Unfälle wegen Smartphones
„Handyblitzer“ schauen Autofahrern genau auf die Finger
So sieht sie aus, die "Monocam". Im Bild steht sie zur Aufzeichnung von Handysündern auf einer Brücke über der A602.
Harald Tittel

Die Sekunden, die es dauert, um auf dem Handy schnell das Lied zu wechseln, reichen aus, um seinen Wagen zu Schrott – wenn nicht gar andere in den Tod zu fahren. Handyblitzer sollen in Rheinland-Pfalz solche Szenarien verhindern. Die Hintergründe.

Handysündern wird auf Straßen in Rheinland-Pfalz bald ganz genau auf die Finger geschaut werden. Denn der Landtag hat für den flächendeckenden Einsatz von sogenannten „Handyblitzern“ den rechtlichen Weg frei gemacht. Wen die sogenannte „Monocam“ am Steuer mit dem Handy ertappt, der muss mit einer Strafe von 100 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen. Sollte man durch das Gefummel am Smartphone gar andere gefährden, kann die Strafe auf bis zu 200 Euro und zwei Punkte ansteigen.

Das Innenministerium erhofft sich vom Einsatz der Geräte einen präventiven Effekt, die fünf Polizeipräsidien im Land sollen je ein solches Modell erhalten. Doch es gibt neben Zustimmung auch Bedenken – etwa beim ADAC Mittelrhein. Beim Thema Datenschutz stellen sich gewisse Fragen. Der Landesbeauftragte indes sieht diese als beantwortet an.

„Die Einführung von Handyblitzern in Rheinland-Pfalz stellt einen wichtigen Schritt bezüglich der Ablenkung am Steuer dar“, sagt Christian Schmidt, Leiter Mobilität und Umwelt beim Automobilclub in Koblenz. Am Ende müsse sich jeder darüber im Klaren sein, dass er oder sie während der Handynutzung „im Blindflug unterwegs ist, sich, die Insassen und Dritte gefährdet“, so Schmidt weiter. „Kurz mal den Daumen hoch am Smartphone dauert rund zwei Sekunden, bei 100 Stundenkilometer legt man hier 55 Meter zurück. Im Stadtverkehr macht dies bei 50 Stundenkilometern 27 Meter aus. In dieser Zeit und vor allem auf dieser Wegstrecke kann viel passieren.“

Ein Polizeihauptkommissar zeigt an einem Monitor ein Dummyfoto einer "Monocam", die zur Aufzeichnung von Handysündern am Steuer in Betrieb ist.
Harald Tittel

Es bleibe abzuwarten, wie effektiv diese neue Technologie in der Praxis sein werde. ADAC-Mann Schmidt erklärt aber: „Die Maßnahme hat jedoch das Potenzial, das Bewusstsein der Autofahrer für die Gefahren der Handynutzung am Steuer zu schärfen und so die Zahl der Verkehrsunfälle langfristig zu senken.“

Gleichwohl sollten auch begleitende Präventionsmaßnahmen wie etwa Aufklärungskampagnen und eine stärkere Kontrolle von Handynutzung im Straßenverkehr nicht vernachlässigt werden. Schmidt ergänzt: „Auch andere Bundesländer beobachten den Versuch in Rheinland-Pfalz aufmerksam. Daher ist es gut möglich, dass die Handy-Überwachung schon bald bundesweit stattfindet. In den Niederlanden ist der neuartige Blitzer bereits regulär in Betrieb.“

„Das Telefonieren oder Verschicken von Textnachrichten gilt als eine der wesentlichen Unfallursachen. Daher ist es wichtig, dass hier stark kontrolliert und entsprechend sanktioniert wird.“
Mirco Hillmann, Leiter Kommunikation und Marketing beim ADAC

Mirco Hillmann ist Leiter Kommunikation und Marketing beim ADAC Mittelrhein. Wer sein Smartphone oder andere elektronische Geräte während der Fahrt benutze, gefährde sich selbst und andere, sagt er. Hillmann fügt an: „Das Telefonieren oder Verschicken von Textnachrichten gilt als eine der wesentlichen Unfallursachen. Daher ist es wichtig, dass hier stark kontrolliert und entsprechend sanktioniert wird.“

Hillmann macht mit Blick auf den Einsatz der Kameras indes auch auf noch im Raum stehende Datenschutzfragen aufmerksam: „Ob damit alle datenschutzrechtlichen Bedenken ausgeräumt sind, bleibt aus Sicht des ADAC jedoch abzuwarten. Die verabschiedete Fassung ist noch nicht offiziell in Kraft getreten, und es sind weiterhin rechtliche Fragen offen.“ Der ADAC werde prüfen, inwieweit hier noch Klärungsbedarf bestehe – insbesondere mit Blick auf den Datenschutz. Hillmann: „Denn eine zweifelsfreie Rechtsgrundlage ist unerlässlich, wenn Handyverstöße technisch dokumentiert und angezeigt werden sollen.“

Und wie äußert sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz? Dieter Kugelmann hatte die Pilotprojekte zur „Monocam“in Trier und Mainz kritisch beobachtet. Nun gibt Kugelmann zum Einsatz im ganzen Bundesland grünes Licht. Eine Sprecherin erklärt auf Anfrage, dass die geplanten neuen gesetzlichen Bestimmungen „die notwendige rechtliche Grundlage schaffen, die den Einsatz der Monocam datenschutzrechtlich abgesichert ermöglicht – ohne die Rechte der betroffenen Personen unverhältnismäßig zu beeinträchtigen“.

Landesdatenschutzbeauftragter behält Monocam-Einsatz im Blick

Auch die flächendeckende Anwendung und Aufzeichnung aller am Steuer befindlichen Fahrer, egal, ob mit Handy, Banane oder Zigarettenschachtel in der Hand, sei gerechtfertigt, da Ablenkungen im Straßenverkehr überall zu gefährlichen und teils lebensbedrohlichen Situationen führen könnten, so die Sprecherin. Zudem werde sichergestellt, dass Aufnahmen nur gespeichert würden, wenn tatsächlich ein Verstoß gegen Paragraf 23 Absatz 1a der Straßenverkehrsordnung festgestellt würde. Der Landesdatenschutzbeauftragte werde im Rahmen seiner Kontrolltätigkeit darauf achten, dass keine unzulässigen Daten gespeichert oder für andere Zwecke verwendet würden, erklärt die Sprecherin.

Laut Innenminister Michael Ebling (SPD) hat es allein im Jahr 2022 in Rheinland-Pfalz 1041 Unfälle gegeben, die auf Ablenkung zurückzuführen sind. Die sogenannte „Monocam“ zeichnet Handyverstöße beim Autofahren auf. Das System schlägt an, sobald es ein Handy in der Hand eines Fahrers erkannt haben will. Polizisten werten diese Aufnahmen im Anschluss noch einmal aus. So soll überprüft werden, ob die Kamera sich nicht vielleicht doch verguckt haben könnte.

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