Spitzenwerte bei der Wahl
Ist Rheinland-Pfalz jetzt neue AfD-Hochburg?
Jan Bollinger führt seit knapp drei Jahren die rheinland-pfälzische AfD. Seit November 2023 ist er auch deren Fraktionsvorsitzender im Landtag.
Andreas Arnold. picture alliance/dpa

Die AfD ist die deutliche Gewinnerin der Bundestagswahl, sieht sich nun gar als Volkspartei. Warum so viele Menschen in Rheinland-Pfalz blau gewählt haben – und wo genau.

Ein Blick auf die Deutschlandkarte nach Wahlen zeigte bislang eine deutliche Trennung zwischen Osten und Westen. Der Osten ist auch nach der Bundestagswahl wieder tiefblau gefärbt. Nun aber fügen sich erstmals auch blaue Sprenkel in den ansonsten schwarz dominierten Westen ein.

Landesweit erhielt die Partei gut 20 Prozent — Spitzenwert unter den westlichen Bundesländern außer dem Saarland. Das Wahlergebnis hat die AfD mehr als verdoppelt. Warum wählt ein Fünftel der Menschen in Rheinland-Pfalz plötzlich blau?

„Die AfD hat strategisch die Pfalz auserkoren“
Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun

„Die AfD in Rheinland-Pfalz wächst mit dem Bundesschnitt und wird immer mehr zur relevanten Kraft“, konstatiert Uwe Jun. Der Politikwissenschaftler, der eine Professur an der Universität Trier innehat, zeigt sich wenig verwundert über den jüngsten Wahlerfolg der AfD. Die Partei sei vor allem in ländlichen Regionen stark und davon habe Rheinland-Pfalz eben viele. Und: Die AfD habe „strategisch die Pfalz auserkoren, wo sie mit besonderen Aktivitäten Wahlkampf betrieben hat“.

Im Wahlkreis Kaiserslautern etwa gelang der AfD sogar ein Sieg gegen die SPD mit einem Zweitstimmenanteil von knapp 26 Prozent – ein Plus von 13,5 Prozentpunkten. Obwohl er eigentlich aus Mainz stammt, war der rheinland-pfälzische AfD-Spitzenkandidat Sebastian Münzenmaier in Kaiserslautern angetreten. Fast wäre ihm sogar das Direktmandat gelungen. Die Westpfalz ist aber nicht der einzige Hotspot für die AfD im Südwesten. Auch in Birkenfeld, der Vorderpfalz und im nördlichen Teil des Westerwaldes konnte sie punkten.

Bei welchen Wählern die AfD punktet

„Die AfD ist vor allem bei Wählern erfolgreich, die sich selbst als sozial benachteiligt sehen oder es sind“, sagt Jun. Die Partei könne dort punkten, wo Unzufriedenheit und Zukunftsängste besonders groß seien. Das zeigt auch eine erste Analyse des Statistischen Landesamtes. In den Daten sei zu sehen, dass die AfD am besten in strukturschwachen Regionen abgeschnitten habe. Je höher der Anteil Arbeitsloser an der Bevölkerung ist und je mehr Menschen auf soziale Mindestsicherung angewiesen seien, desto besser fielen die Ergebnisse aus, so die Statistiker.

Dasselbe gilt übrigens auch für die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht. „Sozioökonomische Aspekte dürften bei der Wahlentscheidung der Rheinland-Pfälzer somit erneut eine wichtige Rolle gespielt haben“, resümiert das Landesamt.

Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun
Harald Tittel. dpa

Viele Wähler der AfD stört dabei offenbar nicht, dass die Partei vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextrem eingestuft wird. Politikwissenschaftler Jun geht gar davon aus, dass inzwischen mehr als die Hälfte der AfD-Wähler zur „teils erzkonservativen, autoritären und in Teilen rechtsradikalen Wertegemeinschaft“ steht. Der andere Teil wähle die Partei aus Unzufriedenheit, Wut oder Angst.

Der AfD selbst dürften die Gründe egal sein. Bei der Wahlparty am Sonntagabend in Mainz ließen Landeschef Jan Bollinger und Parteifreunde schon mit Eintreffen der 18-Uhr-Prognose die Konfettikanone knallen. Bei keiner anderen rheinland-pfälzischen Partei war der Jubel so groß. Bollinger sieht die AfD als „klaren Wahlsieger“ und: als „Volkspartei“. Ein solches Ergebnis bedeute, „dass wir Millionen Deutsche von unserer Politik überzeugt haben“.

Sieben Abgeordnete schaffen es nach Berlin

In Rheinland-Pfalz reicht das beste Ergebnis in der Geschichte der Partei für sieben Abgeordnete im Bundestag. Damit schaffte auch AfD-Kandidat Jörg Zirwes von der Mosel überraschend den Einzug. Wer tiefer in die Wahlkarte zoomt, erkennt noch mehr Blau als auf den ersten Blick. Die AfD hat sich in gleich fünf Verwaltungsbezirken als stärkste Kraft durchgesetzt — jedes Mal gegen die SPD, die zuvor dort dominierte. Darunter neben Kaiserslautern die drei kreisfreien Städte Ludwigshafen, Pirmasens und Zweibrücken sowie im Landkreis Kusel.

Aus landespolitischer Sicht ist der AfD-Erfolg durchaus überraschend. Erst 2023 hatte sich die Partei auf offener Bühne verkracht. Ex-Parteichef Michael Frisch verließ gemeinsam mit dem Abgeordneten Martin Louis Schmidt erst die Fraktion, dann die Partei. Kurz zuvor hatte Parteichef Bollinger den Trierer Frisch von der Fraktionsspitze gedrängt. „Das Projekt AfD, so wie wir es 2013 aus vielen guten Gründen gestartet haben, ist gescheitert“, konstatierte Frisch. Er war nicht der erste Ex-Vorsitzende, der die AfD krachend verlässt.

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