Die Debatte um die Ausgangssperren hat zwei Seiten: eine epidemologische und eine juristische. Beide sind eng miteinander verknüpft. Die epidemologische Frage lautet: Hilft die Ausgangssperre gegen die Verbreitung des Virus und wenn ja: wie sehr? Die Ausgehverbote können den R-Wert senken. Doch selbst eine Studie aus Oxford, die verschiedene Länder vergleicht, legt sich nur vorsichtig fest. Neben den sehr unterschiedlichen Ausgangssperren haben andere Staaten (und einige deutsche Länder) auch unterschiedliche andere Maßnahmen ergriffen. Ein gewisser Nutzen ist aber nicht zu bestreiten.
Die juristische Frage muss nun lauten: Rechtfertigt dieser Nutzen die Einschränkung elementarer Grundrechte? Das Verwaltungsgericht Mainz wirft der Landesregierung in seinem Beschluss vor, dass sie sich diese Frage nicht einmal gestellt hat. Im Kanzleramt beantwortete eine Rechtsexpertin sie mit Nein. Die Opposition ebenfalls. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hegt ebenfalls Zweifel an der Verfassungskonformität. Merkel und ihr Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wissen das, wollen das Gesetz aber trotzdem verabschieden. Das ist dreist und gefährlich – in vielerlei Hinsicht.
Wer eine Ausgangssperre will, muss sie rechtssicher gestalten. Mehrere Gerichte haben darauf hingewiesen, dass sie grundsätzlich („ultima ratio“) möglich ist. Wer diese Einwände hemdsärmlig ignoriert, gefährdet das Vertrauen in den Rechtsstaat und steht am Ende – wie die Stadt Mainz – ohne zusätzliche Regeln da, während die Inzidenzen steigen und steigen. Das taten sie am Rhein im Übrigen trotz des nächtlichen Arrests. Womöglich verkämpfen sich Merkel und Spahn deshalb gar für ein völlig unzureichendes Instrument.