Die Bahn hält das Mittelrheintal im Klammergriff, schon jetzt ist der Krach durch unzählige Züge schwer erträglich. Durch die kürzlich vorgestellte Generalsanierung der rechtsrheinischen Strecke 2026 könnte es noch schlimmer werden, befürchten Bürgerinitiativen wie Pro Rheintal. Abhilfe könnte die seit Langem geforderte Alternativtrasse für Güterzüge schaffen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hält weiter an diesen Plänen fest, sagte er kürzlich im Interview mit unserer Zeitung. Den beiden heimischen CDU-Bundestagsabgeordneten Josef Oster und Erwin Rüddel ist das zu wenig. Sie fordern ein klares Bekenntnis von Wissing – und wollen rasch konkrete Planungsschritte sehen.
„Was ich Volker Wissing vorwerfe, ist, dass er sich noch als Landesverkehrsminister hat feiern lassen für sein angebliches Engagement für die Anwohner am Mittelrhein. Aber jetzt sagt er nicht, wie es weitergehen soll. Da kommt nur heiße Luft. Er müsste sich klar positionieren: Wird die Alternativtrasse nun beerdigt, oder gibt es den politischen Willen, dass sie umgesetzt wird? Dann soll er bitte die nächsten konkreten Schritte benennen“, sagt Josef Oster, der den Wahlkreis Koblenz in Berlin vertritt, beim gemeinsamen Gespräch mit Erwin Rüddel (Wahlkreis Neuwied) mit unserer Redaktion.
Was hinter dem Schlagwort „Alternativtrasse“ steckt
Überlegungen für eine solche Alternativtrasse durch Westerwald und Taunus gibt es seit Jahren – ebenso lang aber auch Zweifel an der Umsetzbarkeit. Klar ist: Es würde sich um ein gigantisches Infrastrukturprojekt handeln, mit langen Planungsvorläufen und immensen Kosten. Eine kürzlich vorgestellte Machbarkeitsstudie des Bundesverkehrsministeriums kam zu ernüchternden Ergebnissen – die darin berechnete Kosten-Nutzen-Abwägung wäre selbst bei den günstigsten Varianten miserabel (wir berichteten mehrfach). Das Todesurteil für die Trassenpläne? Nein – sagt zumindest Volker Wissing. „Wir wollen eine Lösung für das Mittelrheintal und halten darum an der Suche nach einer Alternative fest“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Und auch die beiden CDU-MdBs wollen es nicht darauf beruhen lassen, ebenso wie Bahnlärmaktivisten am Rhein.
„Aus unserer Sicht wäre der drängende nächste Schritt zunächst die Entscheidung für eine der in der Machbarkeitsstudie untersuchten Varianten – in Abstimmung mit den Ländern. Diese Diskussion muss jetzt stattfinden. Dann müssten konkrete nächste Planungsschritte folgen“, fordert Oster, der ebenso wie Rüddel deutlich macht, dass aus ihrer Sicht nur eine der in der Studie untersuchten Varianten infrage kommt: die lange Variante, eine angedachte Tunnellösung von Wiesbaden bis Sankt Augustin, die wirklich das gesamte Tal entlastet und nicht nur den Welterbe-Teil südlich von Koblenz. „Jede andere Variante bringt für Teile des Tals eher noch mehr Belastung“, meint Oster.
Mehr Züge im Tal nach der Generalsanierung 2026?
Anlass für die beiden Abgeordneten, das Thema nun mit Nachdruck aufzuwerfen, ist auch die umfangreiche Generalsanierung „Rechter Rhein“ – die Bahn hat kürzlich ihre Pläne für diese umfassende Ertüchtigungsmaßnahme vorgestellt, die im zweiten Halbjahr 2026 unter Vollsperrung erfolgen soll. 2028 soll dann die linke Rheinseite folgen.
Wie passen diese Pläne zu Überlegungen für eine Alternativtrasse? „Die Generalsanierung ist Pflicht, um Deutschland wieder eine solide Bestandsinfrastruktur zu geben. Dazu steht 2026 auch der Korridor ‚Rechter Rhein‘ auf dem Plan. Über einen perspektivischen Ausbau der Infrastruktur im Sinne einer Alternativtrasse wird die Bundesregierung entscheiden und hat dazu bereits Studien erstellt“, erklärt dazu Klaus Vornhusen, Konzernbevollmächtigter der Bahn für die Region auf Anfrage unserer Zeitung.
Die Generalsanierungspläne lassen derweil bei Bürgerinitiativen die Alarmglocken läuten, Kapazitätssteigerungen werden befürchtet. Pro Rheintal beispielsweise sieht entsprechend noch mehr Lärm auf das geplagte Tal zukommen. Die Initiative spricht in einer aktuellen Mitteilung vom „Supergau“. Pro-Rheintal-Sprecher Frank Gross sagt auch: „Die Menschen im Rheintal und Rheingau sollten sich klarmachen, dass mit dieser Generalsanierung eine Alternativstrecke endgültig vom Tisch ist.“
Öffnet Generalsanierung ein Fenster für die Alternativtrasse?
Diesem Pessimismus wollen sich Oster und Rüddel nicht anschließen – im Gegenteil. Sie plädieren dafür, die Planung explizit mit konkreten Schritten für die Alternativtrasse zu verknüpfen. Oster: „Das Thema muss jetzt diskutiert werden – eben wegen der Debatte um die Hochleistungskorridore. Jetzt ist das Zeitfenster offen. Und wir sind auch zuversichtlich, dass wir die Diskussion zu einem positiven Ende führen können. Wir müssen mehr in Infrastrukturprojekte investieren. Ein solches ist die Alternativtrasse – und auch umweltpolitisch sinnvoll.“ Rüddel ergänzt: „Uns ist natürlich klar, dass die Trasse ein sehr langfristiges Projekt ist. Ich denke, wir sprechen hier über Jahrzehnte. Aber: Die Zeit spricht eindeutig für die Alternativtrasse.“
Zu diesem Zweck wollen die beiden Abgeordneten die fraktionsübergreifende Parlamentariergruppe zum Thema Bahnlärm reaktivieren – Rüddel hatte sie in den vergangenen Jahren maßgeblich vorangetrieben, in der aktuellen Legislaturperiode ist die Arbeit allerdings eingeschlafen – zum Bedauern Rüddels: „Die Gruppe war in den vergangenen Wahlperioden sehr erfolgreich. So ist es uns unter anderem gelungen, den Umstieg von lauten Stahl- auf leisere Kunststoffbremsen bei Güterwaggons gesetzlich zu verankern. Durch diese sogenannten Flüsterbremsen wurde der Bahnlärm halbiert.“
So soll die Parlamentariergruppe reaktiviert werden
Oster findet: „In den vergangenen Wahlperioden hatte das Thema Bahnlärm einen viel höheren Stellenwert im Bundestag – das lag natürlich auch an der Parlamentariergruppe. Seit deren Ende passiert leider gar nichts mehr. Das wollen wir ändern, deshalb wollen wir einen Neustart.“ Dieser soll nach Vorstellung der beiden mit einer Veranstaltung erfolgen, an der auch andere Akteure dabei sind, die Bahn natürlich, auch die privaten Halter von Güterwagen. “Und auch Railwatch, die sehr viele Daten sammeln und sehr genau sagen können, wo der Lärm entsteht, etwa durch welche Waggons„, so Rüddel.
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Auch das Thema Alternativtrasse sei in den vergangenen Wahlperioden bis 2021 entscheidend nach vorn gebracht worden – dass sie überhaupt im Bundesverkehrswegeplan, dem wichtigsten Instrument der Verkehrsinfrastrukturplanung des Bundes, erwähnt wird, wenn auch bislang nur im “weiteren Bedarf„ und nicht im “vordringlichen„, sei schon erstaunlich. “Die Machbarkeitsstudie, die Wissing veröffentlicht hat, geht ja auf seinen Vorgänger zurück. Wissing hat lediglich die Ergebnisse vorgestellt – und seitdem hat er das Projekt nicht entscheidend vorangebracht„, kritisiert Oster.
Rüddel ergänzt: „Auch deshalb steigen wir jetzt wieder ein in die Arbeit der Parlamentariergruppe. Der Druck in Sachen Bahnlärm wächst – bundesweit, auch aus den Bürgerinitiativen. Angesichts der Hochleistungskorridore wächst zudem die Nervosität in den Kommunen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis gegen die Planungen der Generalsanierungen und die damit verbundenen Kapazitätssteigerungen geklagt wird.“
„Es braucht den politischen Willen“
Die Trasse könnte der Ausweg sein – wenn die Planung denn glaubhaft weiterverfolgt wird und nicht nur als Alibi-Vision am Horizont gezeichnet wird. „Es braucht den politischen Willen, um die Trasse umzusetzen – jenseits einer kalten Kosten-Nutzen-Rechnung“, findet Oster. "In eine echte Kalkulation gehört ja noch viel mehr – nehmen wir Sicherheitsaspekte. Andere Länder machen uns vor, wie sinnvoll es sein kann, Personen- von Güterverkehr zu trennen. Konkret auf das Mittelrheintal bezogen: Wenn wir die Güterzüge da dauerhaft rausnehmen – da entstehen ganz andere Möglichkeiten.“
Ab Juli 2026 verwandelt sich das gesamte Mittelrheintal in eine gigantische Baustelle: In einem fünfmonatigen Kraftakt modernisiert die Bahn ihre komplette Strecke auf der rechten Rheinseite - unter Vollsperrung.Bahn sperrt 2026 Strecke auf rechter Rheinseite für fünf Monate: Was über die Mammutbaustelle bekannt ist
Sollten diese Aussichten nicht auch bei der rheinland-pfälzischen Landesregierung entsprechende Energien freisetzen? Oster winkt ab: „Auf deren Unterstützung will ich dabei gar nicht setzen – eine Ampel kratzt der anderen Ampel kein Auge aus. Und welch geringen Stellenwert das Mittelrheintal bei dieser Landesregierung hat, sehen wir doch auch an anderer Stelle – etwa bei der Mittelrheinbrücke. Da steht das Land doch auch nur auf der Bremse.“