Es hat etwas Beschämendes, dass es einer Stellungnahme des Deutschen Ethikrates bedarf, um die Politik auf die schon lange bekannte Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen in den Megakrisen dieser Zeit hinzuweisen. Die Worte der Ethikrat-Vorsitzenden Alena Buyx lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und können eigentlich auf all jene übertragen werden, die seit Jahren in vielen Krisen schlicht vergessen werden.
Wir danken den Kindern und Jugendlichen dafür, dass sie sich in der Pandemie so eingeschränkt, auf Treffen mit ihren Freunden verzichtet, sich zu Hause mit den gleichzeitig im Homeoffice arbeitenden Eltern arrangiert haben. Wir klatschen in der Pandemie für die Ärzte und Pflegekräfte, die bis heute über ihre Grenzen buckeln. Doch sobald es darum geht, wer sich in der nächsten Krise einschränken muss, dann trifft es wieder die Menschen ohne Lobby: Kinder, Studenten, Pflegekräfte.
Die Zahl verletzter Seelen steigt in diesen Krisenzeiten dramatisch
Diese Haltung ist kurzsichtig, geschichtsvergessen und könnte letztlich zum Bumerang für die ganze Gesellschaft werden. Denn die junge Generation und die sogenannten helfenden Berufe sind und werden künftig noch viel mehr die Stützen einer alternden Gesellschaft sein. Doch ausgerechnet die Generation, die sich wie keine zuvor seit 1945 von einer Häufung existenzieller Krisen bedroht sieht, lassen wir in starkem Maße allein mit ihren Sorgen. Nicht jede junge Seele braucht akute Hilfe, doch die Zahl verletzter Seelen steigt in diesen Krisenzeiten dramatisch.
Während die Politik bereitwillig Milliarden zur Stützung von kriselnden Unternehmen und von Inflation geplagten Bürgern ausschüttet, verhält sie sich bei der Schaffung zusätzlicher Therapeutenplätze für Kinder und Jugendlich kleinlich, genauso wie bei der Bezahlung helfender Berufe, zu denen beileibe nicht nur Pflegekräfte gehören.
Nur ein Vorgeschmack auf die Klimakrise
So raubt sich unsere Gesellschaft Stück für Stück das Fundament ihrer Zukunft, zumal die derzeitigen Verwerfungen erst ein Vorgeschmack auf die Klimakrise sind, deren Folgen vor allem wieder die heutigen Kinder und Jugendlichen zu tragen haben. Doch wir Älteren sollten uns keiner Illusionen hingeben. Selbst wenn wir künftig die große Mehrheit dieser Gesellschaft bilden werden – gestaltet wird dieses Land von den heutigen Kindern und Jugendlichen.
Und wer ihnen zuhört, der begreift, dass unsere künftige Welt eine andere sein wird, sein muss. Die wenigen, die heute oft ohne Lobby sind, werden das Leben der Mehrheit deutlich mehr prägen, als wir uns das heute vorstellen können. Höchste Zeit also für einen neuen Gesellschaftsvertrag, der Alt und Jung nicht gegeneinander ausspielt, sondern beiden Gehör verschafft.
E-Mail: christian.kunst@rhein-zeitung.net