Er ist eines der Nadelöhre im Rhein: der Jungferngrund. Engstellen dort verlangen den Kapitänen besondere Navigationsfähigkeiten ab. Besonders problematisch wird es, wenn der Rhein zu wenig Wasser führt. Denn der schiffbare Bereich wird dann nicht nur deutlich schmaler, er verliert – logisch – auch deutlich an Tiefe.
1,90 Meter beträgt die freigegebene Fahrrinnentiefe bei Niedrigwasser im Schnitt an 20 Tagen im Jahr. Auch, wenn das nur ein statistischer Mittelwert ist: Ausgeprägtes Niedrigwasser ist schlecht für die Industrie. Denn je weniger Wasser unterm Kiel, desto weniger können die Schiffe laden. Grund dafür sind unter anderem die Sedimentablagerungen im Fahrrinnenbereich. Sedimente sind lockere Gesteine, die durch Strömung transportiert werden und sich, wie am Beispiel Jungferngrund, auch in der Fahrrinne ablegen.
Gestein soll nicht in die Fahrrinne gelangen
Nun sollen diese Stellen im Rhein für die Schifffahrt verbessert werden – genau da, wo sich jene Sedimente in der Fahrrinne ansammeln. Aus 1,90 Meter könnten 2,10 Meter werden. Soweit jedenfalls der Plan. Bis 2030 sollte das passiert sein. Daraus wird aber nichts, denn, so das Bundesverkehrsministerium in Berlin, mit dem Bau wird erst Anfang der 2030er-Jahre begonnen. Voraussichtlich.
Der Jungferngrund bei Oberwesel ist eine knifflige Stelle. Sedimente sorgen stetig dafür, dass die Fahrrinne eingeschränkt wird. Bei der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe (BAW) wird der Transportpfad eben jener Sedimente in einem Modell des Rheins erforscht. Ziel soll es sein, dass das lockerere Gestein eben nicht in der Fahrrinne liegen bleibt und so über die Zeit für Probleme sorgt und diese Stellen mit hohem Aufwand wiederkehrend ausgebaggert werden müssen.
Im Maßstab 1:60 steht in Karlsruhe ein exakter Nachbau des Jungferngrunds bei Oberwesel. Der etwa 75 Meter lange Teilabschnitt des Rheins dient als Versuchslabor für die Sedimentbewegung. „Das Modell des Jungferngrunds entspricht exakt seinem Vorbild“, sagt Sven Wurms. Er ist Ingenieur für Wasserbau und arbeitet mit seinem Team seit Jahren am Nachbau des Rheins. Auf den Zentimeter genau wurden die Stellen am Rhein vermessen und in Karlsruhe in den Nachbau gegossen – hier dann natürlich millimetergenau. „Es muss im Maßstab natürlich alles stimmen, ansonsten wären die gewonnenen Daten nicht ausreichend übertragbar auf die Natur“, sagt Wurms. Dass das Wasser in verhältnismäßiger Geschwindigkeit durch ein Modell fließt, scheint außenstehend betrachtet noch nachvollziehbar zu sein.
Computermodelle können nicht helfen
Was aber ist mit der Nachbildung der Sedimente? Mit echten Steinen kann das selbstverständlich nicht funktionieren. „Wir haben vom groben Kies bis feinem Sand Proben aus dem Jungferngrund genommen und mussten natürlich herausfinden, wie man diese Gesteine im Modell nachbilden kann“, sagt Thorsten Hüsener, der als Ingenieur ebenfalls am Model arbeitet. Die Lösung war die Auswahl verschieden großer Kunststoffgranulate.
Mit unterschiedlichen Material-Dichten bewegt sich dieses realitätsgetreu auf dem Grund der Nachbildung. Es weist damit die gleichen Bewegungscharakteristiken auf, wie echtes Gestein auf dem Grund des Jungferngrunds. So kann man anhand des Modells sehen, welchem Pfad die Sedimente folgen und wo sie sich schlussendlich am Jungferngrund ablagern und so die Fahrrinne weiter negativ beeinflussen. „Normalerweise würde man für solche Problemlösungen Computermodelle verwenden“, sagt Ingenieur Sven Wurms. „Leider können diese Modelle jene komplizierten Prozesse, wie wir sie am Jungferngrund haben, nicht simulieren. Daher haben wir uns zusätzlich zu den Computermodellen für dieses Maßstabsmodell entschieden.“
Aber neben der Sedimentbewegung in der Fahrrinne haben die Ingenieure der BAW auch die Natur fest im Blick. Denn das sensible Kiesbankbiotop am Jungferngrund darf durch die geplanten Maßnahmen keinesfalls beeinflusst werden. Und darauf achten die Ingenieure genau.
Optimale Verteilung der Sedimente
Aber was ist nun die Lösung? Was hilft gegen die Sedimentablagerung in der Fahrrinne? In Karlsruhe hat man in schier unendlich vielen Versuchen mehrere Möglichkeiten in die engere Auswahl genommen. Eine nachhaltige Lösung sind wohl mehrere Grundschwellen. Die sollen in Höhe Oberwesel, noch vor dem Jungferngrund, auf dem Grund des Rheins für eine optimale Verteilung der Sedimente außerhalb der Fahrrinne sorgen. „Dabei ist auf Hochwasserneutralität der Maßnahmen zu achten, und das Ökosystem des Kiesbiotops bleibt unangetastet“, so Thorsten Hüsener. Die Sedimente werden durch die Schwellen umgeleitet und zu einem gewissen Maß um die Kiesbank herumgeführt.
Für die Schifffahrt wird das erhebliche Auswirkungen haben. So sammelt sich nicht ständig das transportierte Gestein in der Fahrrinne. 20 Zentimeter mehr an Tiefgang macht bei Frachtschiffen schon gern mal rund 200 Tonnen mehr Ladung aus. Das bedeutet für die Kapitäne eine deutlich andere Planung. Wer beispielsweise von Rotterdam nach Basel fährt, muss seine Ladeplanung insbesondere auf die Engstellen am Mittelrhein anpassen. Und eine dieser Stellen ist eben der Jungferngrund bei Oberwesel. Noch.
Was macht die Bundesanstalt für Wasserbau?
Die BAW berät das Bundesverkehrsministerium und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltungen in allen verkehrswasserbaulichen Fragen, sei es an der Küste oder auch im Binnenbereich wie beispielsweise an Rhein und Mosel. Im Binnenbereich werden die hydraulischen, morphologischen und fahrdynamische Aspekte im Projekt Abladeoptimierung der Fahrrinnen im Bereich Mittelrhein untersucht. Es geht um die Frage, welche Auswirkungen Bauwerke vor allem auf die fahrdynamische Situation im Gewässer haben. web