Rheinland-Pfalz
Disziplinarverfahren gegen den früheren Landrat an der Ahr: Was kann Pföhler noch drohen?
Nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz
Was kommt noch auf Jürgen Pföhler zu? Verliert er sein Ruhegehalt – ganz oder teilweise? Im Mainzer Innenministerium wird ein Disziplinarverfahren gegen den früheren Landrat des Kreises Ahrweiler geführt. Untersucht wird, ob der CDU-Politiker Pflichtverletzungen begangen hat.
Thomas Frey. picture alliance/dpa

Jürgen Pföhler ist im Ruhestand. Eine entsprechende Pension erhält der frühere Landrat des Kreises Ahrweiler. Könnte er seine Ansprüche noch ganz oder teilweise verlieren? Immerhin läuft gegen ihn ein Disziplinarverfahren wegen möglicher Dienstvergehen im Zuge der Ahrflut. Wir haben nachgefragt: Wie steht es um das Verfahren?

Lesezeit 4 Minuten

Die Kritik am ehemaligen Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), wird Mitte September wieder sehr laut werden. Dann debattiert der Landtag über den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur verheerenden Flutkatastrophe an der Ahr. Aber: Hat sie noch Konsequenzen für den 66-Jährigen? Das strafrechtliche Verfahren dauert noch lange an. Aber wie steht es um das disziplinarrechtliche? Es gilt als weniger kompliziert. Warum zieht es sich im Innenministerium aber auch hin, obwohl Experten Pföhler in Serie Fehler angelastet haben – vor und während der Flut, die 136 Menschen in den Tod gerissen hat. Ein Blick auf die Verfahren.

Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal
Ex-Landrat Jürgen Pföhler (CDU)
Arne Dedert. picture alliance/dpa

Die Staatsanwaltschaft Koblenz, die im April ihre Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen im Amt einstellte, hat die Beschwerden von empörten und geschockten Angehörigen inzwischen an die Generalstaatsanwaltschaft übermittelt. Die muss nun prüfen, ob die Argumente der Betroffenen überzeugen und die Akte mit Zehntausenden von Seiten wieder zu öffnen ist – etwa für neue Gutachten oder doch eine Anklage.

Generalstaatsanwalt prüft

Dabei geht es nicht nur um das größte Verfahren in der bisherigen Geschichte des Landes, sondern auch das bedeutsamste. Deshalb kann Oberstaatsanwalt Carsten Krick im Gespräch mit unserer Zeitung noch nicht absehen, wann eine Entscheidung des „Generals“ fällt. Denn die Dramatik der Flut hatte sich an jedem Flusskilometer anders entwickelt, an dem Menschen starben. Dies sei jeweils sorgsam zu prüfen. Wie Krick sagt, werde jeder Beschwerdeführer am Ende auch einen eigenen Bescheid erhalten – mit der jeweilen Lagebeurteilung. Weist Generalstaatsanwalt Harald Kruse die Beschwerden zurück, wollen Anwälte eine Klage vor dem Oberlandesgericht erzwingen.

Gleichzeitig ist das bis April ausgesetzte Disziplinarverfahren wieder angelaufen. Das Innenministerium hat es an sich gezogen. Dass es dafür auch einen Beamten abstellte, klang nach Tempo. Und ist nicht der beamtenrechtliche Komplex einfacher zu durchleuchten als der strafrechtliche Fall? Laien erscheint es so, auch einigen Juristen. Schließlich haben der U-Ausschuss mit Gutachtern sowie der Leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler das Unterlassen des Landrats mit vernichtendem Ergebnis bereits genau analysiert. So stellte Mannweiler fest: Wenn sich die größte Naturkatastrophe des Kreises abspielt, könne sich der Landrat seiner Gesamtverantwortung nicht entziehen. „Sie können den Landratsmantel nicht an die Garderobe hängen, wenn es brenzlig wird.“

Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal
Was kommt noch auf Jürgen Pföhler zu? Verliert er sein Ruhegehalt – ganz oder teilweise? Im Mainzer Innenministerium wird ein Disziplinarverfahren gegen den früheren Landrat des Kreises Ahrweiler geführt. Untersucht wird, ob der CDU-Politiker Pflichtverletzungen begangen hat.
Arne Dedert. picture alliance/dpa

Denn Pföhler hatte die Einsatzleitung und damit seine Verantwortung an einen ehrenamtlichen Feuerwehrmann delegiert. In der Einsatzzentrale ließ er sich offenbar nur zum Fototermin mit dem damaligen Innenminister Roger Lewentz (SPD) blicken. Nicht nur für Mannweiler unstrittig: Das Führungssystem des Katastrophenschutzes an der Ahr war mangelhaft. So habe es keinen Alarm- und Einsatzplan Hochwasser gegeben, keine Stabsdienstordnung und damit auch keinen Verwaltungsstab. Die Verantwortung dafür habe in erster Linie der sowohl politisch als auch administrativ gesamtverantwortliche Ex-Landrat getragen. Aber darauf konnte er nach seiner Einschätzung keine Anklage stützen. Doch Versäumnisse können dienstrechtlich anders ins Gewicht fallen.

Wer trägt die Verantwortung?

Für eine Anklage reicht es nicht aus, wenn es nur höchst wahrscheinlich erscheint, dass das Versagen von für den Katastrophenschutz Verantwortlichen Schuld daran hat, dass 136 Menschen starben. Die Staatsanwaltschaft machte deutlich: Bei einer Anklage muss die Kausalität eindeutig belegbar sein, dass trotz deutlich absehbarer Gefahr durch „Nichthandeln“ nachweisbar der Tod eines oder mehrerer Menschen verursacht wurde und daher eine Verurteilung wahrscheinlicher als ein Freispruch ist.

Diese Kausalitätsprüfung ist im Disziplinarverfahren nicht notwendig, wie ein Jurist und Behördenleiter erklärt. Er nennt auch ein Beispiel: Wenn er in der Pandemie keine Schutzvorkehrungen getroffen hätte, hätte er auch dann seine Pflichten verletzt, wenn sich wegen seiner Versäumnisse niemand angesteckt hat und erkrankt ist. Im Disziplinarverfahren ist also „nur“ zu prüfen, ob ein Beamter schuldhaft seine Amts- und Dienstpflichten verletzt hat.

Das von Michael Ebling (SPD) geführte Innenministerium formuliert es so: „Ein Dienstvergehen setzt voraus, dass der Beamte schuldhaft die ihm als Beamten obliegenden Pflichten verletzt hat. Hierzu zählen unter anderem Verstöße gegen die Einsatzpflicht, die Dienstpflicht zu achtungswürdigem Verhalten sowie die Dienstpflicht zur Beachtung der Gesetze und zu rechtmäßigem Verhalten.“

Trotz aller bekannten Fakten: Das Innenministerium geht von keiner leichten Aufgabe aus. Lösen muss sie Staatssekretärin Simone Schneider als Amtschefin. Sie habe auch einen Beamten als Ermittlungsführer bestellt, berichtet Ministeriumssprecherin Sonja Bräuer. Und: „Wegen der sehr umfangreichen Verfahrensakten wird es seine Zeit dauern, bis mit einem Abschluss des Disziplinarverfahrens zu rechnen ist.“ Notfalls kann am Ende das Ruhegehalt gekürzt oder gestrichen werden. Aber: Da bis zum Abschluss weiter die Unschuldsvermutung gelte, habe das Verfahren bis dahin „keine Auswirkungen für den Landrat a. D. Dr. Pföhler, somit auch nicht auf das Ruhegehalt“. Pföhler kann sich also noch einige Zeit an seiner vollen Pension erfreuen.

Der Jurist hatte nach der Flut 2021 einen Rücktritt abgelehnt. Er ließ sich krankschreiben und wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzen. Dies sicherte ihm vorerst seine Pension.

Top-News aus der Region