Im Koblenzer Oxfam-Shop gibt es Mode aus zweiter Hand - Warum das gut ankommt und im Zeitgeist liegt
Ein Besuch im Oxfam-Shop Koblenz: Neues Outfit, mehr Nachhaltigkeit
Zeigt her eure Kleider: Martina Klöckner, ehrenamtliche Mitarbeiterin, und Gaby Schweikert, ehrenamtliche Shop-Leiterin, (von links) präsentieren zwei Highlights aus der Designerecke im Koblenzer Oxfam-Shop.
Cordula Sailer

Für Secondhandkleidung gibt es viele gute Gründe – sie schont unter anderem die Umwelt und den Geldbeutel. Und sie scheint mehr und mehr salonfähig zu werden. Ein Besuch im Oxfam-Shop Koblenz, der Secondhandware für den guten Zweck verkauft.

Lesezeit 7 Minuten

Zeigt her eure Kleider: Martina Klöckner, ehrenamtliche Mitarbeiterin, und Gaby Schweikert, ehrenamtliche Shop-Leiterin, (von links) präsentieren zwei Highlights aus der Designerecke im Koblenzer Oxfam-Shop.
Cordula Sailer

Mehr als ein Dutzend Kunden tummeln sich an diesem Mittwochmorgen im Oxfam-Shop in der Koblenzer Schloßstraße. In dem kleinen Laden wird es schwierig, sich seinen Weg durch die Gänge zu bahnen. Der Kundenstrom reißt bis zur Mittagszeit nicht ab – eine weitere ehrenamtliche Mitarbeiterin wechselt zur Unterstützung vom Lager in den Verkauf. Was das Geschäft der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation so Begehrtes anbietet? Die Antwort lautet: Secondhandware – Mode, Bücher, CDs, Filme, Geschirr, Spiele oder Dekoartikel. Doch bleiben wir bei der Mode.

Die Wahl fällt auf einen schwarzen Damenwintermantel. Der Kunde um die 50 blickt zufrieden drein. „Ich will den Verein unterstützen“, klärt der Mann über seine Motivation auf. Er besorge auch Geschenke in dem Geschäft, das ein Tochterunternehmen von Oxfam Deutschland e.V. betreibt, – der Mantel ist eines davon. Ein paar Kleiderstangen entfernt steht Jana Alberti-Klein vor Markenkleidung aus zweiter Hand. „Manchmal findet man den einen oder anderen Schatz“, sagt die junge Frau über das Angebot. In den vergangenen Wochen habe sie viel selbst dem Laden für den Weiterverkauf gespendet. „Wir leben in einer Zeit, in der viel weggeworfen wird – um mitzuhelfen, dass das besser wird, komme ich hierher.“

Oxfam Deutschland fördert nach eigenen Angaben unter anderem Projekte zur Sicherung von Lebensgrundlagen, zu Klimaanpassung und Ressourcenschutz oder zu Nothilfe und Wiederaufbau. Unterstützt würden vor allem Projekte in Afrika, dem Mittleren Osten und Süd-Asien. Im Oxfam-Verbund arbeiten laut Jahresbericht 21 nationale Schwesterorganisationen mit rund 3000 Partnerorganisationen weltweit zusammen. Die Abkürzung Oxfam steht für „Oxford Committee for Famine Relief“. Gegründet wurde die Organisation 1942 in Großbritannien. Oxfam Deutschland gibt es seit 1995. red

Eine Tür weiter, im Lagerraum hinter der Ladenfläche, arbeiten ehrenamtliche Helferinnen daran, dass die Ware vorn im Laden nicht ausgeht: Sie nehmen eingegangene Ware aus den Spendenboxen im Innenhof, erfassen sie auf einer Eingangsliste, überprüfen die Qualität, sortieren die Ware nach Kategorien und bepreisen sie. Nur intakte Kleidung bekommt eine zweite Chance.

„Jeder sollte sich Gedanken machen, ob er das, was er uns spendet, auch selbst kaufen würde“, nennt Martina Klöckner einen wichtigen Anhaltspunkt für Spendenwillige. Die 66-Jährige ist eine von rund 70 Ehrenamtlern im Koblenzer Oxfam-Shop – bis auf zwei Männer sind es Frauen, die meisten sind über 60. „Jeder kann mitarbeiten, der interessiert ist“, betont Klöckner. Die Voraussetzung ist, mindestens einen Dienst von vier Stunden, zuzüglich etwas Vor- und Nachbereitung, pro Woche zu übernehmen.

Wer ein Faible für Mode und Flohmarktstimmung hat, dem geht im Koblenzer Oxfam-Lager das Herz auf. An endlos wirkenden Stangen ist die Secondhandmode nach Damen und Herren, Blusen, Blazern, Shirts, Pullovern, Hosen, Abendmode, Hemden, Jacketts und Jacken sortiert. Die Bluejeans und das graue Sakko sind genauso zu finden wie die Goldglitzerbluse zum Binden oder das Brautkleid aus den 80ern mit weißem Kunstfelljäckchen. Eine extra Ecke ist Designerteilen vorbehalten – im Lager wie auch im vorn im Shop. Ein Neuzugang, der darauf wartet, einsortiert zu werden: ein grau-grün karierter Hosenanzug von Escada, Größe 44.

Die Secondhandmode, hier farblich sortiert, geht für einen guten Zweck über die Ladentheke.
Cordula Sailer

Wer sind die Käufer? „Da sind einmal Leute mit schmalem Geldbeutel oder Leute, die etwas suchen, das nicht 100-fach auf der Stange hing“, nennt Angelika, die gerade neue Mode einsortiert, Beispiele für unterschiedliche Kundengruppen. An einige Kundenkäufe erinnert sich Martina Klöckner noch genau: die Schlaghose für die Mottoparty, das Jackett fürs Vorstellungsgespräch oder die älteren Cordhosen, die bei den Skatern gut angekommen sind. „Und wir verkaufen richtige Opa-Anzüge an junge Männer“, ergänzt Angelika. Getragen würden die dann mit bunten Socken und Sneakern an den Füßen.

In einem anderen Teil des Oxfam-Lagers werden besondere Einzelstücke fürs Schaufenster zurückgelegt. Hier ist gerade Gaby Schweikert, eine der drei ehrenamtlichen Shopleiterinnen, zugange. Fürs Schaufenster müsse es etwas sein, „das ,bämm‘ ist“, greift Schweikert zur Lautmalerei und schmunzelt. Sie zeigt eines der für die Auslage bestimmten Teile: eine schwarze Spitzenjacke mit aufgenähten rosa Kunstledertropfen.

Die Erfahrung zeigt: ausgefallene Stücke sind oft gleich verkauft. Jeden Mittwoch werden die Ausstellungsstücke aus dem Schaufenster verkauft, dann wird das Fenster neu bestückt – nach einem Motto oder in bestimmten Farbtönen. Die Stücke der weihnachtlichen Auslage gehen an diesem Mittwoch alle über den Ladentresen: darunter eine festliche Jacke, ein Glitzerpullover, eine schwarze Hose, aber auch andere Dinge wie eine Weihnachtspyramide, eine alte Pendeluhr, Kinder-Weihnachtsbücher und ein Holzadventskranz.

Was die Secondhandmode kostet, lässt sich nicht pauschal beantworten. „Es gibt keine Einheitspreise“, erklärt Martina Klöckner. Heißt: Nicht jedes T-Shirt oder jede Jeans kosten gleich viel. Das Team arbeitet nach einer Preisliste mit fünf Farbstufen, in die gängige Markenhersteller eingeteilt sind: von grün (günstig) bis rot (teuer). „Spielraum gibt es bei Aktualität und Zustand“, sagt Klöckner.

Der Selbsttest im Shop: Ich schaue mich nach Kleidung in meiner Größe um – außerhalb der Designer-Ecke – und versuche, ein mögliches Outfit zusammenzustellen: Bluejeans mit heller Waschung (7,50 Euro), grauer Zöpfchen-Strickpullover (6,50 Euro), flache schwarze Pumps (9,50 Euro), grauer Wintermantel aus Wollmischgewebe mit Knöpfen und Gürtel (16 Euro), dazu ein blauer Loopschal mit gelb-orangefarbenem Ethnomuster (4,50 Euro). Mit dieser Kreation wäre ich für 44 Euro eingekleidet. Aber ist Secondhandmode schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen? Oder sehen es viele wie die Dame, die mir im Laden erklärt, öfter zu spenden, aber selbst „entsprechend zu verdienen“ – also nicht auf günstige Kleidung angewiesen zu sein?

Auch Schuhe aus zweiter Hand hat der Oxfam-Shop in der Koblenzer Schlossstraße im Angebot.
Cordula Sailer

„Secondhand kommt aus der Bedürftigkeitsecke heraus“, glaubt Matthias Scholl, Regionalleiter im Frankfurter Oxfam-Büro, der sich um die Koordination und Weiterentwicklung der 32 Oxfam-Shops im Südwesten der Republik kümmert. In den vergangenen drei Jahren kämen zunehmend auch junge Leute in die Shops, um sich einzukleiden. Bewegungen wie Fridays for Future hätten das Bewusstsein für ein umweltschonendes Leben geschärft.

„Das bringt automatisch das Thema Secondhand auf den Tisch“, sagt Scholl, der einige Argumente für die Mode aus zweiter Hand parat hat: Sie ist umweltschonend, da durch die Weiternutzung keine neuen Rohstoffe verbraucht werden, man kann sich mit ihr individueller kleiden, sie enthält weniger Schadstoffe, da sie schon mehrfach gewaschen ist, und sie schont den Geldbeutel. Hinzu komme: Dass die Kleidung in den Shops schon getragen wurde und noch gut aussehe, spreche für eine gewisse Qualität. Und, für die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation entscheidend: Wer in den Oxfam-Shops einkauft, leistet einen Beitrag „für eine gerechtere Welt“, zitiert Scholl einen Teil des Oxfam-Werbeslogans.

Deutschlandweit gibt es 55 Oxfam-Shops, zwei davon in Rheinland-Pfalz: in Koblenz und in Mainz. Laut Oxfam-Jahresbericht konnten dem Verein im Wirtschaftsjahr 2021/22 (von 1. April bis zum 31. März) aus allen Shops Barmittel in Höhe von 1,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Für das laufende Geschäftsjahr prognostiziert Scholl etwa 2,5 bis 2,6 Millionen, die dem Verein aus den Shops als freie Mittel zur Verfügung gestellt werden können. Eine Summe, die in Pandemiezeiten nicht zu leisten gewesen sei. Die Mittel, so Scholl, dienen unter anderem der Anschubfinanzierung neuer Projekte oder der direkten Nothilfe wie aktuell in der Ukraine.

Im Oxfam-Shop in der Koblenzer Schloßstraße arbeitet Gaby Schweikert inzwischen am neuen Schaufensterkonzept. „Heute stellen wir die völlig abgefahrenen Stiefeletten rein“, sagt Schweikert über das Paar quietschpinker Schuhe. 49 Euro sollen die halbhohen Damenstiefel kosten. Zu den Schuhen gesellen sich noch Outfits mit Strickpullovern in Beige- und Brauntönen – mit passenden Handtaschen dazu. Wer von draußen hereinsieht, merkt gar nicht, dass die Schaufensterpuppen Secondhand tragen. Und: Bereits die erste Kundin hat nach den pinken Stiefeln gefragt.

Der Oxfam-Shop in der Koblenzer Schloßstraße 26 hat von Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr geöffnet, samstags von 10 bis 16 Uhr. Das Team ist auf der Suche nach neuen ehrenamtlichen Mitarbeitern. Kontakt unter Telefon 0261/914 38 01. Nähere Informationen zu Oxfam Deutschland unter www.oxfam.de

Worauf kann man beim Kauf neuer Mode achten, wenn man sozial und ökologisch hergestellte Kleidungsstücke haben möchte? Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht. „Der Verbraucher, der nachhaltig kaufen will, muss sich vorab informieren“, sagt Ruth Preywisch, Expertin für nachhaltigen Konsum bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Einen Überblick über verschiedene Siegel bietet die Internetseite www.siegelklarheit.de. Dabei handelt es sich um ein Projekt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Hier werden Siegel für verschiedene Produktkategorien – nicht nur für Kleidung – aufgeführt und bewertet. Ein paar von der Verbraucherzentrale empfohlene Siegel hat die Expertin unserer Zeitung vorgestellt:

Naturtextil IVN zertifiziert Best: „Das ist eines der strengsten Textilsiegel“, erklärt Preywisch. Das Siegel des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft sei nicht oft zu finden, da nur wenige Textilien den zugrunde gelegten Standards genügten. Festgelegte Sozialstandards werden eingehalten (unter anderem keine Zwangs- und Kinderarbeit); die Materialien müssen aus ökologisch zertifiziertem Anbau stammen.

GOTS (Global Organic Textile Standard): Mindestens 70 Prozent der verwendeten Fasern müssen aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft kommen. Im Produktionsprozess müssen zudem soziale Mindeststandards eingehalten werden. „Dieses Siegel findet man häufiger“, sagt Preywisch.

Fair Ware: Das Siegel der Fair Ware Foundation ist des Öfteren im Outdoorbereich zu sehen. Soziale Mindeststandards müssen eingehalten werden. „Die stehen für existenzsichernde Löhne“, erklärt Preywisch.

Grüner Knopf: Dabei handelt es sich um ein staatliches Meta-Siegel für nachhaltige Textilien. Die Verbraucherzentrale könne es nicht uneingeschränkt empfehlen, so Preywisch. Nicht alle Schritte in der Produktionskette würden berücksichtigt. Die Anforderungen an die Materialien stuft Preywisch „als nicht so hoch“ ein. csa

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