Bad Honnef/Bonn – Im Prozess um den Fall des getöteten Pflegekinds Anna haben die Erzieherin des Kinderheims sowie Annas Schulleiter ausgesagt. In den Aussagen vor dem Bonner Landgericht wurde einmal mehr deutlich: Die Pflegemutter nahm es mit der Wahrheit nicht so genau.
Er sollte sich um Annas Pflegefamilie kümmern, sollte den Kontakt zwischen leiblicher Mutter und Pflegemutter moderieren. Deshalb hatte das Königswinterer Jugendamt den Fachmann vom Pflegekinderdienst des Diakonischen Werks eingeschaltet. Doch zwischen Januar 2010 und dem Tod des neunjährigen Mädchens im Juli 2010 sah der 51-Jährige Anna nur zwei Mal. Das räumte er gestern vor dem Bonner Landgericht ein.
Im Lauf des Verfahrens, das die Umstände des gewaltsamen Tods der kleinen Anna aufklären soll, kommen immer weitere Details ans Tageslicht. Details des Versagens, des Nicht-genau-Hinsehens und fragwürdiger Reaktionen. Vieles in der Leidensgeschichte des Mädchens hängt mit dem Lügengebäude zusammen, das die Pflegemutter über Monate hinweg sorgsam aufgebaut hatte – wohl um von eigener Überforderung abzulenken. So erfuhr das Gericht gestern, dass der Zeuge, den das Jugendamt ein halbes Jahr vor Annas Tod eingeschaltet hatte, stets davon ausgegangen war, dass sich Anna schon lange in therapeutischer Behandlung befinde. Wie mittlerweile bekannt ist, trifft das nicht zu.
Was dem Mitarbeiter der Diakonie bekannt war: Es gab häufig Probleme beim Baden. Diese habe die Pflegemutter mit einer Wasserphobie erklärt. Wieder so eine der Unwahrheiten, wie sich herausgestellt hat. Annas Schulleiter, der Anna beim Schwimmunterricht kannte, konnte gestern berichten, dass die Neunjährige sogar sehr gerne schwamm. Wasserphobie? Fehlanzeige. Warum nur hat der Fachmann der Pflegemutter immer geglaubt? „Was, was sie mir erzählte, war stimmig. Ich habe das so geglaubt.“ Und: „Sie war stark gefordert, aber nicht überfordert.“
Bevor Anna 2008 in die Pflegefamilie kam, war sie in einem Siegburger Kinderheim. Ihre Bezugserzieherin berichtete nun, dass Anna offen, neugierig und bisweilen distanzlos war. „Sie hat geredet wie ein Buch, konnte sehr fröhlich, aber auch sehr wütend sein“, erinnerte sich die 56-jährige Zeugin. Probleme mit dem Essen, wie im Prozess schon öfter thematisiert, habe es gegeben: „Sie hat vor lauter reden das essen vergessen.“ Schwierigkeiten mit der Sauberkeit – Stichwort Baden – hingegen nicht.
Anna habe manchmal vor Wut gegen die Tür getreten, laut geschrieben und in einer Situation auch ihren Kopf gegen die Wand gehauen. Aufgrund der Schwierigkeiten lautete am Ende auch die Empfehlung des Kinderheims: Unterbringung in einer Fachpflegefamilie, in der mindestens ein Ehepartner pädagogisch ausgebildet ist. Doch diese Empfehlung ignorierten Jugendamt und leibliche Mutter, die das Sorgerecht hatte. „Knall auf Fall“, so die Kinderheim-Erzieherin, sei Anna dann nach einem Jahr in der Einrichtung in die Bad Honnefer Pflegefamilie gekommen. Von pädagogischer Ausbildung dort keine Spur. „Normalerweise bereiten wir den Wechsel in eine Familie vor. Doch hier ging es ohne Absprache ganz schnell.“ (mp)