarungsverhandlungen fortgesetzt werden.

Die nun getroffene Einigung bewertet sie jedenfalls überaus sachlich: „Es handelt sich um eine Entscheidung, die die kommunalen Spitzenverbände getroffen haben und die wir mittragen.“ Von den 65 Kindertageseinrichtungen in Koblenz stehen fünf Einrichtungen in städtischer Trägerschaft. 46 Einrichtungen werden von kirchlichen Trägern und 14 von sonstigen freien Trägern betrieben, informiert die Stadt weiter.

Für den „auf Kante genähten Haushalt“ Triers bedeute das „eine erhebliche Belastung“, erklärt Elvira Garbes, Sozialdezernentin der Stadt Trier, unserer Redaktion. Die Stadt gehe davon aus, dass sie für den Zeitraum von 2021 bis Ende dieses Jahres rund 7 Millionen Euro für alle Kitas nachzahlen müsse. Sie sei aber froh über die Einigung, sagt Garbes.

Alois Zehren sieht die Vereinbarung viel kritischer. Er ist Ortsbürgermeister der kleinen Gemeinde Freudenburg im Kreis Trier-Saarburg, bis vor kurzem war er auch Kämmerer des Kreises. Seinen Berechnungen zufolge könnte die Einigung dort fast 15 Millionen Euro kosten. Allein auf seine Gemeinde Freudenburg kämen umgerechnet mehr als 160.000 Euro Nachzahlung zu. Geld, das viele Gemeinden nicht hätten, kritisiert Zehren.

VG-Chef: Katholische Kirche nicht in guter Verhandlungsposition

Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Maifeld, Maximilian Mumm, bezeichnet den Abschluss der Übergangsvereinbarung als „einen ersten Schritt“. In der VG Maifeld gibt es laut Mumm 15 kommunale Einrichtungen, davon fünf in Trägerschaft der VG, sowie drei kirchliche Einrichtungen in Trägerschaft der Kita gGmbH. Für die Kommunen sei allerdings der angekündigte und angestrebte Abschluss der Rahmenvereinbarung von noch größerem Interesse. Es werde Zeit, dass auch die kommunalen Träger endlich verbindlich wüssten, wie hoch ihr Finanzierungsanteil für die Kitas sein werde, sagt Mumm unserer Zeitung.

Kindertagesstätte
Wie werden die Kitas in Rheinland-Pfalz finanziert? Vielen Kommunen drohen immense Mehrkosten.
Oliver Berg. picture alliance/dpa

Dies sei angesichts der oft prekären Haushaltslage der Kommunen für eine solide Haushaltsplanung „immens wichtig“. Das Land Rheinland-Pfalz hätte aus Mumms Sicht gut daran getan, die Finanzierungsparameter wie bisher im Gesetz festzuschreiben. Der VG-Bürgermeister ergänzt: „Die katholische Kirche sollte sich mal überlegen, ob sie noch in der Position ist, dass sie meint, Parameter festlegen zu können, wonach andere bezahlen und sie das Sagen hat.“

Warum eine Verhandlung nötig war​

Das rheinland-pfälzische Kita-Gesetz von 2021 hatte die Bezahlung der Erzieher im Land neu geregelt: Einen Teil übernimmt das Land, einen Teil übernehmen die Kommunen. Wie viel die Kirchen und freien Träger dazu zahlen müssen, ließ das Gesetz allerdings offen. Darin war lediglich von einem angemessenen Eigenanteil die Rede. Deshalb waren die Beteiligten gezwungen, für eine landeseinheitliche Regelung miteinander zu verhandeln.

Weil die für Kitas zuständigen Kommunen die Vielfalt der Träger aufrechterhalten wollen und müssen, zahlen sie den Kirchen nun mehr Geld. Diese müssen künftig nur noch ein Prozent der Personalkosten übernehmen. Zuvor waren es noch zwischen fünf und 15 Prozent gewesen. ​

Kritik an Kirchen: „Nicht angemessen, sondern unanständig“​

Die Kirchen hätten die Hoheit über das Personal, die Organisation und das pädagogische Konzept, aber ließen sich zugleich so viel Geld aus öffentlichen Haushalten finanzieren, kritisiert auch Zehren. Das sei “nicht angemessen, sondern unanständig und meiner Meinung nach auch rechtswidrig„, so der Ex-Kämmerer.

Das Trierer Bistum hält dagegen: Die Kirchen würden sich auch an den Sachkosten beteiligen und müssten zudem die Verwaltungskosten wie auch die “pastorale Begleitung„ der Kitas bezahlen, sagt eine Sprecherin zur Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Demnach zahlt das Bistum für die 324 Kitas im rheinland-pfälzischen Teil in diesem Jahr nach eigenen Angaben etwa 30 Millionen Euro. ​

Ziehen sich die Kirchen aus den Kitas zurück?​

“Wenn zwei Arme am Tisch sitzen, wird keiner reich", kommentiert Karl-Heinz Frieden die Vereinbarung. Als Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebunds im Land war er an den Verhandlungen beteiligt. Ein noch größeres Problem als die aktuelle Nachzahlung dürfte allerdings die zukünftige Kita-Finanzierung werden.

Weil die Vereinbarung nur bis Ende 2024 gilt, müssen sich Kirchen und Kommunen bald schon wieder an einen Tisch setzen und verhandeln. In gut informierten Kreisen geht man dann von noch höheren Forderungen aus. Oder davon, dass sich die Kirchen womöglich bald Schritt für Schritt von den Kitas verabschieden könnten. ​

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