Rheinland-Pfalz
Fahnenverzicht: Grüne Spitze rückt von Jugendverband ab

Ohne Fahne zum Deutschlandspiel? Von wegen! Die grüne Landtagsabgeordnete Eveline Lemke hält nichts von diesem Vorstoß.

privat

Rheinland-Pfalz. Bei allem Respekt vor dem rebellischen Geist der Grünen Jugend war es irgendwann auch Eveline Lemke zu viel. Die frühere Spitzenkandidatin der Landespartei fand den Aufruf der rheinland-pfälzischen Nachwuchsorganisation, strikte Fahnen-Enthaltsamkeit bei der Europa-meisterschaft zu üben, reichlich fern der gesellschaftlichen Realität. Postwendend verbreitete sie über die Internetplattform Twitter ein Foto von sich im Nationaltrikot mit Deutschlandfahne, was wiederum in grünen Kreisen ein gewisses kommunikatives Grundrauschen auslöste.

Ohne Fahne zum Deutschlandspiel? Von wegen! Die grüne Landtagsabgeordnete Eveline Lemke hält nichts von diesem Vorstoß.

privat

Von unserem Redakteur Dietmar Brück

„Der Zeitpunkt für die Aktion der Grünen Jugend war sicher der falsche. Und auch der Eindruck, dass die Partei wieder mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, ist nicht hilfreich“, meinte die frühere Wirtschaftsministerin im Gespräch mit unserer Zeitung.

Ähnlich äußerte sich die grüne Landesvorsitzende Katharina Binz zu dem Appell des aufmüpfigen Jugendverbands. „Ein Fußballfan mit einer Deutschlandfahne ist noch lange kein gefährlicher Nationalist. Das ist einfach Ausdruck unserer Fankultur“, sagte sie unserer Zeitung. Und Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun meinte zur Deutschlandfahne: „Die Flagge von Hambach, die für Freiheit steht, kann man durchaus zeigen.“ Ansonsten mahnte er, den Vorfall nicht überzubewerten. „Um mit William Shakespeare zu sprechen: viel Lärm um nichts“, so Braun.

Ein Appell, der es in sich hatte: Mit ihrem Aufruf zum Fahnenboykott zur Fußball-Europameisterschaft handelte sich die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz bundesweit eine Menge Ärger ein.

Gewaltiger Widerhall im Netz

Doch die Resonanz war gewaltig. Bei der Grünen Jugend trafen vor allem auf Facebook massenhaft Hassbotschaften ein – bis hin zu Morddrohungen. Der provokante Aufruf zum Fahnenboykott wurde fast 10.000-mal verlinkt und mehr als 25.000-mal kommentiert, hauptsächlich negativ. Auf der Internetplattform Twitter tobte parallel dazu ein Shitstorm, also eine Welle negativer Rückmeldungen. Die Grüne Jugend hatte in ein Hornissennest gestochen.

Ihr Aufruf „Patriotismus = Nationalismus. Fußballfans Fahnen runter!“, bereits am Freitagabend veröffentlicht, löste noch am gestrigen Montag heftige Reaktionen aus. „Ach, ihr veganen Bürgerkinder in eurem toleranz- und gedankenfreien Universum: Haltet einfach den Mund“, schrieb jemand auf Twitter. „Wenn die Grüne Jugend mich nicht erinnert hätte, hätte ich glatt vergessen, zu schmücken!“, meinte ein anderer. „Fahnen raus.“

Grüne Jugend: „Wir haben einen Nerv getroffen“

Die rheinland-pfälzische Grüne Jugend selbst rechtfertigte sich in einer Stellungnahme. “Es war nie unsere Absicht, Menschen unter Generalverdacht zu stellen.„ Und weiter: “Mit dem Post haben wir ganz offensichtlich einen Nerv getroffen. Es zeigt, dass ein Diskurs über den sogenannten Partypatriotismus und dessen Folgen dringend notwendig ist.„ Immerhin schränkte der Jugendverband ein: “Selbstverständlich ist nicht jede Person, die Fußball schaut und feiert, nationalistisch. Doch insbesondere die Morddrohungen zeigen, dass es Menschen gibt, die unter dem Deckmantel des Partypatriotismus nationalistisches Gedankengut verbreiten.„ Die jungen Grünen glauben, dass Patriotismus Menschen in Europa eher trennt, anstatt sie zu verbinden.

Doch nicht einmal die Jugendverbände der anderen Parteien folgen ihnen. “Wer bei einer EM eine Deutschlandfahne schwenkt, ist kein Nationalist„, meinte Steven Wink, der Juli-Landesvorsitzende. “Das ist doch einfach ein schönes Symbol des Zusammenhalts.„ Juso-Landeschef Erik Schöller bewertete das ähnlich, zumal er in dem DFB-Team mit Spielern wie Mesut Özil und Jérôme Boateng eher “ein Symbol für die pluralistische Gesellschaft„ sieht. Und JU-Landesvorsitzender Johannes Steiniger würde die Grüne Jugend gern mal ins Hambacher Schloss einladen, um ihr zu zeigen, wofür die deutsche Flagge steht.

Bei SPD, FDP und CDU kann die Grüne Jugend mit ihrem Vorschlag ebenfalls keinen Blumentopf gewinnen. Und die rheinland-pfälzische AfD fragte gar: “Wollen grüne Spielverderber die EM abschaffen?„ Zwischen Jugendorganisation und Nachwuchspartei wird da nicht mehr differenziert.

Ruhe bewahren

Die jungen Grünen wollen sich nun eine Weile bedeckt halten. Auch um nicht weiter Adressat für Hassbotschaften zu sein. Mit einer derart aggressiven Resonanz hätte niemand gerechnet, auch wenn die antipatriotische Aktion an sich als Erfolg gewertet wird.

Grünen-Landeschef Thomas Petry warb derweil im RPR 1-Gespräch um einen unverkrampften Umgang mit der deutschen Flagge. Er wolle nicht in “gute Fans und böse Fans„ unterteilen, “das ist ein Stück weit überzogen".

Top-News aus der Region

Weitere regionale Nachrichten