Nach Polizeigewalt in den USA
Das sind die Ergebnisse der Polizeistudie
Eine Studie zu Einstellungen und dem Verhältnis zur Gesellschaft sieht bei der rheinland-pfälzischen Polizei keine Hinweise auf einen strukturellen Rassismus oder auf grundlegende rechtsextremistische Einstellungen.
Andreas Arnold/dpa

Nachdem 2020 in den USA der Afroamerikaner George Floyd bei einem Polizeieinsatz getötet wurde, wurde viel über Polizeigewalt diskutiert. Eine Folge: eine Studie über die rheinland-pfälzische Polizei. Sie liegt nun vor. Manche Ergebnisse überraschen.

Der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA durch einen Polizisten vor über vier Jahren löste Entsetzen sowie die „Black Lives Matter“-Proteste („Schwarze Leben zählen“) aus. Und weltweit eine heftige öffentliche Diskussion über strukturellen Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung durch die Polizei. In Rheinland-Pfalz folgte der Entschluss, eine eigene wissenschaftliche Polizeistudie zu erstellen.

Die über 500 Seiten dicke Studie mit dem Namen „Innere Sicherheit und demokratische Resilienz – Bedingungen und Wechselwirkungen polizeilichen Handelns in der pluralen Gesellschaft“ ist nun nach drei Jahren Forschungsarbeit fertig. Die Ergebnisse stellte Innenminister Michael Ebling (SPD) mit dem Forschungsteam vor. Manche Resultate überraschen, andere nicht.

In der Studie untersuchten die Wissenschaftler drei Teilprojekte. Die Befunde des politikwissenschaftlichen Teils präsentierte Kai Arzheimer von der Uni Mainz: Die Forscher konnten sehr hohe Zustimmungswerte zu liberaldemokratischen Prinzipien und eine sehr deutliche Ablehnung antisemitischer Aussagen in der Polizei Rheinland-Pfalz feststellen. Ein anderes Bild gab es bei antimuslimischen Aussagen: Sie werden zwar von einer Mehrheit der Polizei klar abgelehnt. Aber immerhin 18 Prozent der Polizei- und 23 Prozent der Verwaltungsbeamten und Tarifbeschäftigten gaben klar zustimmende Antworten. Ein großer „Graubereich“ vermied laut Arzheimer eine klare Positionierung.

Demonstranten nehmen vor vier Jahren an einer Kundgebung zu Ehren des durch Polizeigewalt ermordeten Afroamerikaners George Floyd teil. Der Walk for Justice - also der Marsch für Gerechtigkeit - startete mit Kundgebungen am Deutschen Eck. Der Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd hatte weltweit zu Protesten geführt.
Sascha Ditscher

Als Grund arbeiteten die Politikwissenschaftler einen klaren Zusammenhang mit häufigen und als negativ empfundenen dienstlichen Kontakten mit Muslimen und Zugewanderten heraus. Schlussfolgerung: Wichtig seien unter anderem positiv empfundene, kooperative dienstliche Kontakte mit muslimischen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

„Als eine sehr problematische Position“ bezeichnete Arzheimer das Ergebnis, dass 11 Prozent der Polizeibeamten und 14 Prozent der Verwaltungsmitarbeiter eine ethnische Vorstellung von Nationalität vertreten, der zufolge Zugewanderte niemals richtige Deutsche sein könnten. Die Studienverantwortlichen betonten aber unisono, dass man keine Anhaltspunkte für strukturellen Rassismus innerhalb der Landespolizei gefunden habe. Arzheimer erklärte, dass die Polizei insgesamt auf einem sehr guten Weg sei. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Polizeiangehörige mit besonders negativer oder problematischen Einstellungen könnten seltener an der Befragung teilgenommen haben als andere, heißt es in der Kurzfassung des Abschlussberichts zur Studie. Die anonyme Beteiligung war freiwillig.

Zum Forschungsprojekt:

Das Forschungsprojekt wurde von 2021 bis 2024 durchgeführt. Die Ergebnisse wurden nach Angaben des Wissenschaftskonsortiums sowohl aus standardisierten Befragungen der Angehörigen der Polizei als auch aus narrativen Interviews mit Bürgern und Polizisten sowie Feldaufenthalten, also beobachtenden Begleitungen des polizeilichen Arbeitsalltags, gewonnen. Der politikwissenschaftliche Teil stützte sich etwa auf zwei Online-Befragungen. An der ersten Umfrage beteiligte sich knapp die Hälfte aller Polizeiangehörigen. Arzheimer sprach von einer „sensationell hohen Beteiligung“. Die vom Innenministerium geförderte Studie kostete nach Ministeriumsangaben 622.000 Euro.

Im psychologischen Teilprojekt ging es um Arbeitsressourcen sowie Belastungen in der Polizei. Die Ergebnisse von Conny H. Antoni von der Uni Trier sehen wie folgt aus: Ein hoher Teil der Teilnehmer (etwa zwei Drittel) fühlt sich mit der Polizei emotional verbunden und ist mit der Arbeit zufrieden. Unter den Studierenden waren die Verbundenheit und Zufriedenheit besonders stark, bei der Kriminalpolizei im Schnitt am geringsten ausgeprägt. Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass sich ein hoher Anteil der Polizisten sehr beansprucht fühlt. Fast die Hälfte der Befragten fühlt sich ein paar Mal im Monat bis täglich emotional erschöpft. Die Kriminalpolizei empfindet im Mittel laut Antoni die höchste emotionale Erschöpfung.

In der rheinland-pfälzischen Polizei kommt es zu einfachem Fehlverhalten der Beamten gegenüber dem Bürger. Solche Fehler gegenüber Bürgern wurde von Kollegen im eigenen Team von 52 Prozent und gegenüber Kollegen von 59 Prozent mindestens einmal im vergangenen Jahr beobachtet. Disziplinarwürdiges Fehlverhalten kommt dagegen deutlich seltener vor (8 und 11 Prozent).

"Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Bevölkerung zu Recht in ihre Polizei vertrauen kann", sagte Innenminister Michael Ebling (SPD) bei der Vorstellung der Studie "Insider - Innere Sicherheit und Demokratische Resilienz. Bedingungen und Wechselwirkungen polizeilichen Handelns in der pluralen Gesellschaft" in Mainz.
Harald Tittel/dpa

Die Wissenschaftler gaben Innenminister Ebling 29 Handlungsempfehlungen an die Hand. So schlagen sie unter anderem vor, die Reflexionskultur innerhalb der Polizei weiterzuentwickeln, die Zugangsvoraussetzungen zur Polizei zu überdenken und noch gezielter gegen antimuslimische und zuwanderungsfeindliche Einstellungen und Vorurteile vorzugehen. Positive Kontakte und innere Vielfalt könnten eine zentrale Rolle spielen. Und: Die Wissenschaftler sagen klar: Eine personelle Aufstockung der Polizei ist erforderlich. Der Innenminister verwies darauf, dass der Personalaufwuchs auf dem höchsten Niveau sei, das man jemals erreicht habe - was offenbar nicht ausreicht, wie auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) immer wieder anmahnt.

„Wir fordern, dass genau hingeschaut wird und die Auffälligkeiten, die die Wissenschaftler festgestellt haben, sollten auch der Polizei eine genaue Betrachtung wert sein.“
GdP-Landeschefin Steffi Loth

GdP-Landeschefin Steffi Loth lobte die Studie. Die GdP-Forderung, nicht nur eine reine „Rassismus-Studie“, sondern eine breit angelegte Untersuchung durchzuführen, sei „bestens erfüllt worden“. Loth verwies auf bereits Erreichtes wie etwa interkulturelle Dialoge mit Menschen mit Migrationshintergrund.

Zusammenfassungen lesen

Das Innenministerium Rheinland-Pfalz stellt eine Zusammenfassung der Studie zum Download in Kurzform (25 Seite) und die Studie in Langform (546 Seite) online als PDF zur Verfügung.

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