Von wegen "Kissen knicken": Home Staging ist eine ebenso ernste wie lukrative Angelegenheit - und eine schöne
Der Erfolg steckt im Detail: Home Staging ist eine ebenso ernste wie lukrative Angelegenheit – und eine schöne
Cornelia Augustin war eine der ersten Home Stagerinnen in Deutschland und ist in unserer Region auch so etwas wie das Gesicht und die Stimme der Branche geworden.
Heike Rost

"Kissen knicken“. Dieser Ausdruck fällt mehrfach im Gespräch mit Cornelia Augustin. Manchmal muss sie dabei selbst lachen, manchmal verzieht sie eher das Gesicht. „Kissen knicken“ – also das ordentliche Drapieren von rechteckig oder quadratisch genähter Textilware auf Sofas, Stühlen oder Récamieren – und am Ende einen ordentlichen Knick in die Oberkante drücken.

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Cornelia Augustin war eine der ersten Home Stagerinnen in Deutschland und ist in unserer Region auch so etwas wie das Gesicht und die Stimme der Branche geworden.
Heike Rost

So oder so ähnlich stellt man sich als Außenstehender vielleicht tatsächlich einen zentralen Inhalt von Augustins Beruf vor. Aber nur kurz. Wenn man mit ihr redet, ironisiert sie ihn und kommt danach ebenso herzlich wie klar zur Sache. Und diese Sache sieht federleicht aus wie eine Kissenfüllung. Aber in Wahrheit ist sie sehr ernst und will immer aufs Neue auf den Punkt gedacht und gebracht sein.

Cornelia Augustin ist Home Stagerin. Home Staging ist seit etwa 50 Jahren eine anerkannte und belegbare Methode, beim Verkauf einer Immobilie den vom Verkäufer gewünschten Preis zu erhöhen, und zwar um nachweislich etwa 10 bis 15 Prozent. Und gleichzeitig den Verkaufsprozess um bis zu einem Drittel abzukürzen. Übersetzen darf man den Begriff absolut wörtlich: Ein Haus oder eine Wohnung wird auf eine Bühne gestellt und dort gezielt inszeniert. Seit den Anfängen in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten ist aus der Methode ein ganzes Berufsbild geworden. Augustin ist eine ihrer Pionierinnen in Deutschland.

In einer nüchternen Definition könnte man Home Staging so umschreiben: Home Staging ist eine Mischung aus Verkaufstechnik und Innenarchitektur mit dem Ziel, ein Haus oder eine Eigentumswohnung schneller und teurer als mit konventionellen Methoden zu verkaufen. Es wird versucht, der Immobilie eine Gestalt zu geben, die möglichst viele potenzielle Käufer anspricht.

Ihre Aufgabe ist es, leer stehende Häuser und Wohnungen, die verkauft werden sollen, wieder mit Leben zu erfüllen und eine Art Bühne zu entwickeln, auf der die Fantasie der potenziellen Käufer tanzen kann.
Heike Rost

Wie so oft im Leben entscheidet der erste Eindruck. Unordnung ist absolut tabu, es wird gereinigt und, wenn es nottut, auch beherzt entrümpelt. Und dann geht es um gezielte optische Eingriffe, die die Fantasie eines künftigen Besitzers in Schwingung versetzen sollen. Sie sollen ihn in die Lage versetzen, bereits beim Betreten des möglichen künftigen Zuhauses damit zu beginnen, es sich vor dem geistigen Auge mit den eigenen Möbeln einzurichten. Aus diesem Grund haben persönliche Gegenstände des vormaligen Inhabers nur noch den Zweck, als im Zweifel nützliches Accessoire zu dienen. Wenn sie denn diesen Zweck wirklich noch erfüllen. „Man will doch als Käufer nicht in das Leben eines anderen treten. Man versucht, sich sein eigenes in den neuen vier Wänden vorzustellen.“

Was bedeutet das dann ganz konkret in der Praxis? Wir treffen uns zur Probe aufs Exempel mit Augustin in Bad Soden am Taunus, sozusagen erst vor dem lebenden Objekt, um es dann gemeinschaftlich zu betreten. Ein Bungalow mit 300 Quadratmeter Wohnfläche, plus Garten – absolut gediegener, leicht und angenehm patinierter Glanz deutschen Nachkriegswohlstandes. Wie viele Objekte, die „gestaget“ werden sollen, steht es leer. Der Besitzer hat es für 3 Millionen Euro gekauft, nie bewohnt und will es jetzt wieder loswerden. 4,5 Millionen sollen jetzt schon drin sein. Für Augustin und ihr achtköpfiges Team ist es deshalb seit Januar zur großen Bühne geworden.

“So, als seien die Bewohner nur mal eben zum Einkaufen gegangen"

Und die will ordentlich ausstaffiert werden. Deshalb hält außer uns vor dem Bungalow der Siebeneinhalbtonner mit dem auflackierten Firmenmotto „Ich habe es am liebsten schön“. Die fleißigen Helfer schleppen Lampen, Tische, Stühle, künstliches Obst, Buchattrappen und anderes Material (ja, auch Kissen) ins Haus, um es belebt aussehen zu lassen. So, als seien die Bewohner nur mal eben zum Einkaufen gegangen.

„Wenn ein Haus oder eine Wohnung leer steht, wirkt das auf potenzielle Käufer ganz anders, als wenn wir es stagen. Wir möchten, dass die Käufer sofort eine Geschichte in den Kopf bekommen“, sagt Augustin. Wenn dies gelinge, verliefen die eigentlichen Verkaufsgespräche sofort anders: „Die Menschen treffen eine Entscheidung für eine Immobilie doch oft nur ein einziges Mal. Für die meisten ist es die größte im gesamten Leben. Ich hole sie über die Schwelle, lasse sie nicht allein.

Wenn ich das Gefühl habe, noch ein Sofa zu brauchen, dann hole ich es mir.

Auf einmal sehen sie sich in einer neuen Umgebung“, beschreibt sie das Prinzip. Die Geschichten, die sie dafür immer aufs Neue webt, entstehen über Fantasie, Sinn für Details der Umgebung und Stilsicherheit. Und am Ende über Logistik: Ihre 2014 gegründete Firma sitzt in Mainz, wo sich auch das Hochregallager mit Requisiten befindet, aus dem sich dann wiederum die Helfer für den nächsten Auftrag bedienen. „Ich habe schon einen so großen Fundus, dass mein Mann manchmal verzweifelt. Aber wenn ich das Gefühl habe, noch ein Sofa zu brauchen, dann hole ich es mir“, lacht sie.

Und wenn es wie in Bad Soden sein muss, darf es auch einmal ein ausgewachsener Konzertflügel sein. Keine Widerrede, Home Staging ist eben eine ernste Sache, da muss dann auch mal die eine oder andere ansonsten sehr hoch gehandelte betriebswirtschaftliche Kennziffer wie die eines hohen Lagerbestandes in den Hintergrund treten ...

Das Lager ist ja auch kein Selbstzweck, im Gegenteil. Augustin arbeitet bundesweit und keineswegs ausschließlich wie in Bad Soden im Hochpreisbereich. Auch eine Etagenwohnung in Hanau oder Bingen kann sie reizen. Allerdings lehnt sie auch Aufträge ab, etwa wenn die Käufer in Sachen Erlös völlig überzogene Vorstellungen haben. Auch wenn, was aber nur selten vorkommt, es einfach nicht gelingt, eine gemeinsame „Sprache“ mit dem Kunden zu sprechen.

Im Handumdrehen kann sie mit Requisiten ein leeres Wohnzimmer einrichten.
Heike Rost

Das Eingehen auf andere hat Augustin schon früh gelernt. Ihr Vater war Makler, sie selbst stammt aus Würzburg und hat in Hamburg oder München in führenden Einrichtungshäusern gearbeitet. Sie kennt also alle Elemente des Home Staging, das in den 70ern von der US-amerikanischen Maklerin Barb Schwarz erst zur Kunstform und dann rasch zum knallharten Business erhoben wurde.

Von Seattle im Bundesstaat Washington aus vermarktete sie Tausende gestageter Objekte. Heute lebt die 78-Jährige auf Hawaii. Cornelia Augustin hat sie auf diversen Besuchen in Europa ins Herz geschlossen und nennt sie „my Baby“. Das „Baby“ ist gestandene Geschäftsfrau und bietet mittlerweile neben individuell verhandelten Einzelaufträgen, bei denen sie zunächst selbst ins Risiko geht, auch preisliche Garantiemodelle an. Die wiederum haben große Maklerketten wie etwa Engel & Völkers aufmerksam werden lassen und zur Zusammenarbeit bewogen.

Eine Situation also, in der alle nur profitieren? Oder platzt der schöne Bühnentraum nicht irgendwann doch, wenn die Immobilienpreise sich vielleicht doch einmal nicht mehr nur in eine Richtung entwickeln, nämlich steil nach oben? „Ich glaube nicht. Wir haben in Deutschland gerade eine große demografische Übergangssituation bei gleichzeitig fantastischer Bausubstanz. Das wird auch weiter ein Markt sein“, ist sich Augustin sicher. Wenn man sich im Bungalow umschaut, glaubt man ihr das aufs Wort.

Etwa 200 Home Stagerinnen und Home Stager gibt es hierzulande. Diejenigen, die sich Standards und einem Ehrenkodex verpflichtet fühlen, haben sich in der Deutschen Gesellschaft für Home Staging und Redesign (DGHR) zusammengeschlossen. Wer deren Regeln erlernen will, kann sie in Mainz bei Augustin bekommen, über ein sechsmonatiges Coaching-Programm mit abschließendem IHK-Zertifikat. So viel Ordnung muss in Deutschland eben sein, erst recht auf einer Bühne mit einem jungen und durchaus noch fluidem Berufsbild.

Home Staging bisher eher in Ballungszentren

Noch ein klar erkennbarer Vorteil: Wer wie Augustin sehr zeitig ein neues Umfeld betritt, kann es prägen. Sie hat schon wiederholt Auszeichnungen des Berufsverbandes bekommen und ist zu einem sehr bekannten Gesicht und einer oft gehörten Stimme geworden. „Die Haus-Frau“ hat die „Mainzer Allgemeine Zeitung“ diesen Status einmal in eine Schlagzeile gepackt.

Die erste deutsche Staging-Agentur wurde 2006 in Hamburg gegründet. Bis heute ist das Thema eher eines der Ballungszentren, wie auch Augustin berichtet. In München etwa rückt das Team auch schon einmal für eine ganze Woche an. „Da mietet man sich dann im Hotel ein, um einen Auftrag abwickeln zu können.“

Es kommen Frauen in den Beruf, die denken, man kann das nebenher machen. Das funktioniert aber nicht.

Am Ende aber entscheidet in der Großstadt wie auf dem Land wie auf einer echten Theaterbühne neben allem Talent und aller Disziplin echte Leidenschaft. Vor allem Leidenschaft fürs Geschäft: „Es kommen Frauen in den Beruf, die denken, man kann das nebenher machen. Das funktioniert aber nicht“, sagt Augustin.

Und es braucht das Quäntchen echte Leidenschaft für die kleinen Details, aus denen sich dann die große Geschichte formt. Im Bungalow in Bad Soden stehen wir im erkennbar ehemaligen Herrenzimmer. Viel dunkle Eiche, schwere Sessel und mitten in einer wuchtigen Regalwand eine Glasvitrine unbekannten Zwecks. Ein Aquarium? Nein, kalt. Die Hausbar? Auch nicht, aber schon wärmer.

Der Zigarrenschrank? Treffer. „Mensch, da muss ich doch gleich ...“, sagt Augustin und läuft los. Man traut es ihr zu, dass sie auch dafür eine Lösung entweder schon im Lkw hat oder im Hochregallager. Ein Satz Plastikzigarren? Man traut Augustin auch das zu. Ihr Blick fällt beim Verlassen des Raumes auf ein Kissen. Kurz hält sie inne und muss deshalb selbst lachen. Sie hat es eben auch selbst am liebsten schön. Ihre Kunden auch.

Wissenswertes
Home Staging stammt ursprünglich aus den USA und tauchte dort zum ersten Mal in den 70er-Jahren auf. Es dauerte rund 20 Jahre, bis sich Home Staging dann als eigener Geschäftsbereich für Designer und Innenarchitekten herausbildete. Beim Home Staging handelt es sich um eine Verkaufstechnik, die dazu führen soll, ein Haus oder eine Wohnung schneller und mit mehr Erlös zu verkaufen.
Umfragen zeigen, dass die Verkaufszeit bis zu einem Drittel beschleunigt werden kann und ein bis zu 15 Prozent höherer Verkaufspreis erzielt werden kann, wenn ein Home Stager Hand an ein Objekt gelegt und es entsprechend hergerichtet hat. Man versucht, der eigentlich leer stehenden Immobilie ein besonderes Flair zu geben und eine Stimmung zu erzeugen, sodass potenzielle Käufer sich besser vorstellen können, wie es sein würde, dort zu wohnen. So hofft man auch, den Kreis der möglichen Interessenten zu erweitern. In Deutschland wurde 2006 in Hamburg die erste Home-Staging-Agentur eröffnet, inzwischen gibt es rund 200 Home Stager in Deutschland. Seit 2010 gibt es einen eigenen Berufsverband, die Deutsche Gesellschaft für Home Staging und Redesign (DGHR).

Weitere Infos: www.dghr-info.de

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