Gerüstet für die Zeitenwende
Made in Nassau: Lausberg geht auf Nummer sicher
Marc Phillip Lausberg-Gajdosik führt die Firma Lausberg mittlerweile in der vierten Generation. In Nassau werden unter anderem Holzkisten für Waffen und Munition produziert.
Dirk Eberz

Mit Bollerwagen und Persilknüppeln ging’s 1941 bei Lausberg los. Mittlerweile beliefert der Nassauer Familienbetrieb die Bundeswehr mit Kisten und Behältern für Waffen und Munition. In der Branche herrscht Goldgräberstimmung.

Marc Phillip Lausberg-Gajdosik klopft auf Holz. Auf den ersten Blick ist es nur eine normale Kiste. Doch der Schein trügt. Denn der Inhalt ist hoch explosiv. „Da kommt eine Panzerfaust rein“, sagt der 37-Jährige. „Alles handgefertigt.“ Auftraggeber ist die Firma Dynamit Nobel Defense in Burbach. Die Kiste rechts daneben ist noch größer und länger. „Die ist für Lenkflugkörper“, sagt Lausberg-Gajdosik und wuchtet einen schweren Raketen-Dummie aus Holz vor seine Füße. Der muss da irgendwie reinpassen. „Es gibt in Deutschland fast kein größeres Defense-Unternehmen, das nicht zu unserem Kundenkreis gehört“, betont der Geschäftsführer des Familienbetriebs Lausberg in Nassau. Vom Rüstungskonzern Rheinmetall über den Produzenten von Luftverteidigungssystemen MBDA Deutschland bis zur Panzerschmiede Krauss-Maffei.

An der Lahn wird so ziemlich alles verpackt, was im schlimmsten Fall in die Luft gehen könnte. Raketen, Granaten, Maschinengewehrpatronen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen, die das Koblenzer Beschaffungsamt an die Sicherheitsvorkehrungen stellt. Vor jeder Zulassung wird deshalb so einiges mit den Kisten angestellt. „Sie werden etwa mit Salznebel beschossen“, erklärt der Unternehmer. Zudem müssen sie Temperaturen von plus 75 bis minus 50 Grad aushalten. „Dazu werden sie schockgefroren.“ Vor allem aber müssen sie theoretisch vom Laster fallen können, ohne zu explodieren. Auch das wird akribisch getestet. Zehn Jahre müssen die Kisten halten. „Aber auch 30 Jahre sind für uns kein Problem“, betont der Chef.

Bei Lausberg ist Handarbeit gefragt. 55 Konstrukteure, Schreiner und Holzmechaniker produzieren maßgeschneiderte Kisten für die Bundeswehr.
Dirk Eberz

Manchmal sind es Details, die dem Laien gar nicht auffallen, die jede Kiste zum Unikat machen. Lausberg-Gajdosik zeigt auf eine Sicherheitsschraube. „Die sind mit keinem Werkzeug zu lösen“, erklärt er und fährt stolz mit dem Finger über die Signatur „LG“. Made in Nassau. Die Firma Lausberg besetzt eine kleine Nische, die noch vor wenigen Jahren mit einem gewissen Schmuddelimage behaftet war. Das ist seit der Zeitenwende Geschichte. „Wir stehen Gewehr bei Fuß“, sagt der 37-Jährige. „Im wahrsten Sinne des Wortes.“ Den Markt teilen sich die Nassauer in Deutschland mit nur einem großen Mitbewerber aus Bayern.

Doch mit dem Milliardensegen aus dem Sondervermögen drängen immer mehr Unternehmen in den lukrativen Rüstungsmarkt. „Im Moment will jeder auf den Zug aufspringen“, ärgert sich Lausberg-Gajdosik. Das dürfe auf keinen Fall auf Kosten der Qualität gehen. „Wir dürfen die Standards nicht senken.“ In dem Punkt verteidigt er ausdrücklich die strengen Vorschriften des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz. Die viel zitierte Goldrandlösung. Etliche Quereinsteiger in die Branche seien daran schon gescheitert. „Ich habe schon einige kommen und gehen sehen“, betont er.

Maßanfertigung für Lenkflugkörper: Lausberg in Nassau ist auf Gefahrgutverpackungen spezialisiert. Die Holz-Dummies dienen der Firma als Vorlage.
Dirk Eberz

Denn Kiste ist nun mal nicht gleich Kiste. Die berüchtigten „Technischen Leistungsbeschreibungen“ aus Koblenz sind ein Fall für sprachwissenschaftliche Feinschmecker. „Das ist eine Bibellektüre“, scherzt der Unternehmer und grinst. „Ich habe allein drei Leute, die nur TLs lesen.“ Einer davon sitzt gerade im Büro und klickt eine der Leistungsbeschreibungen am Computer an. „Die ist noch recht einfach“, betont der Chef. „Nur knapp zehn Seiten.“ Über den Bildschirm flimmert eine Liste aus Zahlen, Abkürzungen und Fachchinesisch, die sich nur Experten erschließt.

Bis zu vier Jahre dauert es, bis eine der standardisierten Munitionskisten zugelassen ist und in Serie gehen kann. Beim Beschaffungsamt neigt man bekanntlich nicht zum Aktionismus. Manchmal werden die TLs drei, vier Mal pro Jahr geändert. Sogar die Farbbeschichtung ist bis aufs „My“ vorgegeben. „Selbst für Filz gibt es eine eigene TL“, sagt der 37-Jährige und lacht. Wer da nicht aufpasst, ist schnell raus aus dem Markt. In Nassau hat man sich da über die Jahrzehnte einen klaren Wettbewerbsvorteil erarbeitet. „Wir können alles bis zu fünf Tonnen verpacken“, erklärt Lausberg-Gajdosik, der die Geschäftsführung 2018 von seiner Mutter übernommen hat. Immer in Holz. Metallkisten überlässt er der Konkurrenz.

Noch steht in der dritten Werkshalle das Boot des Unternehmenschefs. Schon bald soll auch hier der Betrieb aufgenommen werden.
Dirk Eberz

Das Brot-und-Butter-Geschäft der Firma, die im Zweiten Weltkrieg mit dem Bau von Bollerwagen und Persilknüppeln begonnen hat, sind immer noch Kisten für Kleinkalibermunition. Das ist kein Zufall. Direkt nebenan in der Elisenhütte sitzt der deutsche Marktführer MEN, der jedes Jahr Millionen Patronen für Bundeswehr und Landespolizeien produziert. Aber es kommen natürlich auch immer wieder neue Aufträge rein. Mitunter sind die Bestellungen höchst kurios.

Zuletzt mussten sie in Nassau einen Transportbehälter für die vier Tonnen schweren Panzermotoren des Leopard 2 austüfteln. Das ist auch für die Spezialisten an der Lahn eine echte Herausforderung. Der Chef zeigt ein Foto. Die Riesenkiste passte am Ende kaum durchs Werkstor durch. Die Innenausstattung, die sie bei Lausberg Inlay nennen, musste maßgeschneidert auf die Ausmaße des Motors abgestimmt werden. Für die 55 Konstrukteure, Holzmechaniker und Schreiner kein Problem. „Das sind alles geschulte Leute, die Sie nicht einfach so ersetzen können“, betont der 37-Jährige.

„Es gibt einen enormen Nachholbedarf. Im Moment stopfen wir nur die Löcher.“
Marc Phillip Lausberg-Gajdosik

Transport- und Lagerbehälter, sogenannte Tulbs, sind neben den Gefahrgutkisten das zweite Standbein der Nassauer. Viele davon gehen gerade in die Ukraine. Aber auch die Bundeswehr füllt die zusammengeschrumpften Arsenale wieder auf. „Es gibt einen enormen Nachholbedarf“, betont Lausberg-Gajdosik. „Im Moment stopfen wir nur die Löcher.“ Auch Artilleriegranaten werden jetzt verstärkt in Nassau sicher verpackt.

An der Lahn sieht man sich bestens gerüstet. „Wir können den Bedarf decken. Im Gewerbe nennt man uns die Feuerwehr“, sagt der 37-Jährige und führt uns in die dritte Werkhalle, die er vor wenigen Jahren für 650.000 Euro gebaut hat. „Noch steht da mein Boot drin“, sagt er. Zudem wird der Raum als Lager genutzt. Noch. Denn bald will er hier loslegen und die Produktion weiter deutlich hochfahren. „Von Stückzahl 1 bis 100.000 können wir alles liefern.“

Marc Phillip Lausberg-Gajdosik hat die Firma Lausberg 2018 übernommen. In der Zeitenwende hofft er auf neue Aufträge der Bundeswehr aus dem Sondervermögen.
Lausberg

Wenn denn die Aufträge endlich mal reinkommen. Bisher hat er noch nicht viel aus den Milliardentöpfen abbekommen. „Bei uns sind noch keine Bestellungen eingegangen“, klagt Lausberg-Gajdosik. Das deutsche Beschaffungswesen ist eben ein Marathon. „Wir haben keinen Forecast“, ärgert sich der Unternehmer. „Wir haben Jahr für Jahr Ungewissheit.“ Das mache eine langfristige Planung schwierig. Das dürfte sich nun ändern, nachdem die Bundesregierung bei den Militärausgaben das ganz große Fass aufgemacht hat. Sicherheitspolitik auf Pump.

Ein Problem bleibt allerdings. Das Beschaffungsamt schreibe Munitionskisten und Transportbehälter nicht mehr wie früher gesondert aus, sondern als Komplettpaket bei den Rüstungsunternehmen. „Die Kisten könnten sich so verteuern“, beklagt der 37-Jährige. Und da alle Aufträge europaweit ausgeschrieben würden, hapere es manchmal auch an der Qualität, da die Standards in anderen Ländern mitunter niedriger seien.

Doch für den Fall, dass sich das Füllhorn dann doch irgendwann über die Firma Lausberg ergießen sollte, sind die Nassauer vorbereitet. Noch arbeite man an der Lahn in zwei Schichten. Man könne aber jederzeit auf drei hochfahren. Und auch das Arbeitsmaterial ist schon da. „Wir kaufen gerade in Millionenhöhe Hölzer ein“, erklärt Lausberg-Gajdosik. „Wir arbeiten mit zwei Sägewerken zusammen, die nur für uns sägen.“ Die sitzen übrigens im Ausland. „Die deutschen Hölzer können wir nicht verwenden“, erklärt er. Denn sie erfüllen nicht die hohen Anforderungen. Das Holz müsse etwa astfrei und ohne Rindeneinschlüsse sein. „Und von dem, was wir bekommen, sortieren wir noch mal 30, 40 Prozent aus.“

Familienbetrieb in vierter Generation

Marc Phillip Lausberg-Gajdosik führt den Familienbetrieb in der vierten Generation. Nach seinem Studium des International Business Managements stieg der heute 37-Jährige 2013 in die Firma ein und übernahm 2018 die Geschäftsführung. Schwerpunkt des Unternehmens sind Gefahrgutverpackungen aus Holz sowie Transport- und Lagerbehälter. Produziert wird ausschließlich in Deutschland. Die Firma Lausberg GmbH & Co. KG aus Nassau wurde 1941 gegründet. Mit rund 55 Mitarbeitern entwickelt und fertigt Lausberg individuelle Holzkisten und Systemlösungen für sensible Transportgüter wie Munition, Raketen, Elektronik oder Spezialwerkzeuge. Jedes Produkt entsteht nach Kundenvorgaben – vom Einzelstück bis zur Serie. Gefertigt wird mit nachhaltig zertifiziertem Holz aus legaler Forstwirtschaft.

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