Rheinland-Pfalz/Staudt
Erstwählerin bei ihrer Premiere im Wahllokal: „Es fühlt sich so an, als hätte ich das Richtige getan“
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Geschafft: Die 18-jährige Schülerin aus dem Westerwald gibt zum ersten Mal bei einer Wahl ihre Stimme ab.
Lara Kempf

Wahlsonntage sind immer besonders, irgendwie spannend. Vor allem für diejenigen, die in diesem Jahr zum ersten Mal wählen gehen dürfen. So auch für die 18-jährige Helin Yitmez, eine der Protagonistinnen des Wahlprojektes unserer Zeitung. Wie hat sie ihre Premieren-Stimmabgabe erlebt? Und wie viele Erstwähler gibt es dieses Jahr überhaupt in Rheinland-Pfalz?

Das lange Warten hatte ein Ende: In Rheinland-Pfalz stand die Kommunal- und Europawahl an. Wer das Ganze nicht schon per Briefwahl erledigt hatte, ging ins Wahllokal, um seine Stimme abzugeben. So auch die Protagonisten des Wahlprojektes unseres journalistischen Nachwuchses – unsere Volontärinnen und Volontäre haben mehrere Wähler über Wochen begleitet und immer wieder berichtet, wie sie den Countdown bis zum Wahltag erlebten. Vor allem für die 18-jährige Helin Yitmez aus Staudt (Westerwaldkreis) war es ein besonderer Tag: Sie durfte zum ersten Mal in ihrem Leben wählen gehen, erst vor wenigen Tagen ist sie 18 Jahre alt geworden. Wie viele Erstwähler gibt es in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz? Und wie hat die Schülerin aus dem Westerwald persönlich den Wahlgang erlebt?

Helin Yitmez ist aufgeregt, als sie die Stufen zum Wahllokal im Staudter Rathaus hinaufgeht. Jetzt sind es nur noch wenige Schritte, bis sie erstmals ihre Stimme bei einer Wahl abgibt. „Jetzt, kurz vorher, bin ich schon ziemlich nervös“, sagt die 18-Jährige kurz vor dem Urnengang. Wie für Yitmez ist die Stimmabgabe für zahlreiche junge Leute in Rheinland-Pfalz in diesem Jahr die erste jemals.

Hunderttausende junge Menschen durften wählen

Insgesamt waren rund 3,24 Millionen EU-Bürger mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz in diesem Jahr wahlberechtigt, davon 3 Millionen Deutsche und rund 200.000 mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Staates, teilte das Statistische Landesamt (Stala) mit. Von den 3,24 Millionen stimmberechtigten EU-Bürgern mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz waren es rund 232.000 junge Menschen – eingegrenzt auf diejenigen mit einer deutschen Staatsangehörigkeit – die in diesem Jahr zum ersten Mal an einer Wahl teilnehmen durften.

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Kurz vor der Stimmabgabe: Die 18-jährige Helin Yitmez aus Staudt ist gespannt, was sie in der Wahlkabine erwarten wird.
Lara Kempf

Darunter waren rund 167.000 junge Erwachsene, die nach der Bundestagswahl 2021 18 Jahre alt geworden sind und damit sowohl bei der Kommunal- als auch bei der Europawahl erstmals ihre Stimme abgeben durften. Bei der Wahl zum Europäischen Parlament durften laut Stala in diesem Jahr rund 65.000 16- und 17-Jährige aus Rheinland-Pfalz mitentscheiden.

Ein wenig Aufregung vor der Premiere

Zurück im Rathaus in Staudt: Als die 18-jährige Schülerin das Wahllokal schließlich betritt und bei der zuständigen Wahlleiterin ihren Personalausweis sowie ihre Wahlbenachrichtigung vorzeigt, wird es ernst. Sie bekommt die Wahlunterlagen ausgehändigt und begibt sich in eine der aufgestellten Wahlkabinen. Keine zehn Minuten später ist es geschafft: Die junge Frau hat ihre Kreuzchen gesetzt und wirft die verschiedenen Umschläge in die dafür vorgesehenen Wahlurnen ein. Damit hat sie ihre Stimmen sowohl für die Kommunal- als auch für die Europawahl abgegeben.

Mit einem Lächeln verlässt Yitmez das Wahllokal. Was geht ihr jetzt, unmittelbar nach der Stimmabgabe, durch den Kopf? „Ich bin ziemlich erleichtert, denn auf einmal war die Atmosphäre so ernst und ich wusste: Jetzt ist es soweit. Aber gerade fühlt es sich so an, als hätte ich das Richtige getan. Ich gehe auf jeden Fall mit einem guten Gefühl hier raus, weil ich weiß, ich habe meine Stimme genutzt“, betont die Westerwälderin.

Die Ergebnisse, die die Wahl letztendlich bringen wird, erwartet die Schülerin mit großer Spannung. „Ich bin vor allem gespannt darauf, wie und ob es sich ausgewirkt hat, dass bei der Europawahl erstmals auch mit 16 Jahren gewählt werden durfte“, sagt die junge Frau.

Und so ist es den anderen Protagonisten unseres Projekts ergangen

Andere Protagonisten unseres Wahlprojekts haben schon wesentlich mehr Erfahrung mit dem Urnengang, der Der 72-jährige Wolfgang Wagner aus Koblenz zum Beispiel. Er hat sich diesmal für die Briefwahl entschieden, aus gesundheitlichen Gründen. Für ihn ist der Gang ins Wahllokal im Alter immer schwieriger geworden. Trotzdem findet er das Wählen sehr wichtig, er möchte mit seiner Stimme ein Zeichen gegen die AfD setzen. Seine Entscheidung für die Kommunalwahl stand schon seit Monaten fest.

Obwohl es wahrlich nicht seine erste Wahl war, fand Wagner das Wählen immer noch verwirrend. „Leichter wird es nicht“, kommentiert der 72-Jährige. Die vielen „Riesen-Blätter“ mit den Dutzenden Kandidaten und Zetteln könnten seiner Meinung nach vor allem die Erstwähler überfordern.

Norbert Grimm aus Rehborn würde ein paar Tage, nachdem er per Briefwahl gewählt hat, die gleiche Entscheidung erneut treffen, meint er im Gespräch mit unserer Zeitung. Eigentlich geht der Landwirt zur Wahlurne, sagt er. Diesmal war er aber verhindert. Von der gesamten Wahlwerbung haben ihn die Flyer am meisten angesprochen, erzählt er. Diese habe er mit großem Interesse verfolgt. „Das hatte einen großen Einfluss“, betont Grimm. Denn so konnte er nachvollziehen, welche Leistungen die Kandidaten bereits erbracht haben.

„Es ist wirklich sehr, sehr unübersichtlich“

„Ich habe mir die Flyer nebeneinandergelegt“, erklärt der 57-Jährige weiter. Dabei ist ihm anhand der Fotos aufgefallen, welche Personen bereits durch berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten auf sich aufmerksam gemacht haben. Daher konnte er sich „ganz gut“ eine Meinung darüber bilden, inwiefern sich die Kandidaten für politische Ämter eignen, sagt er.

Für den 47-jährigen Jörn Janssen aus Hausen an der Wied war die Briefwahl kein Problem. Allerdings betont er, dass insbesondere ältere Menschen und Erstwähler mit den Unterlagen und den verschiedenen Farben durchaus ihre Probleme hatten. “Es ist wirklich sehr, sehr unübersichtlich„, berichtet Janssen und ergänzt: “Vor allem meine Söhne, die das erste Mal wählen dürfen, können mit den Kandidaten für die Europawahl überhaupt nichts anfangen. Sie kennen davon keinen Menschen und teilweise sind Parteien dabei, von denen man noch nie etwas gehört hat.„

Von den verschiedenen Kandidaten im Wiedtal hatte sich Janssen durchaus mehr erwartet: “Der Einzige, der hier im Wiedtal schwer aktiv ist, ist Pierre Fischer von der CDU„, betont er, um konstatiert festzustellen: “Nach meinem Gefühl wollten die anderen anscheinend alle gar nicht!"

Wahlbeteiligung bis zum Mittag höher als vor fünf Jahren

Bei Europa- und Kommunalwahlen zeichnet sich in Rheinland-Pfalz eine höhere Wahlbeteiligung ab als 2019. Zumindest lag sie um 12 Uhr über jener zum gleichen Zeitpunkt vor fünf Jahren, teilte das Statistische Landesamt (Stala) am frühen Sonntagnachmittag mit. Laut einer Umfrage der Landeswahlleitung in Städten und Gemeinden waren in den ersten vier Stunden des Wahltags rund 48 Prozent der Wahlberechtigten zur Stimmabgabe gegangen oder hatten vorab per Briefwahl ihre Stimmen abgegeben, teilte das Stala weiter mit. Vor fünf Jahren waren es zu diesem Zeitpunkt 45 Prozent. Rund 37 Prozent der Wahlberechtigten hatten demnach bereits vor dem Wahltag von der Möglichkeit zur Briefwahl Gebrauch gemacht (2019: 29 Prozent). Am heutigen Sonntag gaben bis 12 Uhr weitere rund 11 Prozent der Wahlberechtigten in den Wahlräumen ihre Stimmen ab. Dieser Wert lag rund fünf Prozentpunkte unter dem von 2019. Insgesamt hatte die Wahlbeteiligung an der Europawahl in Rheinland-Pfalz 2019 bei 64,8 Prozent gelegen, an den Kommunalwahlen beteiligten sich 61,7 Prozent der Wahlberechtigten. Landeswahlleiter Marcel Hürter rief alle Stimmberechtigen auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Wahlräume sind noch bis 18 Uhr geöffnet. red

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