Interview mit Doris Ahnen
„Das Geld, das kommt, werden wir auch umsetzen“
"Wichtig ist, dass die Investitionen steigen – und das tun sie bei uns in jedem Jahr", sagt die rheinland-pfälzische Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung.
Helmut Fricke. picture alliance/dpa

Lässt das Land seine Infrastruktur verkommen? Zuletzt sorgten die Uni Trier und die Liegenschaften der Polizei für Schlagzeilen. Doris Ahnen (SPD) ist Bau- und Finanzministerin. Wie will sie die öffentlichen Gebäude im Land retten? Unser Interview.

Marode Brücken, Straßen, Universitäten: Noch bevor die neue Koalition aus Union und SPD in Berlin einen Vertrag hatte, schnürte sie ein Milliardenpaket für die deutsche Infrastruktur. Mit am Tisch saß anfangs auch die rheinland-pfälzische Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen (SPD). Im Land war sie zuletzt immer wieder kritisiert worden, zu wenig zu investieren. Womöglich könnte das Geld aus Berlin und die teilweise abgeschaffte Schuldenbremse nun helfen, auch das Land wieder auf Vordermann zu bringen.

Zuletzt sorgte der Fall der Uni Trier für Aufsehen. Der rheinland-pfälzische Rechnungshof hatte bei einer Untersuchung erhebliche Brandschutzdefizite, Nagetierbefall und eine schwer beschädigte Bausubstanz festgestellt. Warum Ahnen die Probleme nicht leugnet, aber für weniger dramatisch hält und wie ihr häufig kritisierter Landesbetrieb die Probleme nun lösen soll, erklärt sie im Interview mit unserer Zeitung.

Frau Ahnen, vor einigen Wochen haben Sie in Berlin das Milliardenpaket zur Infrastruktur mitverhandelt. Welche Note geben Sie dem Zustand der rheinland-pfälzischen Infrastruktur?

Das ist eine komplexe Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt. Wenn wir auf den Bereich des Hochschulbaus schauen, haben wir exzellente Forschungsgebäude an unseren Hochschulen, wir haben aber auch Gebäude im Bestand aus den 70er-Jahren, mit erheblichem Sanierungsbedarf. Eine Durchschnittsnote sagt da gar nichts aus.

Doris Ahnen im Landtag. Malu Dreyer machte Ahnen 2014 zur Finanzministerin.
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Der rheinland-pfälzische Rechnungshof rügt Sie schon seit Jahren dafür, zu wenig zu investieren. Im Vergleich gibt kein anderes Land weniger aus.

Es gibt kaum etwas, das über die Länder hinweg so schlecht vergleichbar ist wie die Investitionsquote. Da sorgen zum Beispiel Sondervermögen wie etwa im Saarland für Ausschläge nach oben. In Mecklenburg-Vorpommern wird der soziale Wohnungsbau miteinbezogen – anders als in Rheinland-Pfalz. Die Zahlen sind also mit extremer Vorsicht zu genießen. Wichtig ist, dass die Investitionen steigen – und das tun sie bei uns in jedem Jahr.

In den vergangenen zehn Jahren haben Sie es dennoch nie geschafft, ihr verplantes Geld für Investitionen auch auszugeben.

Wir hatten zuletzt einen Umsetzungsgrad von 87,6 Prozent. Das ist ein wahnsinnig hoher Wert. Da sind wir besser geworden.

Offensichtlich reicht weder der Umsetzungsgrad noch die blanke Summe aus. Für den Sanierungsstau im Land gibt es zahlreiche Belege. Jüngst kam die Universität Trier hinzu. Dort sind die Bau- und Brandschutzmängel am Hauptgebäude so groß, dass nur noch ein Abriss oder eine Generalsanierung hilft. Wieso haben Sie so weit kommen lassen?

Wir haben in den vergangenen fünf Jahren massiv investiert – fast 550 Millionen Euro für Baumaßnahmen an Hochschulen und 200 Millionen Euro für die Instandhaltung der Gebäude. Dennoch ist bei Gebäuden mit einer Nutzungsdauer von 50 Jahren eine Generalsanierung unumgänglich. So wie bundesweit und jetzt auch in Trier.

Nach Untersuchungen des Rechnungshofes sind die Probleme überhaupt erst so groß geworden, weil Sie über die Jahre zu wenig unternommen haben. 16 Millionen Euro fehlten demnach jährlich für die Instandhaltung.

Dem liegt eine schematische Berechnungsmethode zugrunde, die nicht die konkrete Situation der Universität Trier abbildet. Selbst wenn Sie sehr gute Bauunterhaltung betreiben, ist bei Hochschulgebäuden irgendwann der Punkt der Generalsanierung erreicht. Das hätten wir nicht verhindern können.

300 Millionen Euro könnten in den kommenden Jahren nötig sein, um die Gebäude auf Vordermann zu bringen. Wie retten Sie die Uni Trier?

Die Universität Trier braucht kein Rettungspaket. Sie ist eine angesehene Universität, und ich bin der festen Überzeugung, dass sie auch eine gute Zukunft hat. Allerdings sind absehbar größere Maßnahmen notwendig, um die Gebäudesubstanz zu erhalten. Wir müssen uns überlegen, was die Universität in der Zukunft braucht. Und es geht darum, einen guten Plan zu entwickeln, dass der Studienbetrieb während der Baumaßnahmen vollumfänglich aufrechterhalten werden kann.

Wie sieht dieser Plan aus?

Derzeit planen wir als initiale Maßnahme gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium, der Universität Trier und dem Landesbetrieb LBB die Errichtung eines neuen, modernen Gebäudes, das zugleich Ausweichfläche für die Sanierung der Bestandsgebäude sein soll. Es wird sich um eine beträchtliche Investition handeln.

Es gibt auch Defizite, die bis dahin nicht warten können. Im Bericht des Rechnungshofes ist von „erheblichen Brandschutzmängeln“ die Rede.

Die aufgezeigten Probleme wurden und werden kontinuierlich in enger Abstimmung zwischen dem Landesbetrieb LBB und der Universität behoben, um die Betriebssicherheit jederzeit zu gewährleisten.

Es ist also nicht zu befürchten, dass Hörsäle geschlossen werden müssen?

Die Betriebssicherheit ist gegeben. Aber das ändert nichts daran, dass im Kern eine größere Sanierungsmaßnahme ansteht.

Trier ist nicht der einzige Fall. Wie groß ist der Imageschaden für die maroden Unis im Land? CDU-Chef Gordon Schnieder warf Ihnen vor, sie riskierten, dass Studierende und Forschende nicht mehr nach Rheinland-Pfalz kommen wollten.

Es wird hier ein völlig falsches Bild vermittelt. Es ist ja nicht so, dass die Universität Trier abrissreif ist. Wir sprechen hier von drei Gebäuden aus den 70er-Jahren, bei denen eine umfassende Sanierung notwendig ist. Auch die Situation mit den Nagetieren wurde zu dramatisch dargestellt. Dort, wo es Baustellen und Grünflächen gibt, gibt es immer auch Nagetiere. Und die Universität bekämpft sie, dafür ist sie auch zuständig. Ich habe nicht den Eindruck, dass die bauliche Situation Forschende und Studierende abschreckt, nach Rheinland-Pfalz zu kommen. Aber ich habe den Anspruch, dass unsere Hochschulen zu jedem Zeitpunkt in einem guten Zustand sind. Und deswegen werden wir auch in Trier umfangreiche Maßnahmen ergreifen. Im Übrigen ist auf dem Campus 2 bereits viel investiert worden. Es ist ja nicht so, dass nichts passiert.

Der Bundestag hat kürzlich ein Milliardenprogramm für die Infrastruktur in Deutschland beschlossen. Allein für Rheinland-Pfalz wird es bis zu 500 Millionen jährlich in den kommenden zehn Jahren geben. Und sie dürfen als Land auch wieder Schulden aufnehmen. Am Geld dürfte die Instandhaltung der Infrastruktur nun nicht mehr scheitern, oder?

Dieses Bundesprogramm ist extrem wichtig, und ich habe mich stark dafür eingesetzt, dass Länder und Kommunen daran beteiligt werden. Und da waren wir erfolgreich. Wenn wir bei den Landesgebäuden bleiben: Hierbei reden wir fast ausschließlich von Spezialimmobilien. Das sind Gerichte, Polizeidienststellen bis hin zu höchstinstallierten Forschungs- und Laborgebäuden an unseren Hochschulen. Da ist fast nichts von der Stange, und die Umsetzung stellt höchste Ansprüche.

Und wie wollen Sie dieses viele Geld auf die Straße bringen?

Das Geld, das kommt, werden wir auch umsetzen können. Davon bin ich fest überzeugt.

Doris Ahnen (rechts) mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP).
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Ist Ihre Behörde, der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung, dafür leistungsfähig genug? Auch hier hat der Rechnungshof mehrfach den Finger in die Wunde gelegt.

Ich will nicht sagen, dass der Landesbetrieb LBB nicht auch vom Fachkräftemangel betroffen ist. Aber wenn Sie sehen, wie hoch das Investitionsvolumen ist, das der Landesbetrieb LBB sowohl im Landes- als auch im Bundesbau seit Jahren umsetzt, kann keiner sagen, dass der Betrieb nicht funktioniert. Das ist einfach nicht wahr. Und das wird auch den Mitarbeitenden dort nicht gerecht.

Also fehlt einfach nur das Personal? Vor zwei Jahren waren allein beim LBB mehr als 250 Stellen vakant.

Im Landesbetrieb LBB arbeiten 1400 Beschäftigte, da gibt es permanent Vakanzen, und auch wir bewegen uns auf einem angespannten Fachkräftemarkt. Der Landesbetrieb LBB wirbt intensiv um Mitarbeitende und verzeichnet auch immer wieder Erfolge bei der Rekrutierung.

Haben Sie den Eindruck, es ist schwer, Leute für den LBB zu begeistern?

Das ist kein Phänomen des Landesbetriebs LBB. Durch den Fachkräftemangel ist es einfach schwer, Technikerinnen und -techniker sowie Ingenieurinnen und Ingenieure insbesondere in der Elektro- und Versorgungstechnik zu gewinnen. Das ist eine Daueraufgabe. Im Übrigen betrifft dies nicht nur uns als Staat, sondern auch Bauunternehmen und Freiberuflerinnen und Freiberufler, mit denen wir immer mehr zusammenarbeiten.

Zahlt der Staat für Ingenieure zu wenig?

Wir versuchen, finanziell unsere Möglichkeiten zu nutzen. Und ja, die sind eingeschränkt. Der öffentliche Dienst ist aber ein guter Arbeitgeber, mit sicheren Jobs, flexiblen Arbeitszeiten und einer generell familienfreundlichen Struktur. Das spielt für Bewerberinnen und Bewerber eine wichtige Rolle.

"Ich bin gern nah an den Dingen dran", sagt Doris Ahnen über ihren Job als Finanzministerin.
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Wenn Personalaufbau nicht möglich ist, was ist dann Ihre Lösung? Sie sagten kürzlich selbst im Landtag: „Wir haben ein Umsetzungsproblem auf allen Ebenen“.

Wir werden vereinfachen, beschleunigen, Bürokratie abbauen müssen und mutiger mit Dritten zusammenarbeiten. Das Land hat bereits ein erstes Bürokratie-Abbau-Paket mit 57 Maßnahmen vorgelegt. Auch der Bund hat bereits weitere Planungsbeschleunigungen und Bürokratieabbauinitiativen angekündigt. In Rheinland-Pfalz haben wir zudem gerade das Mittelstandsförderungsgesetz verabschiedet, was vereinfacht, auch Generalunternehmer beim Bau zuzulassen. Das ist vor allem bei großen Neubauten ein beschleunigender Effekt. Aber selbstverständlich wird auch weiterhin unser Mittelstand zum Zuge kommen.

Zurück nach Berlin: Sie haben die Abschaffung der Schuldenbremse und das Milliardenpaket mitverhandelt. Haben Sie zwischenzeitlich überlegt, in Berlin zu bleiben?

Ich habe mich jedes Mal total gefreut, nach Rheinland-Pfalz zurückzukommen. Das soll nicht heißen, dass ich es in Berlin nicht mit interessanten Leuten und spannenden Aufgaben zu tun hatte. Aber ich mag die Aufgaben und Themen, um die ich mich hier kümmere, sehr. Ich bin gern nah an den Dingen dran.

Gab es denn ein Angebot aus Berlin?

Die Frage hat sich für mich nicht gestellt.

Sollte die SPD die Landtagswahl 2026 gewinnen, würden Sie gern Finanzministerin bleiben?

Ich mache diese Aufgabe sehr gern.

Das Gespräch führte Sebastian Stein

Aus Trier nach Mainz

Doris Ahnen wurde 1964 in Trier-Ehrang geboren und wuchs mit ihren Eltern und drei Geschwistern im Stadtteil auf. Nach dem Abitur am Friedrich-Spee-Gymnasium studierte sie in Mainz Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Pädagogik. Bis heute lebt Ahnen in der Landeshauptstadt. Bereits vor mehr als 30 Jahren – 1991 – zog es sie in die Nähe der Landesregierung. Damals wurde sie Leiterin des Ministerbüros im Wissenschaftsministerium. Fünf Jahre später kam Ahnen dann selbst in eine Spitzenposition als Staatssekretärin im Bildungs- und Wissenschaftsministerium. 2001 folgte der Aufstieg zur Bildungsministerin. Malu Dreyer machte Ahnen 2014 zur Finanzministerin. Die beiden gelten bis heute als enge Vertraute. Seit über 20 Jahren ist die gebürtige Triererin Ahnen auch stellvertretende Vorsitzende der rheinland-pfälzischen SPD. seb

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