Es sind die kleinen Vorboten des großen, wilden Wolfes. Verspielt, tapsig und flauschig sind die sechs kleinen Wolfswelpen, die im Wildfreigehege Wildenburg in Kempfeld (Kreis Birkenfeld) in einer Holzhütte über die Matratze toben. Ruhe kehrt erst ein, nachdem Tierpflegerinnen Luise Reis (28) und Gabi Hefner (36) die kleinen europäischen Grauwölfe der Reihe nach mit Milchfläschchen gefüttert haben.
In ein paar Monaten werden sie zu einem Rudel herangewachsen sein. Vier von ihnen ziehen dann in ein neues Wolfsgehege, das zum Start des Nationalparks Hunsrück-Hochwald an Pfingsten an der Wildenburg eröffnet wurde. «Der europäische Wolf gehört in unsere Wälder hier und wird auch eines Tages wiederkommen», sagt Reis. «Wir wollen zeigen, dass der Wolf keine reißerische Bestie ist – und Besuchern die Angst „vorm bösen Wolf“ nehmen», sagt sie. Der letzte Hunsrücker Wolf soll vor rund 135 Jahren am Erbeskopf erschossen worden sein.
In den Wäldern von Rheinland-Pfalz wird mit einer baldigen Rückkehr des Wolfes gerechnet. Dazu hat das Land bereits einen Leitfaden aufgelegt, einen «Wolfsmanagementplan», und sieht das Wolf-Comeback als Bereicherung der Artenvielfalt.
Laut Experten der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz im pfälzischen Trippstadt ist es theoretisch möglich, dass der Wolf sogar schon da ist, aber noch nicht gesichtet wurde. Im Osten Deutschlands ist der Wolf schon länger wieder heimisch. Bundesweit soll es derzeit rund 30 Wolfsrudel mit rund 300 Tieren geben.
Bis zum Einzug der handaufgezogenen Wolfskinder ins Gehege ist es aber noch viel Arbeit. Die noch keine vier Wochen alten Neuankömmlinge werden rund um die Uhr betreut. «Es ist wie bei Menschenmüttern mit Sechslingen: Anstrengend, nervenaufreibend und absolut glückbringend», sagt Reis, die nachts mit Kollegin Hefner und den Welpen zusammen in einem mit Holzplatten abgesperrten Bereich auf Matratzen schläft. «Die Wölfe liegen kreuz und quer auf einem herum», sagt Hefner.
Die Nähe und die Handaufzucht haben ihren Sinn: «Wir wollen die Welpen über den engen Kontakt an die Menschen gewöhnen. Damit sie später keine Scheu haben und stressfrei leben können.» Denn später im Gehege werden sie täglich von Menschen umgeben sein. Ins Wildfreigehege, zu dem auch ein Wildkatzenzentrum gehört, kamen 2014 rund 22 000 Besucher. Als künftiges Nationalparktor erhofft man sich mehr Gäste.
Zum 13-köpfigen Wolf-Aufzuchtteam gehört auch eine Tierärztin, die ebenfalls eine enge Bindung aufbauen soll. Vermutlich im Spätsommer werden die Wölfe in der knapp ein Hektar großen «Wolfsblut-Wolfslandschaft» einziehen. Dort gibt es auch Rückzugsmöglichkeiten, eine Höhle und einen Sichtschutzwall. Ein Teil der Welpen kam aus Nachzuchten aus einem Tierpark in Thüringen, der andere Teil aus einem in Bayern.
In Zoos und Tierparks sei es üblich, dass Wölfe von Menschen aufgezogen werden, sagt Wolfsexperte Runar Ness aus dem norwegischen Oslo, der schon bei Aufzuchten in den USA, England und Skandinavien mit dabei war. Er begleitet auch die ersten Wochen der Welpen im Hunsrück. «Wölfe sind faszinierende Tiere. Sie sind sehr intelligent und nicht gefährlich für den Menschen.»