5341 Wahlbezirke in Rheinland-Pfalz sind ausgezählt, die Europawahl 2024 ist gelaufen: Das Landesergebnis färbt die politische Karte vom Westerwald bis in die Südpfalz schwarz, die CDU ist mit 30,1 Prozent der Stimmen die stärkste Partei geblieben, gefolgt von der SPD (17,5 Prozent) und der AfD (14,7 Prozent). Die beiden Erstplatzierten landen jeweils mit Stimmverlusten auf ihren Rängen, die AfD aber legt kräftig zu, am Ende steht ein Plus von 4,9 Prozentpunkten: Ins Schwarz mischt sich Blau – und das mit regional unterschiedlichen Ausprägungen. Ein Überblick.
Zahlenwerk: Wo Schwerpunktgebiete der AfD liegen
Im Nordosten von Rheinland-Pfalz – dem Westerwald – wie auch weiter südlich im Land und vor allem in der Pfalz punktet die AfD bei der Europawahl. Dort wurde die 20-Prozent-Marke in manchen Orts- und Verbandsgemeinden wie auch der kreisfreien Stadt Pirmasens geknackt. Das beste Ergebnis etwa holte die AfD in Germersheim. In der Stadt in der Pfalz setzt sich die Alternative für Deutschland mit 27,2 Prozent als stärkste Partei durch – und verbuchte ein Plus von 8,3 Prozentpunkten im Vergleich zur EU-Wahl fünf Jahre zuvor. In Pirmasens entschieden sich 25,3 Prozent der stimmberechtigten Menschen für die Rechtspopulisten, in der Verbandsgemeinde Eich in Rheinhessen waren es 22,8 Prozent. Die Top drei aus Sicht der AfD.
Im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung sind die Stadt Idar-Oberstein (21 Prozent) und die VG Kirn (20,8 Prozent) unter jenen Kommunen und Gebietskörperschaften, in denen die AfD die besten Ergebnisse einfahren konnte. Damit liegt die Partei, die vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft und geheimdienstlich beobachten werden darf, auch dort noch deutlich über dem Landesergebnis von 14,7 Prozent.
Die blaue Pfalz
Apropos: Schaut man darauf, in welchen Bereichen von Rheinland-Pfalz der Stimmenanteil für die AfD über ihrem Landesergebnis liegt, leuchtet vor allem die Pfalz tiefblau, wie eine Grafik des Statistischen Landesamtes (Stala) abbildet: Seien es die Kreise Kusel, Donnersberg, Südwestpfalz oder Zweibrücken: Dort übertraf der AfD-Stimmenanteil das Landesergebnis um 20 Prozent und mehr – übrigens zeigt sich diese Entwicklung auch in Teilen des Westerwaldkreises, im Kreis Neuwied sowie im Kreis Altenkirchen, also im Nordosten von Rheinland-Pfalz. Insgesamt listet das Landesamt 52 Verwaltungseinheiten auf, in denen wesentlich mehr Stimmen als im übrigen Land für die AfD bei der Europawahl angegeben wurden.
Wieso die AfD in manchen Regionen besser punktet als anderswo
Das Stala hat das Ergebnis der Europawahl analysiert und geht auf das Wahlergebnis der Parteien nach regionalen und sozialstrukturelle Faktoren ein. Es zeigt sich: „Sozioökonomische Aspekte dürften bei der Wahlentscheidung der Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer eine wichtige Rolle gespielt haben“, teilt der Landeswahlleiter mit. Laut der Analyse erzielt die AfD vor allem in Gebieten, „die sich durch eine ungünstige soziale Lage auszeichnen“, Erfolge.
Demnach stimmen in strukturschwachen Regionen vermehrt Menschen für die AfD, Potenziale gibt es hier zudem für das Bündnis Sahra Wagenknecht. Das Landesamt kommt zu dem Schluss: „Je höher der Anteil Arbeitsloser an der Bevölkerung ist und je mehr Menschen in einem Verwaltungsgebiet auf soziale Mindestsicherungsleistungen angewiesen sind, desto besser fallen die Stimmenergebnisse der beiden Parteien aus.“ Die Pfalz gilt teils als strukturschwach. Pirmasens gehörte bis zum kürzlich erfolgten Schuldenschnitt durch die Landesregierung jahrelange zu den Städten mit der bundesweit höchsten Pro-Kopf-Verschuldung.
Blick in den Westerwald
Auch im Westerwald, wo sich ebenfalls viele Wählerinnen und Wähler nicht von rechtspopulistischen Umtrieben der AfD haben abschrecken lassen, steht es strukturell nicht gerade überall zum Besten – und die Region ist bekannt dafür, dass sich dort rechtsextremistische Gruppierungen tummeln. Erst kürzlich war auf diese Entwicklung auch der Verfassungsschutzbericht des Landes Rheinland-Pfalz eingegangen, in dem unter anderem das Tagungs- und Veranstaltungszentrum Fassfabrik in Hachenburg als „rechter Knotenpunkt“ bezeichnet wurde.
Ergebnisse aller Bundesländer, Landkreise und kreisfreien Städte.Ergebnisse der Europawahl 2024
Interessant ist auch der konfessionelle Zusammenhang beim Wahlverhalten, wie das Landesamt analysiert: Während CDU und Freie Wähler vor allem dort viele Stimmen bekommen, wo besonders viele Katholiken leben, erreicht die AfD ihre höchsten Stimmanteile in Kommunen mit einem hohen Anteil an Protestanten – hier hat sie laut Landesamt etwas mit der SPD gemein.
Ein Faktor für hohe Stimmergebnisse für die AfD ist laut Landesamt auch die Wahlbeteiligung: Je höher sie ausfiel, desto geringere Stimmenergebnisse erlangten die Rechtspopulisten. Ein Stadt-Land-Gefälle wirkt sich statistisch gesehen übrigens bei Stimmabgaben für die AfD nur schwach aus.
Die AfD und die Kommunalwahl
Anders als das Ergebnis der Europawahl stehen die Endergebnisse der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz (Stand Montagabend) teils noch aus. Seriös lässt sich daher noch nicht sagen, wie die AfD auf kommunaler Ebene aus der Wahl herausgeht. Zwischenergebnisse von Montagnachmittag besagen etwa, dass die AfD in Koblenz – Heimatstadt von Rechtsaußen Joachim Paul – bei der Stadtratswahl unter dem Landesergebnis der Kommunalwahl bleibt: Sie konnte demnach 9,5 Prozent der Stimmen holen (77 von 116 Wahlbezirken ausgezählt). In Neuwied holt die AfD laut Zwischenergebnis für den Stadtrat mit 17 Prozent (54 von 61 Wahlbezirken ausgezählt). Und in Germersheim, wo die AfD bei der Europawahl als Partei dominierte, punktet sie auch im Stadtrat: Laut vorläufigem Ergebnis holte sie fast 29 Prozent, was einem Plus von 11,1 Prozentpunkten entspricht. Auf kommunaler Ebene ist die CDU dort mit 32,2 Prozent stärker.
So wertet die AfD Rheinland-Pfalz den Ausgang der Europawahl
Bereits am Sonntagabend teilte die AfD Rheinland-Pfalz mit, die „deutliche Steigerung des Wahlergebnisses bei der Europawahl 2024 im Vergleich zur Europawahl 2019“ zu begrüßen. Auf Anfrage unserer Zeitung verwies die Partei am Montag darauf, dass dieses Statement nach wie vor Bestand habe.
Den Wahlsonntag bezeichnete der Landesvorsitzende Jan Bollinger als „einen guten Tag für Europa, für Deutschland und für Rheinland-Pfalz“. Die AfD werde mehr Mandate nach Brüssel entsenden als noch vor fünf Jahren. „Wir sind der eigentliche Wahlsieger.“ Mit Blick auf den Ausgang der Kommunalwahl prognostizierte Bollinger: „Kommunal wird die AfD absehbar ihre Verankerung vertiefen und noch präsenter sein.“ Er sprach von einem wichtigen Meilenstein „auf unserem Weg, auch in Rheinland-Pfalz endgültig zur Volkspartei zu werden“.