Meinung zur Bundestagswahl
Die Hölle muss warten
Lars Hennemann
Jens Weber. MRV

Mit ein paar Tagen Abstand zur Asyl-Abstimmung und in einem persönlichen Blick auf Friedrich Merz zeigt sich: Die Demokratie hat nach wie vor alle Chancen. Manch eine Partei muss dafür aber unbequeme Wahrheiten zulassen und vor allem verbal abrüsten.

Wer mit Friedrich Merz persönlich spricht, erlebt einen Mann mit Manieren. Er lässt auch unbequeme Fragen zu. Fragen, die Journalisten stellen müssen, um sich einer Antwort zu nähern. Einer Antwort, auf die viele warten, seitdem Merz in einem in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie erlebten Manöver eine Mehrheit mit der in Teilen rechtsextremen AfD in Kauf nahm. Es ist die Antwort auf diese Frage: Wer ist dieser Mann wirklich?

Mit ein paar Tagen Abstand zu den denkwürdigen Tagen unter der Kuppel des Reichstagsgebäudes lässt sich sagen: Merz ist niemand, der das Tor zur Hölle geöffnet hat. Solche Äußerungen sind Wahlkampf-Polemiken vor allem der SPD, aber auch der Grünen, die ihr vermeintliches Glück kaum fassen konnten und prompt begannen, ihre absehbare Niederlage mit der gleichen Krawallrhetorik, mit der sie bereits seit dem Auseinanderbrechen der Ampel ihr politisches Entgleisen zu kaschieren suchen, doch noch verhindern zu wollen.

Scheinheilige Tugendwächter

Merz hat ein Manöver durchgeführt, das er tunlichst nicht wiederholen sollte. Das weiß er selbst. Dem Land täte er keinen Dienst damit, und auch innerparteilich würde er das nicht schadlos überstehen, sobald ein Wahlkampf die Reihen der Union nicht mehr fest schließt. Allerdings müssen sich auch diejenigen, die jetzt am lautesten moralisieren, selbst fragen, welchen Teil zur verfahrenen Situation sie eigentlich beigetragen haben und immer noch beitragen.

Politik ist ein hartes Geschäft mit nur einer Währung: Mehrheiten. Wenn bei der Suche nach Mehrheiten wie aktuell etwa 20 Prozent aus der Rechnung fallen, weil sie auf eine Partei entfallen, mit der nach wie vor niemand koalieren oder auf andere Weise regierungsrelevant kungeln sollte, dann wird der Hebel des linken Spektrums länger und der des bürgerlichen Lagers kürzer. Angela Merkel hat ihre Partei in diese Falle geführt, und manchem als Tugendwächter getarntem scheinheiligen Strategen ist dies bis heute sehr recht.

Die Koalition der Verantwortung

Aus dieser Umklammerung wollte und will Merz heraus. Man muss deshalb die Mittel, die er dafür in Kauf zu nehmen bereit war, auch weiterhin nicht billigen. Aber es ist weder Nazi-Sprech noch das Tor zur Hölle, wenn man darauf verweist, dass die Dinge bei der Suche nach demokratischen Mehrheiten aktuell eben so liegen, wie sie liegen. Verantwortung dafür tragen drei Parteien: die Merkel-CDU, die SPD, die schon lange keine Partei der kleinen Leute mehr ist, und die Grünen, die nicht lernen wollen, dass Verbote als Verbote erkannt werden, auch wenn man sie mit Tonnen von ideologischem Zuckerguss verkleistert. Und die FDP? Wird nur dann noch relevant sein, wenn sie die One-Man-Show Christian Lindner beendet.

Das beste Mittel, um die Zustimmung zur AfD zu verringern, ist eine erfolgreiche und vor allem verständliche Wirtschaftspolitik, in der Arbeit und Leistung mehr zählen als das bloße Verteilen in der jetzigen Steuer-Logik längst unbezahlbarer Wohltaten. Wer das umsetzen will und nicht nur behauptet, wird Deutschland den aktuell größten Dienst erweisen. Friedrich Merz hat das erkannt. Wie auch den Umstand, dass er es alleine nicht schaffen wird. Aber es ist keiner demokratischen Partei verboten, sich ihm anzuschließen. Allerdings sollte man dafür heute Sätze vermeiden, die man morgen bereut. Frau Weidel wartet nämlich weiterhin auf ihre Chance. Sehr geduldig.

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