Rheinland-Pfalz. Das Kraftzentrum bei der Industrie- und Handelskammer Koblenz wird künftig nicht mehr der Hauptgeschäftsführer, sondern das Präsidium und die von den Unternehmen gewählte Vollversammlung sein.
Das kündigte der amtierende IHK-Präsident Manfred Sattler (Wassenach) im Gespräch mit unserer Zeitung an. Der Software-Unternehmer tritt am Mittwoch im „Parlament der Wirtschaft“ wieder zur Wahl als IHK-Präsident an. Er will den grundlegenden Umbau der Kammer fortsetzen.
Nach seinen Worten wird es „intern wie extern eine völlige Abkehr vom System Podzun“ geben. Gemeint ist damit das Wirken von Hans-Jürgen Podzun, der die Kammer bis zu seinem Ausscheiden Ende 2010 als Hauptgeschäftsführer 17 Jahre lang geprägt hatte. Nach Sattlers Worten gab es unter Podzun „lange eine Eigenherrschaft des Hauptamts“. Das wird sich nach seiner Einschätzung ebenso tief greifend wie nachhaltig ändern: „Der Hauptgeschäftsführer hat im zweiten Glied zu stehen. Er ist für den Innenbereich der IHK zuständig. Im ersten Glied stehen das Präsidium und der Präsident. Sie sorgen für die Außenwirkung der Kammer.“
Gute Kennzahlen verstellten Blick
Warum kam es unter Podzun zur Dominanz des Hauptamts? Sattler erklärt dies mit den „positiven Kennzahlen“ der IHK Koblenz, die von Podzun auch in Präsidium und Vollversammlung als „Erfolg vermarktet“ wurden. Sattler wörtlich: „Das hat blind gemacht. Auf den ersten Blick lief alles toll. Zu lange fühlte das Ehrenamt dem Hauptgeschäftsführer nicht auf den Zahn. Und zu lange hat auch keiner im Kammerhaushalt genau genug hingeschaut.“
Neue Wahl strenger abgesichert
Bei der Neuwahl der Vollversammlung im Oktober, die wegen des Verdachts der Wahlfälschung anberaumt werden musste, haben sich die ehrenamtlichen Vertreter der Kammer schon entsprechend eingesetzt. Um diesmal jeden Zweifel an einer Korrektheit der Wahl auszuräumen, übertrug der zuständige Wahlausschuss den Versand der Stimmzettel und die Auszählung komplett einem externen Dienstleister.
Das Ergebnis spricht für sich: Gab es bei der offenbar manipulierten Wahl im November 2010 noch eine ungewöhnlich hohe Beteiligung von 22 Prozent, so stimmten diesmal wieder rund 10 Prozent der 90 000 IHK-Mitglieder ab.
Der Ausgang der jetzigen Wahl gibt Anlass für neue Vermutungen, was mit den rund 10 000 „Reservestimmzetteln“ geschehen sein könnte, die bei der Wahl 2010 aus der Kammerzentrale verschwunden waren. Nach Informationen unserer Zeitung waren bei der damaligen Wahl an zwei Tagen am Anfang und am Ende der Abstimmphase Tausende Stimmzettel für Wahlbezirke im Raum Altenkirchen, Bad Kreuznach und Idar-Oberstein auffälligerweise beim Briefzentrum in Koblenz eingegangen. Am zweiten Tag der Wahl sollen zudem schon 3000 Stimmen eingetroffen sein. Rechnerisch könnte die manipulative Verwendung der 10 000 Reservestimmzettel die auffallend hohe Wahlbeteiligung Ende 2010 erklären.
Sattler betont, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den früheren Hauptgeschäftsführer wegen des Verdachts der Untreue „das Präsidium nicht davon abgehalten haben, in der IHK Koblenz viel zu verändern“. Der Präsident berichtet von einem vom Präsidium angestoßenen intensiven Prozess unter Einbindung der Regionen des Kammerbezirks, der zu einem „Paradigmenwechsel in der Kammer führen wird“. Drei Ziele hebt Sattler dabei hervor: „eine deutlich höhere Transparenz der IHK-Aktivitäten, die bessere Einbindung des Ehrenamtes in den Informationsfluss, die stärkere Mitgestaltung des Ehrenamtes bei Entscheidungen“. Sattler kündigt an, dass die IHK dafür ihre Präsenz in den Regionen steigern wird. Auch soll „das Gewicht der sieben Geschäftsstellen“ in der Fläche des Kammerbezirks gestärkt werden. Das wäre ein weiterer Umbruch im Kammer-System: Bisher war die IHK Koblenz stark auf die dominante Kammerzentrale in Koblenz ausgerichtet.
Kür des Nachfolgers verteidigt
Und wie demokratisch war es, dass noch das 2005 gewählte Präsidium und nicht erst das jetzt am Mittwoch zu bestimmende Präsidium die Suche nach einem neuen Hauptgeschäftsführer eingeleitet und Podzuns Nachfolger auch ausgewählt hat? Sattler weist Kritik an diesem Ablauf, die es nach Informationen unserer Zeitung auch in Unternehmerkreisen gibt, selbstbewusst zurück: „Das amtierende Präsidium und die Vollversammlung, die beide den Mut und die Kompetenz hatten, die Untreue und die Wahlfälschung aufzudecken und selbst ja nicht Bestandteil der illegalen Handlungen waren, hatten ohne jeden Zweifel die Kompetenz, einen neuen Hauptgeschäftsführer einzustellen.“
Sattler hofft, dass der neue Hauptgeschäftsführer Arne Rössel, bislang in dieser Position bei der IHK Trier tätig, sein Amt in Koblenz doch vor dem 1. April 2012 antreten kann.
Von RZ-Chefredakteur Christian Lindner
(weitere Details in der gedruckten Rhein-Zeitung/E-Paper vom 22.11.2011))