Schleiereule Rebhuhn Sperlingskauz Kiebitz Feldsperling Teichhuhn Steinschmätzer Steinkauz
Von unserem Redakteur Daniel Weber
Zwar gibt es in jüngster Zeit auch den einen oder anderen Zuzügler, etwa die Kanada- oder die Nilgans. „Andererseits sind ungleich viele Arten verschwunden, die bei uns jahrhundertelang als Brutvögel heimisch waren, einige von ihnen in dramatisch kurzer Zeit“, sagt Antonius Kunz (Nister), seit mehr als 40 Jahren Mitglied im Arbeitskreis Westerwald der GNOR und Regionalbetreuer bei der bundesweiten Internet-Vogelbeobachtungsplattform www.ornitho.de. „Als Bänker würde man hier wohl allenfalls von einem halbwegs ausgeglichenen Saldo sprechen.“
Die Feldlerche verstummt
Die Ursachen für den Rückgang sind vielfältig – und sie sind in ihrer Entwicklung freilich nicht nur auf den Westerwald beschränkt. 2012 gab das Bundesamt für Naturschutz (BfN) bekannt, dass auf Europas Äckern, Wiesen und Weiden nur noch halb so viele Vögel leben wie vor 30 Jahren. Auf eine Art mit einem wachsenden Bestand kommen vier schrumpfende Arten, zitierten die Experten aus einer EU-weiten Untersuchung von 37 Vogelarten. Allein in Deutschland sind demnach seit 1990 mehr als eine Million Feldlerchen verstummt.
„In einer naturnahen Region wie dem Westerwald macht sich der Schwund besonders bemerkbar“, sagt Kunz. Rund 120 Arten zählen in hiesigen Breiten als regelmäßige Brutvögel, bei gut einem weiteren Dutzend wurde ein Brüten ausnahmsweise registriert. Demgegenüber stehen mindestens 19 ehemals regelmäßig brütende Arten, die heute als ausgestorben gelten, darunter Birkhuhn und Wanderfalke (seit den 1940er-/50er-Jahren), Ziegenmelker, Wiedehopf, Steinschmätzer und Flussuferläufer (60er-/70er-Jahre) sowie Heidelerche, Schafstelze und Wendehals (80er-/90er-Jahre). Die Saatkrähe wurde Ende der 50er-Jahre gar vorsätzlich ausgerottet, berichtet Kunz: „In den meisten Fällen waren es Eingriffe des Menschen in den Lebensraum der Vögel, die ihr Verschwinden bewirkt haben.“
Braunkehlchen Rotmilan Wachtel Feldlerche Bekassine Gartenrotschwanz Rauchschwalbe Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:2013.06.23.-11-Wesenberg-Rauchschwalbe.jpg?uselang=de Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de ) Schwarzstorch
Dies gilt bis heute – wenn auch die Entwicklung inzwischen durch Schutzzonen mitunter etwas abgemildert wird. Beispiel: die Bekassine. Der Vogel des Jahres 2013 hat laut Kunz im Kreis Altenkirchen zwei seiner letzten Brutvorkommen im Naturraum Westerwald – auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz am Stegskopf (Derscher Geschwämm, Quellgebiet Schwarze Nister) sowie im Naturschutzgebiet Weidenbruch bei Elkenroth. „Früher war die Bekassine bei uns richtig heimisch“, erzählt Kunz. Längst jedoch sind die „Himmelsziegen“, wie die Langschnäbel wegen ihrer charakteristischen Meckergeräusche während der kunstvollen Balzflüge oft genannt werden, rar geworden. „Sie werden wohl die nächsten sein, die uns verlassen“, fürchtet Kunz. Der bislang Letzte in der traurigen Reihe war der Raubwürger. „Er ist gewissermaßen vor unseren Augen verschwunden.“
Feuchtwiesen sind verschwunden
Es sind vor allem der Strukturwandel in der Landwirtschaft und die Flurveränderungen, die die heimische Vogelwelt in den vergangenen Jahrzehnten nachhaltig beeinträchtigt haben. Der Bekassine, aber auch Braunkehlchen und Wiesenpieper macht beispielsweise der Verlust geeigneter Brutplätzen zu schaffen: Viele Viehweiden und Feuchtwiesen wurden in Wald- und Ackerland umgewandelt, und auf dem verbliebenen Grünland ist die Bewirtschaftung deutlich intensiver als früher – Entwässerung und starke Düngung machen die Flächen für Wiesenvögel zum Brüten und Rasten ungeeignet, erklärt Kunz. „Alle drei Vogelarten sind in den vergangenen 20 Jahren stark rückläufig.“ Das Rebhuhn, ein ehemals typischer Brutvogel der Feldfluren, ist bereits so gut wie ausgestorben.
Dabei verlief die Entwicklung im Westerwald noch relativ sanft, berichtet der Experte: „Die Landwirtschaft war noch recht lange kleinteilig strukturiert, und es wurde noch lange Heu gemacht.“ Längst hat jedoch die Silagewirtschaft die Oberhand gewonnen – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Vogelwelt: Durch zu frühe Mahd werden Spinnen, Käfer und Raupen vernichtet, die als Nahrung für Bodenbrüter dienen. „Die Flächen wachsen außerdem so früh im Jahr dicht zu, dass die Vögel keine Möglichkeit mehr haben, dort ihr Nest zu bauen“, sagt Kunz, „aus biologischer Sicht ist das fatal.“ Weil zudem immer mehr Mais und Winterraps angebaut werde, gerate selbst ein einstiger „Allerweltsvogel“ wie die Feldlerche unter Druck. Auch die Siedlungen haben ihr Gesicht geändert: Aus den einstigen Bauerndörfern wurden reine Wohnsiedlungen, alte Gebäude und Scheunen wurden abgebrochen – mit ihnen verschwanden Brutplätze und Lebensräume.
Diesen Wandel hat insbesondere die Rauchschwalbe zu spüren bekommen: Sie nistet mit Vorliebe in Ställen, in denen es warm ist und wo sie Insekten im Überfluss findet. Heute gibt es jedoch kaum noch kleinere landwirtschaftliche Einheiten, stattdessen wenige große mit modernen, offenen Kaltställen. Diese werden von den Rauchschwalben gemieden. „Sie mögen den ständigen Durchzug nicht“, erklärt Kunz, „außerdem finden sie dort ja kaum noch Fliegen.“ Die zu reinen Wohngebieten mutierten Dörfer mit ihren Ziergärten und Rasenflächen wurden derweil vom Birkenzeisig neu besiedelt. Auch Ringeltaube und Singdrossel wurden in den vergangenen 25 Jahren zu Brutvögeln der Ortschaften.
Rückkehrer und Neulinge
Manche Arten verschwinden, andere siedeln sich neu an, wiederum andere kehren zurück: Für den Fachmann sind gewisse Zyklen völlig normal, wenngleich der Mensch in der Vergangenheit natürlich stets Einfluss genommen hat – sei es nun gewollt oder ungewollt. Zu den Rückkehrern zählen Schwarzstorch, Uhu und Kolkrabe, freilich sind sie dennoch rar. „Sie waren weg, weil man sie im 19. Jahrhundert rücksichtslos bejagt und ihre Lebensräume gestört hat“, sagt Kunz, „erst 1974 hat man die allgemeine Bejagung von Greifvögeln eingestellt. Seitdem hat sich auch bei Mäusebussarden und Milanen der Bestand stabilisiert.“ Und dann wären da noch die Zugereisten. Vogelexperte Kunz ist überzeugt: „Wenn man sieht, wo Nilgänse und Kanadagänse hier brüten, selbst an Schönungsteichen von Kläranlagen, ja sogar neben kleinen Angelteichen und Campingplätzen, dann muss man sagen: Sie werden sich hier ganz sicher halten.“
Selbiges gilt wohl für den Silberreiher, der seit etwa 2000 vermehrt zu sehen ist – mitunter wird er fälschlicherweise für einen Storch gehalten – und sich seit 2004/05 als Überwinterer etabliert hat. „In nur zehn Jahren haben sich die Silberreiher den Westerwald als Durchzugs- und Überwinterungsgebiet erschlossen“, sagt Kunz, „sie zeigen somit, wie schnell in der Natur tief greifende Änderungen vor sich gehen können.“