Rheinland-Pfalz – Die Industrie- und Handelskammer Koblenz hat nach Informationen unserer Zeitung Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen ihren bisherigen Hauptgeschäftsführer Hans-Jürgen Podzun gestellt. Offenbar sah sich das Präsidium dazu durch das Ergebnis der Untersuchungen der Geschäftsführung Podzuns durch Wirtschaftsprüfer veranlasst, nachdem diese dessen Wirken unter die Lupe genommen hatten.
Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz hatte einer entsprechenden Prüfung am 24. November zugestimmt. Dafür starkgemacht hatte sich das Präsidium der Kammer. Im Raum stehen seither schwere Vorwürfe. So soll Podzun Bauaufträge vergeben haben, die erhebliche Fragen aufwerfen.
Der hauptamtliche Hauptgeschäftsführer gab seinen Posten Anfang Dezember auf. Podzun, der intern wie extern Wirken und Wahrnehmung der Kammer 17 Jahre lang prägte, hatte offenbar realisiert, dass sein Verhältnis zum ehrenamtlichen Präsidium der Kammer zu schlecht geworden war, um seine Tätigkeit fortsetzen zu können.
Mit Spannung erwarten Unternehmer im RZ-Land, Teile der Landespolitik sowie Koblenzer Kreise seither, was die eingeschaltete Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rölfs WP Partner AG sowie die Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft (beide Düsseldorf) bei ihrer Durchleuchtung von Podzuns Geschäftsführung zutage gefördert haben. Der Ergebnisbericht liegt dem Kammerpräsidium mittlerweile vor, wird aber unter Verschluss gehalten.
Die Erkenntnisse und deren rechtliche Bewertung haben das IHK-Präsidium jedoch offenbar dazu veranlasst, die Staatsanwaltschaft Koblenz einzuschalten. Sie soll den Bericht der Prüfer bewerten und weiter ermitteln. Nach Informationen unserer Zeitung belastet der Bericht Podzun schwer. Die Prüfer rieten zudem ausdrücklich zur Strafanzeige.
In einem Schreiben an alle 70 Mitglieder der IHK-Vollversammlung, das unserer Zeitung vorliegt, teilt IHK-Präsident Manfred Sattler nüchtern mit: „Wir haben Strafanzeige gegen Herrn Podzun gestellt. Die weiteren Untersuchungen liegen nun in deren Händen, und wir hoffen, dass die Staatsanwaltschaft zügig und umfänglich aufklären wird, ob die Vorwürfe gerechtfertigt sind oder nicht. Bis zur Klärung der Vorwürfe durch die Staatsanwaltschaft gilt für Herrn Podzun die Unschuldsvermutung.“
Der IHK-Präsident beantwortet in seinem Schreiben an die Mitglieder der Vollversammlung auch einige Fragen zur Aufhebung des Dienstvertrages mit Podzun. Offenbar war unter Kammermitgliedern viel über die Konditionen seines Ausscheidens spekuliert worden – auch vor dem Hintergrund, dass der 61-Jährige einen Vertrag auf Lebenszeit gehabt und ein Jahresgehalt von über 200 000 Euro bezogen haben soll. Sattler teilt dazu mit:
- Der Dienstvertrag mit Podzun wird zum 31. Dezember 2011 beendet.
- Die formale Organschaft als Hauptgeschäftsführer legt Podzun zum 31. März 2011 nieder.
- Podzun wurde vom Präsidium mit sofortiger Wirkung zum 2. Dezember 2010 von der Leistungserbringung sämtlicher Aufgaben gegenüber der IHK Koblenz freigestellt.
- Es wurde keine Abfindung vereinbart.
- In der Aufhebungsvereinbarung ist keine Haftungsfreistellung enthalten.
Abschließend deutet Sattler an, dass die Kammer die Ausrichtung ihres Wirkens teils ändern wird. Der kommissarische Leiter Dr. Edelbert Dold arbeite mit allen Kammer-Beschäftigten daran, „die Aufgaben für die Mitglieder in höchster Qualität zu erbringen“. Aufhorchen lässt die Formulierung: „Natürlich wird es auch die eine oder andere Korrektur hierbei geben.“
Laut Sattler hat das Präsidium bereits „erste Maßnahmen auf den Weg gebracht“, über die in der nächsten Vollversammlung berichtet werden soll. Kammer-Kenner vermuten, dass die IHK etwa ihr Engagement im Weinsektor – nach Podzuns eigenen Worten sein Lieblingsthema – zurückfährt.
Podzun, nach wie vor Präsident der IHK-Tochter Deutsche Wein- und Sommelierschule, zeigte sich im Gespräch mit unserer Zeitung überrascht darüber, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden ist. „Ich kenne den Prüfbericht nicht“, erklärte er.
Er ging bisher davon aus, die erhobenen Vorwürfe ausgeräumt zu haben. Podzun sieht die staatsanwaltlichen Ermittlungen aber auch positiv: „Dann ist die Ermittlung in rechtlich einwandfreien Händen.“
Mehr noch: Podzun begrüßt sogar ausdrücklich, dass „die Ermittlung jetzt von dem erkennbar und ausdrücklich gegen mich agierenden Präsidenten weg ist“. Das untermauert, wie unüberbrückbar der Graben zwischen Podzun und Sattler mittlerweile ist.
Von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erwartet Podzun eine öffentliche Entlastung von allen kursierenden Vorwürfen: „Die Staatsanwaltschaft hat den Auftrag, Be- und Entlastung zu prüfen.“ Podzun verweist darauf, dass er bei allen Rechnungsprüfungen der IHK immer entlastet worden ist. Und er versichert: „Ich habe die Kammer nicht geschädigt.“
Der gemeinsame „Neujahrsempfang der Wirtschaft“ von Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer am Freitag in Ochtendung rückt durch diese Entwicklung in besonderer Weise ins Blickfeld.
Die vielen Besucher werden aufmerksam beobachten, ob und wie der dort lange Jahre überaus präsente Ex-Hauptgeschäftsführer Podzun auftritt – und ob und wie IHK-Präsident Sattler den bundesweit einmaligen Vorgang in seiner Rede im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle thematisiert.
Von unserem Chefredakteur Christian Lindner