Ist das Wahlgeheimnis wirklich in Gefahr? Diese Lösungsansätze gibt es für Kommunen
Das Dilemma der kleinen Wahllokale: Ist das Wahlgeheimnis wirklich in Gefahr?
Wenn in einem kleinen Wahlbezirk nur wenige Leute ihren Stimmzettel auch wirklich in die Urne werfen, ist unter Umständen das Wahlgeheimnis nicht gewahrt. Doch müssen daher kleine Wahllokale aufgegeben werden? Der Landeswahlleiter sieht mehrere Möglichkeiten, das zu verhindern.
picture alliance / Arne Dedert/d

Rheinland-Pfalz. Das Bundesinnenministerium bestimmt den Ablauf der Bundestagswahl mithilfe der Bundeswahlordnung. Horst Seehofer (CSU) hat in der neuesten Auflage vom 27. Juni 2020 darin eine Klarstellung verankern lassen: Wenn weniger als 50 Stimmen in der Wahlurne landen, ist aus Sicht seines Hauses das Wahlgeheimnis in Gefahr. Die Befürchtung ist, dass die individuelle Wahlentscheidung anhand der Wählerliste nachvollziehbar wird. In Rheinland-Pfalz gibt es so viele kleine Dörfer wie in keinem Land außer Sachsen. In den Landkreisen Bad Kreuznach und Idar-Oberstein, die gemeinsam den Bundestagswahlkreis 201/Kreuznach bilden, kursierte schnell eine Befürchtung: Kleine Wahllokale werden geschlossen. Das wird nicht passieren. Wir erklären alle Hintergründe und Lösungsansätze.

Lesezeit 2 Minuten

Wie viele Wahlbezirke wären in Rheinland-Pfalz betroffen?

Eine seriöse Einschätzung ist nur annäherungsweise möglich. Der Blick auf das amtliche Endergebnis der Landtagswahl gibt gewisse Aufschlüsse: In mehr als 600 Ortsgemeinden stimmten zwischen einem (Speyer/Siedlungsschulen) und 60 Wählern (Hattgenstein im Kreis Birkenfeld) an der Urne ab. Dass der Wert dort unter die magischen 50 fällt, ist nicht ausgeschlossen. Der Landeswahlleiter Marcel Hürter (SPD) hält das grundsätzlich dort für wahrscheinlich, wo weniger als 300 Wahlberechtigte leben. Doch eine Garantie stellt dieser Wert keineswegs dar. In Betzdorf durften potenziell 1795 Menschen über die Zusammensetzung des Landtags abstimmen. Nur 20 taten das in einem Wahllokal. Die meisten setzten auf Briefwahl. Angesichts der anhaltenden Pandemie könnte das auch im September der Fall sein.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Je nach Lesart sind es zweieinhalb oder drei. Option eins ist der Paragraf 68 Absatz 2 der Bundeswahlordnung. Wenn in einem Wahllokal weniger als 50 Stimmen abgegeben werden, wird die Urne gemeinsam mit einem anderen Stimmbezirk ausgezählt. Rechtlich betrachtet ordnen die Kreiswahlleiter das „am Wahlabend“ an. Praktisch, das merkte Landeswahlleiter Hürter an, müssen „Partnerbezirke“ allerdings vorher festgelegt werden. Lösung zwei war eine Empfehlung des Landeswahlleiters. Statt am Abend die Urnen gemeinsam auszuzählen, werden die Bezirke vorher zu größeren Gebieten zusammengelegt, um so zu verhindern, dass weniger als 50 Zettel in der Urne landen. Das würde allerdings dazu führen, dass Menschen nicht im eigenen Dorf, sondern im Nachbarort wählen müssen. Im Vorschlag des Landeswahlleiters war allerdings auch von „mobilen Wahlvorständen“ die Rede. Das ist praktisch Version Nummer zweieinhalb oder drei: Zwei oder drei Dörfer bilden zwar einen Bezirk, haben aber – in einem gewissen Zeitfenster – jeweils ein eigenes Wahllokal.

Wer entscheidet, was passiert?

Die Entscheidung fällt faktisch in den Kreis- oder Stadtverwaltungen – nicht in Bad Ems. Der Landeswahlleiter berät lediglich und hat ein Interesse an einem koordinierten und einheitlichen Vorgehen.

Müssen Wahllokale schließen?

Wenn Landräte oder Stadtbürgermeister das so entscheiden (Option zwei), müssen Wahllokale schließen. Die Entscheidung steht ihnen aber frei.

Wird das Ergebnis der einzelnen Ortsgemeinden nachvollziehbar sein?

Klare Antwort: Wenn weniger als 50 Wähler ihre Stimme abgeben, in keinem Fall. Denn dann müssten die Stimmen mit einem anderen Bezirk gemeinsam ausgezählt werden. Wenn die Stimmbezirke im Vorhinein zusammengelegt werden, gibt es auch kein differenziertes Ergebnis – selbst wenn mehr als 50 Menschen an der Urne wählen.

Von unserem landespolitischen Korrespondenten Carsten Zillmann

Top-News aus der Region