Koblenz/Mayen/Nastätten/Boppard
Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein: Schmerzhafte Veränderungen und ehrgeizige Pläne
Kemperhof - Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein
Die Ein-Standort-Lösung für Koblenz kommt - am Kemperhof wird gebaut, der Stift zieht dann dorthin um. Diese und weitere Schritte stehen im Sanierungskonzept des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein, das nun beschlossen wurde.
Sascha Ditscher

"Die Veränderungen sind zwar schmerzhaft, aber das Ergebnis sichert die Versorgung der Patienten und die Arbeitsplätze von mehr als 4000 Menschen in der Region": Mit diesen Worten haben die Vertreter der Gesellschafterversammlung des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein ihre Entscheidung zum Start eines umfangreichen Sanierungskonzepts eingeleitet. Das Klinikum wird sich stark verändern.

Dem Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM) mit seinen mehr als 4000 Mitarbeitern stehen nervenaufreibende Monate bevor: Der Klinikverbund wird umgebaut, er wird sein Gesicht verändern – doch nur so kann er nach Ansicht seiner Gesellschafter zukunftsfit gemacht werden. „Es geht um die Existenz des GKM als Ganzes“, sagte Alexander Saftig, Landrat des Kreises Mayen-Koblenz (CDU), als er jetzt gemeinsam mit dem Koblenzer Oberbürgermeister David Langner (SPD) und der Geschäftsführung des Klinikums über die Entscheidung der Gesellschafterversammlung informierte, das Sanierungskonzept auf Grundlage des Gutachtens der Unternehmensberatung Roland Berger umzusetzen. Was das für die Krankenhäuser in Koblenz, Mayen, Boppard und Nastätten bedeutet – und welche Fragen noch offen sind.

Die Gesellschafterstruktur: Die Veränderungen, die nun „in großer Einmütigkeit“ (Langner) beschlossen wurden, beginnen schon bei den Besitzverhältnissen des Klinikums, das 2014 aus der Fusion des Gemeinschaftsklinikums Koblenz-Mayen und des Stiftungsklinikums Mittelrhein hervorgegangen war. Nun wird das Gebilde mehr denn je kommunalisiert, „die Stiftungen ziehen sich weitestgehend zurück“, sagte Saftig.

Die zukünftige, am Montagabend beschlossene Gesellschafterstruktur sieht vor, dass 94,76 Prozent des Klinikums in kommunale Hände kommen – je 47,38 Prozent für den Kreis MYK und die Stadt Koblenz. Lediglich zwei Stiftungen bleiben an Bord – die Stiftung Evangelisches Stift St. Martin mit 4,92 Prozent, die Stiftung Hospital zum Heiligen Geist mit 0,33 Prozent. Es scheiden aus die Stiftung Seniorenhaus zum Heiligen Geist Boppard und die Diakoniegemeinschaft Paulinenstift Wiesbaden. Die beiden Kommunen kaufen die Gesellschaftsanteile – die Stadt Koblenz und der Kreis MYK investieren also auch auf diese Weise Geld ins Gemeinschaftsklinikum.

Die finanzielle Lage: Das Klinikum kriselt, es ist seit Jahren defizitär – immer wieder mussten die beiden Kommunen in der Vergangenheit Geld zuschießen. Und damit geht es nun weiter, wie Langner und Saftig informierten. Stadt und Kreis werden das Unternehmen trotz leerer Kassen mit weiteren 10 Millionen Euro direktem Kapital im Jahr 2024 sowie 50 Millionen Euro in Form von Bürgschaften unterstützen – Geld, das die beiden Kommunen nicht gerade herumliegen haben. Entsprechend herausfordernd seien auch die politischen Entscheidungsprozesse ausgefallen, aber schlussendlich seien es eben notwendige Investitionen in die Gesundheitsfürsorge.

Man kümmert sich – und übernimmt Verantwortung: Das ist das Bild, das Langner und Saftig zeichneten – auch in der Hoffnung, dass durch den Sanierungsprozess eben in Zukunft keine weiteren Finanzspritzen mehr notwendig sind, weil das Klinikum endlich dauerhaft schwarze Zahlen schreibt. Druck, das Sanierungskonzept umzusetzen, komme derweil auch von den Banken. Überdies sollen bis Ende 2028 rund 8,8 Millionen Euro im Tagesgeschäft eingespart werden, etwa durch die Reduktion von Personalkosten im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung und die Vermeidung von Doppelstrukturen.

Die Ein-Standort-Lösung in Koblenz: Das Klinikum soll künftig finanziell auf eigenen Beinen stehen – dazu muss sein Betrieb effizienter werden. In der Zusammenlegung von Kemperhof und Stift am Standort Kemperhof sehen die Sanierer gerade dafür große Chancen. Stichwort: Synergien. Dazu muss aber zunächst kräftig investiert werden. In zwei Bauabschnitten soll in Moselweiß der Platz entstehen, um die Fachabteilungen aus der Vorstadt zu integrieren – von organisatorischen Leitlinien gelenkt. Und mit Tempo. Einen konkreten Zeitplan ließ sich Christian Straub nicht entlocken, man stehe noch am Anfang des Prozesses, Gespräche mit dem Land in Sachen Fördergelder laufen bereits. Es könnte also schnell gehen – schon in wenigen Jahren könnte das fusionierte Krankenhaus laufen. „Dem GKM ist schon seit längerer Zeit zugesagt, dass die Herstellung der Einhäusigkeit als Baumaßnahme durch das Land gefördert wird. Zu dieser Zusage steht das Land weiterhin“, erklärte Landesgesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) auf Anfrage unserer Zeitung.

Der kriselnde Standort Boppard: Koblenz und MYK zeigen finanzielles Engagement – das man mindestens von einem Akteur vermisst. Der Rhein-Hunsrück-Kreis hat bislang keine ausreichende Verlustübernahme für 2024 und 2025 für Heilig Geist beschlossen, „obwohl dies eine zwingende Voraussetzung für den Fortbestand des Krankenhausstandorts ist“, wie es wörtlich hieß. Eine verbindliche Erklärung müsse bis Mitte August vorliegen. „Bis dahin sind wir gesprächsbereit“, erklärte Langner – auch, was mögliche Mitsprachemöglichkeiten angeht. Bislang aber habe weder er noch Saftig eine Bereitschaft erkennen können, dass sich der Kreistag bewegt. Tut er es nicht – dann stehen die Zeichen auf Schließung. Daraus machen Langner und Saftig nicht nur keinen Hehl, sie sprechen es klipp und klar aus.

Dieser Schritt würde geordnet und mit Rücksicht auf die Patienten erfolgen, sagte Geschäftsführer Christian Straub. Sein Kollege Florian Distler, der zum 1. Juli ins Unternehmen kam, ergänzte, dass ein solcher Prozess circa sechs bis neun Monate dauern würde. Ein überwiegender Teil des Leistungsspektrums von Heilig Geist würde dann auf andere Standorte verlagert – so soll einem Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Perspektive eröffnet werden. Wenn es denn so weit kommt. “Dass die Gesellschafterversammlung für die weitere Klärung der Zukunft des Standortes in Boppard etwas mehr Zeit gegeben hat, ist zunächst ein gutes Signal„, kommentierte Clemens Hoch. Der Rhein-Hunsrück-Kreis befasse sich intensiv mit der Frage, ob und in welcher Form dort ein Engagement erfolgt, so der Minister: “Das ist für die Kommune keine einfache Entscheidung.„

Der kriselnde Standort Nastätten: Im Rhein-Lahn-Kreis ist die Situation eine andere – allein schon, weil das Paulinenstift zur Gesundheitsversorgung in der Region Nastätten dringend notwendig ist. Das ist beim Bopparder Haus anders – in Simmern gibt es einen “Vollsortimenter„. Zudem hat der Rhein-Lahn-Kreis seine Bereitschaft signalisiert, einen Verlustausgleich für das zweite Halbjahr 2024 sowie das Jahr 2025 zu übernehmen. Letzte Gespräche dazu stehen noch aus, doch es herrscht ein gewisser Optimismus.

Sonstige Maßnahmen: Investiert werden soll auch am Standort Mayen – auf Basis einer wirtschaftlich sinnvollen Zielplanung. Das bedeutet, dass nicht alle Fachabteilungen in gleicher Art und Weise am St. Elisabeth bestehen bleiben. Sicher seien aber die Geburtshilfe und die Kinder- und Jugendmedizin. Genau anschauen will sich die Geschäftsführung auch die stationären und ambulanten Angebote des Tochterunternehmens Seniocura und die 17 Praxen des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Mittelrhein. Bis Jahresende wollen Straub und Distler ein Konzept vorlegen.

Die Reaktionen: “Das Sanierungskonzept hat selbstverständlich eine stark wirtschaftlich geprägte Herangehensweise, die nicht alle Fragen der Versorgung abschließend beantwortet„, lautet Clemens Hochs Bewertung der aktuellen Situation – deshalb sei er mit dem GKM selbst und seinen Gesellschaftern “in einem engen Austausch„. Der Minister sprach davon, dass die Stadt Koblenz und der Kreis ihre Verantwortung als Gesellschafter sehr aktiv wahrnähmen, um die Liquidität sicherzustellen.

Den Blick nach Berlin richtet die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz: “Der Bund bleibt aufgefordert, die finanziellen Rahmenbedingungen für zukunftsfähige Lösungen zu schaffen, insbesondere wenn Zusammenschlüsse von Standorten beziehungsweise Kooperationen zwischen Trägern notwendig werden", heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. Auch das Land sei in der Verpflichtung, durch ausreichende Investitionsmittel die Voraussetzungen für den Neubau in Koblenz und die Modernisierung in Mayen zu schaffen.

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