Von unserer Redakteurin Ursula Samary
Nach jahrelangen Ermittlungen erklärt Leitender Oberstaatsanwalt Harald Kruse nun: „Das Verfahren ist eingestellt worden, weil man eine Wahlfälschung im Zusammenhang mit einer Kammerwahl aus Rechtsgründen nicht begehen kann.“
Hintergrund des komplizierten Falls: Seit Ende 2010 steht der Verdacht im Raum, dass Podzun die Wahlen zur Vollversammlung 2010 manipuliert haben könnte, um den für ihn unbequemen Präsidenten Manfred Sattler zu verhindern. Es wurden Auffälligkeiten auf Stimmzetteln festgestellt, zudem waren Reservestimmzettel verschwunden.
Seit einer Strafanzeige der IHK wegen Urkundenfälschung von Anfang 2011 „gegen Unbekannt“ beschäftigt die Staatsanwaltschaft Koblenz der Fall, seit August 2012 auch mit dem „Anfangsverdacht gegen einen bestimmten Tatverdächtigen“. Doch nach jahrelangen Ermittlungen und der Untersuchung von Hunderten Stimmzetteln im Landeskriminalamt kommt Kruse mit seiner Behörde jetzt überraschend zur Erkenntnis: Nach Paragraf 108d des Strafgesetzbuchs „gilt der Straftatbestand der Wahrfälschung nur für Wahlen zu Volksvertretungen, für das europäische Parlament, für sonstige Wahlen des Volkes im Bund, in den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie für Urwahlen in der Sozialversicherung. Kammerwahlen sind nicht erwähnt, so dass für sie der Tatbestand der Wahlfälschung nicht gilt.“
Auch für Urkundenfälschung fehle die Voraussetzung. Der Grund für Kruse: „Weil bei der Kammerwahl die tatsächlichen Wähler – anders als zum Beispiel bei der Briefwahl zum Parlament – nicht registriert werden.“ Bei der Briefwahl zum Bundes- oder Stadtrat muss der Wähler dem Wahlleiter neben dem Stimmzettel auch eine Erklärung fürs Wählerverzeichnis zusenden, dass er gewählt hat. Dies „geschieht in der Kammerwahl offenbar nicht“. Kruses Fazit lautet deshalb: Am Ende kam es nicht mehr darauf an, „ob und gegebenenfalls von wem tatsächlich Stimmzettel verfälscht worden sind, da im Rechtssinn mangels Bezug der abgegebenen Stimmzettel zu einem Wählerverzeichnis und damit auch zu konkreten Wählern ein Aussteller der Wahlzettel nicht erkennbar war“. Damit liege rechtlich auch keine Urkundenfälschung vor.
Ist es also vergebliche Mühe, eine Fälschung bei einer Kammerwahl nachzuweisen, weil es die rein rechtlich eigentlich sowieso nicht gibt? Anwälte der IHK bemühen sich jetzt um Akteneinsicht, um diese Frage rechtlich abzuklopfen, wie der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Bertram Weirich sagt. Erst danach prüft die IHK, ob sie erneut Beschwerde einlegt. Anders als von der Staatsanwaltschaft angenommen, gebe es sehr wohl ein Wählerverzeichnis.
Erste Ermittlungen waren bereits im Dezember 2011 eingestellt worden, weil „kein Täter nachzuweisen war“, wie damals die Staatsanwaltschaft Koblenz sagte. Der damalige Generalstaatsanwalt Erich Jung ordnete nach einer Beschwerde der IHK aber 2012 aber weitere Ermittlungen wegen Urkundenfälschung an.
Podzun, der Ende 2010 die IHK verließ und im April wegen Untreue und Steuerhinterziehung von 52 500 Euro (noch nicht rechtskräftig) verurteilt wurde, freut sich über den „kleinen Freispruch“ der Staatsanwaltschaft, „zum zweiten Mal“. Er hoffe, dass die Kammer „kein weiteres Geld ausgibt“, um gegen ihn „den Vernichtungsfeldzug fortzusetzen“.